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Re: [FYI] Jugendschutz: Filterprogramme bringen es nicht



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>SPIEGEL ONLINE - 30. Dezember 1999, 15:17
>URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,58015,00.html 
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>Jugendschutz Filterprogramme bringen es nicht  
>
>Von Christiane Schulzki-Haddouti 
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>Das Bundeswirtschaftsministerium hat eine Studie zu dem Thema
>"Jugendschutz und Filtertechnologien im Internet" vorgelegt.
>Während technische Tests die Unzulänglichkeit der Filterprogramme
>belegen, hält die Politik am Einsatz der Programme fest. 

Diese Inkonsistenz von Politik und Technik ist ja gerade der Gag an
der gesamten Konstellation des Content-Filtering: Den Politikern muss
aus technischer Sicht gesagt werden: Die verwendeten Filtertechniken
sind grundsaetzlich unzulaenglich. Ihr duerfte davon nicht wirklich
moralisch und juristisch "sichere" Verhaeltnisse im Internet
erwarten. Den Technikern muss aus politischer Sicht dagegen gesagt
werden: Dass die Filtertechniken unzulaenglich sind, macht nichts,
sie werden a) faktisch in allen Variationen eingesetzt und erfuellen
b) tatsaechlich sogar ihre Funktion, naemlich den ebenso geheimen wie
offensichtlichen gesellschaftlichen Moral-/Wertekanon, der den Druck
auf Eltern und Lehrer als Funktionstraeger ausuebt, zu bestaetigen.
Genau das besagt die Studie im Kern.

Und den Juristen muss gesagt werden: Findet nun langsam mal eine
ueberzeugende Form, die diese Konfliktsituation und "logische"
Inkonsistenz handlebar macht, weil es nicht darum gehen kann, den
naheliegenden Anspruch zu verfolgen, diese Inkonsistenz letztlich
(sprich: fundamentalistisch, sprich: logisch (wenn auch nicht
unbedingt axiomatisch) befriedigend) doch irgendwie (sei es
technisch, politisch, juristisch) aufzuloesen. Genau das geht ja eben
nicht. Technische Konsistenz (etwa reines Subnetting) oder rechtliche
Konsistenz (etwa gesetzlicher Zwang zum Content-Scaning durch
Provider) wuerden um den Preis des Funktionsverlustes des Netzes,
womoeglich unter Abbau von Buergerrechten, erkauft werden.

Die Formen allgemein akzeptabler Zensur zur Schadens-Praevention
entwickeln sich: Einfache Gesellschaftsformen nutzen zur Praevention
den Unterschied profan/ heilig, komplexer organisierte Gesellschaften
den Unterschied Gebot/ Verbot. Funktional-differenzierte moderne
Gesellschaftsformen operieren darueberhinausgehend ueber situativ
hochdifferenzierte Risikokalkuele, die zumeist rechtlich und
oekonomisch referenzieren. Familien und Schulen koennen ueber
leidlich konsistente Verbote operieren, die moderne Welt-Gesellschaft
kann sich einen derart primitiven Modus der Handhabung nicht erlauben.

Gruss, Martin