Der einfachste Weg, die Funktionsweise der elektronischen Post zu erkunden, besteht darin, sie auszuprobieren. Im Normalfall sollte es für den Test genügen, ein E-Mail-Programm mit der eigenen Adresse als Parameter aufzurufen. Nur steht der scheinbaren Einfachheit hier, wie überall sonst im Bereich der Computertechnik, die Vielfalt der Betriebssysteme und der zugehörigen Software entgegen. Daher ein kurzer Exkurs in die Eigenheiten ausgewählter Programme, geordnet nach den Betriebssystemen. Dieses Vorgehen setzt allerdings eine funktionierende Anbindung an das Netz - online oder offline - voraus.
Für den Zugriff auf das Netz spielt in der Regel auch die Erwägung der Telefonkosten eine Rolle. Statt die Post online - bei stehender Verbindung - zu erledigen, bietet sich in vielen Fällen auch die Möglichkeit, die Post erst auf den eigenen Rechner zu transferieren, die Verbindung zu beenden und dann die eingegangenen Briefe zu bearbeiten (offline). Das dahinter stehende Funktionsprinzip nennt sich "store-and-forward": die Post wird auf einem versorgenden Rechner gesammelt und erst auf Anfrage abgeliefert. Je nach Betriebssystem ergeben sich verschiedene Möglichkeiten.
Unter Unix bietet sich die Benutzung von UUCP an. UUCP steht für Unix-to-Unix-copy und dient ganz allgemein dem unbeaufsichtigten Kopieren von Dateien von einem System zum anderen. Im Zusammenspiel mit der Möglichkeit, bestimmte Aufgaben zu bestimmten Zeiten automatisiert erledigen zu lassen, können die Verbindungskosten in Grenzen gehalten werden. Bei einer UUCP-Anbindung sammelt der versorgende Rechner (feed) die eingehende Post (unter Umständen auch die Nachrichten) und übermittelt diese beim Anruf als einzelne Dateien. Zusammen mit den Dateien erhält das empfangende System Aufträge, wie es diese im einzelnen zu behandeln hat (als Post oder als Nachrichten). Je nach Auftrag werden dann die übermittelten Dateien den Post- oder den Nachrichtenprogrammen zur Verfügung gestellt.
Eine speziellere Lösung für die Erledigung der Post bietet das sogenannte "Post Office Protocol" (POP). Es wird z. B. von den Programmen "Eudora" und "Pegasus" (DOS, MS-Windows, Macintosh), aber auch von der Emacs-Erweiterung "vm", oder den Programmen "popclient" und "mh" (Unix) unterstützt. Während der Verbindung zum versorgenden Rechner leeren diese Programme das dortige Postfach und transferieren die Briefe auf den eigenen Rechner. Danach können die Briefe lokal bearbeitet werden.
Etwas variabler arbeiten jene Programme, die das "Internet Message Access Protocol" (IMAP) unterstützen. "ECS" für MS-Windows oder "pine" (Unix, DOS, MS-Windows) erlauben es, sowohl online als auch offline die Post zu bearbeiten: statt alle Briefe aus dem Postfach auf den eigenen Rechner zu transferieren, ist hier eine Auswahl gestattet.
Das einfachste Programm unter Unix heißt schlicht und ergreifend "mail". Da es jedoch so unkompliziert arbeitet, daß es schon wieder kryptisch wirkt, sollen nur die Programme "elm" und "pine" vorgestellt werden. "mail" hat trotzdem noch seine Existenzberechtigung. In Kommandoprozeduren (in UNIX "shellskript" genannt, bei DOS hieße etwas Vergleichbares "Batch-Datei") kann mittels "mail" sehr einfach automatisch Post erzeugt und versendet werden.
Unter Unix wimmelt es nur so von Programmen, mit denen sich die elektronische Post erledigen läßt. Angefangen beim Universal-Programm emacs, das natürlich gleich mehrere Benutzungsmöglichkeiten bereitstellt, bis zu xmh. Die hier vorgestellten stammen noch aus der Zeit der Textterminals, es gibt aber auch solche, die speziell auf die graphische Oberfläche X-Windows abgestimmt sind. Ein Blick in das Archiv des nächsten FTP-Servers sollte die Qual der Wahl eröffnen. Eine Übersicht über gängige Post-Programme unter Unix enthält der Frage-Antwort-Katalog "UNIX Email Software Survey FAQ"-Teil 2, der regelmäßig in der Nachrichtengruppe news.answers erscheint.
