FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Schliessung des anonymen Remailers anon.penet.fi

Am 30.8.1996 erklaerte Johan Helsingius in einer Presseerklaerung ( http://www.penet.fi/press-english.html) die Schliessung seines in Finnland ansaessigen populaeren anonymen Remailers anon.penet.fi. Als Grund gab er die unklare Gesetzeslage in Finnland an, welche die Anonymitaet und Privatsphaere der Benutzer des Remailers momentan nicht gewaehrleisten kann. anon.penet.fi hatte zum Zeitpunkt der Schliessung mehr als 500000 Benutzer.

Anonyme Remailer dienen der Veroeffentlichung ebensolcher Nachrichten in den zahlreichen Foren des Usenet. Sendet man eine Email an einen solchen, wird diese von allen Identitaetsmerkmalen befreit und vom Remailer selbst als oeffentliche Nachricht in das angegebene Forum gesetzt. Derartige Remailer gibt es viele, aber anon.penet.fi war der populaerste, da seine Bedienung sehr einfach war und er sich die Email-Adresse seines Benutzers merken konnte. So war ueber den Remailer eine nichtoeffentliche Email-Antwort an den Verfasser einer anonymen Nachricht moeglich. Wozu Anonymitaet ? Nun, wer wollte nicht schonmal etwas, das ihm auf dem Herzen lag, loswerden ohne von anderen erkannt zu werden. In einer Diskussion ueber das Produkt X von Firma Y, ueber den Arbeitgeber, ueber psychische Probleme, ueber das Finanzamt, etc. kann so etwas schon nuetzlich sein. Da ungebetene Email-Werbung mittlerweise zum Problem wird, gibt es Netznutzer, die ihre Email-Adresse nicht einfach offenlegen wollen. Ausserdem wird es immer Organisationen, Regimes und Einzelpersonen geben, die die Verbreitung gewisser Informationen mit allen Mitteln verhindern wollen.

Helsingius war wegen seines Remailers oft das Ziel ungerechtfertigter Anschuldigungen, die nach eigener Aussage Auswirkungen auf sein Berufs- und Privatleben hatten. So z.b. in einem Artikel des "Observer" in welchem er als "key link in the international paedophile chain" bezeichnet wurde, da man ueber seinen Remailer anonym Kinderpornograhie in die Foren des Usenet einspeisen koenne. Helsingius hingegen hatte vor mehr als einem Jahr das Veroeffentlichen von Bildern ueber seinen Remailer unmoeglich gemacht. Doch diese Anschuldigungen waren nicht der Grund fuer die Schliessung. Zu dieser kam es aufgrund eines seit Dezember 1994 andauernden Kampfes zwischen der Sekte Scientology und einer Vielzahl engagierter Nutzer des Internet ( http://www.cybercom.net/~rnewman/scientology/home.html).

Zu diesem Zeitpunkt erklaerte die Sekte dem Internet den Krieg und versucht seitdem durch technische, soziale und rechtliche Angriffe die Verbreitung kritischer Informationen in diesem Medium zu verhindern. Hauptziel ist die Diskussionsgruppe alt.religion.scientology, die Waffen sind Kontrollnachrichten, die die Entfernung einzelner Artikel oder der ganzen Diskussionsgruppe bewirken sollen, sowie eine Vielzahl gleichartiger und unnuetzer Nachrichten, die die Gruppe fast unbenutzbar machen (sog. Spamming). Doch auch vor der privaten Belaestigung engagierter Netznutzer schreckt Scientology nicht zurueck. Zu guter letzt gibt es noch die Rechtsanwaelte der Sekte, womit wir wieder zurueck zu anon.penet.fi kommen. Im Februar 1995 gelang es diesen ueber die finnischen Behoerden an den Namen einer Person zu kommen, die ueber anon.penet.fi angeblich aus einem Rechner von Scientology gestohlene Texte veroeffentlicht haben sollte. Helsingius musste die Polizisten sogar davon ueberzeugen, nicht den ganzen Rechner mitzunehmen und gab dafuer die Identitaet des Benutzers preis. Im April 1996 interessierte sich Scientology erneut fuer Benutzer des Remailers und vor kurzem entschied ein lokales finnisches Gericht zugunsten der Sekte. Diese Entscheidung impliziert, dass Emails keinen besonderen Schutz im Sinne des Briefgeheimnisses geniessen, was das Identifizieren und Abhoeren der Benutzer von Remailern fuer die Behoerden sehr leicht macht. Angesichts dieser Situation beschloss Helsingius die Einstellung seines Remailer-Dienstes. Die Konsequenzen des Urteils, sollte es Bestand haben, sind natuerlich wesentlich weitreichender. Das ungestrafte Lesen der privaten elektronischen Post durch Behoerden ohne richterliche Genehmigung oder durch andere stellt einen unhaltbaren Zustand dar.

Die rechtliche Situation in Deutschland ist nicht viel anders, Paragraph 201 und 202 STGB sind auf Toene bzw. Papier beschraenkt, gelten also nicht fuer elektronische Nachrichten. Ein anderer, impliziter, Schutz ist schwer zu finden und gilt dann auch nur eingeschraenkt (vgl. TKG). Frankreich wurde vom Europaeischen Gerichtshofs fuer Menschenrechte bereits wegen des mangelnden Schutzes der Email verurteilt. Falls das STGB nicht entsprechend geaendert wird, koennte dies auch Deutschland passieren. Eine juristische Diskussion, ob Remailer die Spuren ihrer Benutzer verwischen duerfen und, falls ja, wann die Anonymitaet ihrer Benutzer aufgehoben werden darf, findet ebenfalls nicht statt.

Wer mehr ueber Remailer und ihre Benutzung erfahren moechte, kann unter http://www.well.com/user/abacard/remail.html mit dem Anonymous Remailer FAQ von Andre Bacard starten.

Michael Brunnbauer

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, Neko, 1996
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