Die Post-Programme unter Unix benutzen eine Sprachregelung, die
zu beachten ist: im Allgemeinen wird unterschieden zwischen der
Datei, in die ankommende Briefe einsortiert werden (die Inbox,
die Mailbox), also dem Briefkasten, und den Dateien, in denen
Briefe gespeichert werden. Das geschieht in sogenannten
"Foldern". Gemeint ist mit diesem Begriff eine Datei, an die bei
der Sicherung eines Briefes, dieser angehängt wird. Die ganze
Korrespondenz etwa mit Emily Postnews könnte in einer Datei
namens Emily.Postnews
abgespeichert werden. Die
einzelnen Post-Programme legen diese Dateien in einem
Mailbox-Format an, so daß mit dem Öffnen eines solchen Folders
die gleichen Navigationsmöglichkeiten gegeben sind, wie bei neu
eintreffender Post. Es ist zu beachten, daß die Folder je nach
Programm unterschiedliche Formate haben können: nicht jedes
Programm kann die Folder lesen, die von einem anderen
angelegt wurden.
Hier werden im Folgenden nur die Programme elm und pine vorgestellt, um eine grundlegende Idee von ihrem Funktionieren zu geben. Weitere Manipulationsmöglichkeiten werden ohne Rücksicht auf die Software im Kapitel Header-Zeilen ( Header-Zeilen) vorgestellt.
elm steht für electronic mail. Die einfachste
Art, das Programm zu benutzen, besteht darin, auf der
Kommandozeile schlicht "elm" einzugeben. Sollte elm das erste Mal
gestartet werden, fragt das Programm, ob es das Verzeichnis
Mail
anlegen soll. Es ist sinnvoll mit y
für
yes zu antworten. Daraufhin putzt das Programm den Bildschirm und
gibt oben den Ort des Postfachs und die Anzahl der Briefe darin
bekannt. Unten finden sich drei Zeilen, welche einige Kommandos
erläutern. Darunter wartet der Cursor hinter der Aufforderung
Command:
. Die Eingabe eines Fragezeichens führt zu
weiteren Erläuterungen. Mittels o
gelangen wir in das
Menü der Optionen. Hier sollten wir über e
die Angabe
E)ditor (primary)
der eigenen Vorliebe anpassen. Mit
enter
müssen wir Eingabe bestätigen und anschließend
sollten wir die Optionen mittels >
sichern. Geschieht
dies nicht, ist nicht vorhersagbar, welcher Editor gestartet wird
und das kann zur Qual werden. Zurück zum Index geht es mit
i
.
Jetzt geben wir auf die Aufforderung Command: m
ein.
elm antwortet mit der Frage nach der Adresse Send the message
to:
. Wir verwenden der Einfachheit halber die eigene. Als
nächstes erfolgt die Frage nach dem Thema Subject of
message:
. Die Eingabe test
genügt vollauf. Die
Frage, wer Kopien dieses Briefes erhalten soll (Copies
to:
) kann mit der Enter-Taste beantwortet werden. elm ruft
hierauf den Editor auf, und wir können den Text eingeben. Mit
Verlassen des Editors fragt elm e)dit message, edit h)eaders,
s)end it, or f)orget it
. Wir schicken den Brief mit
s
für "send" auf die Reise und elm springt zurück in den
Index. Das Programm kann mit q
für "quit" verlassen
werden.
Ein erneuter Aufruf von elm zeigt uns jetzt auf der Index-Seite
N 1 Jan 25 Mein Name (20) test
N
zeigt den Status des Briefes, hier New (Neu);
1
die interne Nummer des Briefes; Jan 25
das
Datum; den Absender; in Klammern die Anzahl der Zeilen, die der
Brief umfaßt; und schließlich das Thema. über die Enter-Taste
kann der Brief angezeigt werden. Die bereits angesprochenen
Kopfzeilen - der Briefumschlag - sind jetzt, je nach Einstellung,
mehr oder weniger zu sehen. Mittels i
geht es zurück
zum Index.
Der Brief kann jetzt über r
für "reply" (antworten)
beantwortet werden. elm startet erneut den Editor und zitiert den
zu beantwortenden Brief eingerückt, wobei am Zeilenanfang zur
Markierung ein >
eingesetzt wird. Die Adresse hat das
Programm automatisch aus dem eingegangenen Brief übernommen.
Innerhalb des Index können einzelne Briefe mit den Cursor-Tasten angesteuert werden, wenn das Terminal VT100 emuliert. Ansonsten kann die Nummer eines Briefes angegeben werden und der Balken bewegt sich zu dem entsprechenden Eintrag.
Mit s
für "save" (sichern) kann der Brief unterhalb des
Balkens in eine andere Datei kopiert werden. Dabei schlägt das
Programm einen Namen für die Datei vor, in welcher der Brief
gesichert werden kann; das =
-Zeichen vor dem Namen
entspricht dabei dem Verzeichnis "Mail". elm markiert den
gesicherten Brief mit einem D
, für "Delete", und wird
beim Verlassen vorschlagen, ihn aus der Mailbox zu
löschen.
Mit d
für "delete" (löschen) können Briefe zum löschen
markiert werden. elm fragt dann beim Verlassen, ob die markierten
Briefe in der Mailbox gelöscht werden sollen.
elm kann mit Umlauten arbeiten, wenn bestimmte Variablen gesetzt
werden. elm fragt beim Start die Umgebungsvariable EDITOR ab. Da
auch andere Programme diese Variable benutzen, ist es geraten,
hier den bevorzugten Editor zu definieren. Der aktuelle Wert kann
mit echo $EDITOR
abgefragt werden. Am
sinnvollsten sollte diese Variable in der Datei ".profile" auf
System V- oder ".login" auf Berkeley-Systemen gesetzt werden
(bzw. - bezogen auf die jeweils verwendete shell - sh, ksh, bash
sowie csh und tcsh). Unter System V lautet der Eintrag
"EDITOR=Name; export EDITOR
. Unter Berkeley-Unix
setenv EDITOR Name
. (Anmerkung: Dateien mit einem Punkt
vor dem Namen gelten als versteckt. Ihre Anzeige kann mit ls
-a
erfolgen.)
Die Anpassung der Informationen in den Kopfzeilen des Briefes muß in der Datei elmrc im Verzeichnis .elm vorgenommen werden. Folgende Variablen sind dort zu definieren:
charset = iso-8859-1
textencoding = 8bit
displaycharset = iso-8859-1
Die ersten beiden Variablen gelten für abgehende Briefe, während
die dritte sich auf das interne Darstellungsprogramm bezieht.
Wenn diese Variable gesetzt wird, kann die Chance einer korrekten
Darstellung auch von Zeichen, die nicht den 128 des
Ascii-Alphabets entsprechen, erhöht werden. In dieser Datei
können noch weitere Optionen gesetzt werden. Wichtig wäre hier
sicherlich noch die Option pager
. Wenn das interne
Programm, mit dem elm einen Brief darstellt, nicht 8bit-clean
ist, kann hier ein entsprechender "Pager", etwa "less",
eingetragen werden.
Zu elm gibt es eine kurze Handbuchseite, die über man
elm
erreichbar sein sollte. Weiterhin gibt es zu elm eine
ausführliche Dokumentation, die mit dem Source-Code kommt. Diese
sollte unter "/usr/doc/elm-
pine steht für "Program for Internet News and Email". Die
Funktionalität als newsreader soll hier unter den Tisch
fallen. Wird pine zum ersten Mal gestartet, legt es ein
Unterverzeichnis "mail" an. (pine wird alle eventuell angelegten
Folder in diesem Verzeichnis suchen.) Daraufhin erscheint auf
dem Bildschirm ein einführender Text, und am unteren Ende fragt
das Programm, ob es einen Brief mit dem Namen "Secrets of pine"
bestellen soll. Diese Frage kann ruhig mit y
für yes
beantwortet werden. (Die Antwort schadet zumindest nicht: ihr
Inhalt kann weiterhelfen, wenn die ersten Schritte mit dem
Programm getan sind.) Daraufhin sendet pine den ersten
elektronischen Brief nach Seattle. Im Anschluß erscheint das
Hauptmenü von pine:
PINE 3.91 MAIN MENU Folder: INBOX 2 Messages ? HELP - Get help using Pine C COMPOSE MESSAGE - Compose and send a message I FOLDER INDEX - View messages in current folder L FOLDER LIST - Select a folder to view A ADDRESS BOOK - Update address book S SETUP - Configure or update Pine Q QUIT - Exit the Pine program Copyright 1989-1994. PINE is a trademark of the University of Washington. [Folder "INBOX" opened with 2 messages] ? Help P PrevCmd R RelNotes O OTHER CMDS L [ListFldrs] N NextCmd K KBLock
Rechts oben wird der Status des Briefkastens angezeigt. Die
"Inbox" enthält in diesem Beispiel zwei Briefe. Darunter listet
das Programm die zur Verfügung stehenden Kommandos auf. Die
Großschreibung der einzelnen Buchstaben braucht nicht beachtet zu
werden. In den unteren zwei Zeilen zeigt pine stets, welche
Kommandos zur Verfügung stehen. Mit i
kann die
Inhaltsangabe des ausgewählten Folders angezeigt werden; mit
l
kann der Folder gewechselt werden; mit a
wird
das Adreßbuch aufgerufen; mit s
erscheint das Menü der
einstellbaren Optionen und mit q
kann das Programm
verlassen werden. Mit o
verändern sich die unteren zwei
Zeilen und pine bietet weitere Kommandos an.
Mit c
ruft pine den einfach zu bedienenden Editor pico
auf und zeigt folgendes auf dem Schirm:
PINE 3.91 COMPOSE MESSAGE Folder: INBOX 2 Messages To : Cc : Attchmnt: Subject : ----- Message Text ----- -- Hänsel Hungerleider haensel@hexenhaus.fitug.de ^G Get Help ^X Send ^R Rich Hdr ^Y PrvPg/Top ^K Cut Line ^O Postpone ^C Cancel ^D Del Char ^J Attach ^V NxtPg/End ^U UnDel Line ^T To AddrBk
Automatisch hat das Programm den Inhalt der Datei
".signature" bereits an das Ende des Textbereichs gehängt.
Der Cursor wird automatisch hinter To:
positioniert. Hier wird die Adresse eingegeben und nach
Betätigung der Enter-Taste springt das Programm in das nächste
Feld Cc:
. An dieser Stelle können weitere Adressen
eingegeben werden, die den Brief ebenfalls erhalten sollen. Soll
das Feld leerbleiben, braucht nur die Enter-Taste betätigt zu
werden. Unter Attchmnt:
kann eine Datei angegeben
werden, die mit diesem Brief verschickt werden soll. (Diese wird
automatisch mit einem base64 genannten Verfahren codiert, welches
den unbeschadeten Transport sicherstellen soll.) Unter
Subject:
sollte der Brief einen Betreff erhalten; es
erleichtert dem Empfänger die Einordnung. Nach abschließendem
Betätigen der Entertaste springt der Cursor in den Textbereich,
und es kann mit dem Schreiben des Briefes begonnen werden.
In den unteren zwei Zeilen zeigt diesmal der Editor, welche
Kommandos zur Verfügung stehen. Das Vorangestellte ˆ
weist daraufhin, daß mit dem eigentlichen Buchstaben die Taste
Ctrl
oder Strg
zu drücken ist. Mit dem Sprung
von den Kopfzeilen in den Textbereich stehen dann zum Teil andere
Kommandos zur Verfügung. Die Tastenkombination Ctrl
und
x
schickt den Brief ab. pine wird fragen ob es die Datei
sent-mail
anlegen soll. In diese Datei im Verzeichnis
mail wird pine alle abgehenden Briefe kopieren. Danach springt
pine wieder in das Hauptmenü.
Auch pine kann dazu gebracht werden, mit Umlauten zu arbeiten.
Im Hauptmenü des Programms steht das Kommando s
zur
Verfügung. Wird die Frage danach, welcher Bereich konfiguriert
werden soll, mit c
beantwortet, erscheint eine ganze
Latte von einstellbaren Optionen. Zu jeder einzelnen kann mit dem
Fragezeichen eine kurze Erläuterung abgerufen werden. Unter den
letzten Optionen findet sich character-set
. Hier kann
ISO-8859-1
eingetragen werden. Auf diese Weise kann die
Chance einer korrekten Darstellung auch von Zeichen, die nicht
den 128 des Ascii-Alphabets entsprechen, erhöht werden. Die
anderen angesprochenen Optionen - MIME Version
und
Content-Transfer-Encoding
- werden von pine automatisch
gesetzt: pine geht konform mit dem MIME-Standard. Über das
Menü wird die Datei ".pinerc" im eigenen Verzeichnis
geändert. Die Optionen werden sofort wirksam.
Sowohl zu pine als auch zu dem Editor pico gibt es eine
Handbuchseite die über man pine
bzw. man pico
erreichbar ist. Dem Programm liegt in der Regel auch eine
ausführlichere Dokumentation auf englisch bei. Wenn der
Systemadministrator freundlich war, sollte diese im Verzeichnis
"/usr/doc/pine-