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Re: [FYI] Jugendschutz: Filterprogramme bringen es nicht



In schulung.lists.fitug-debate you write:
>Holger: Der Wertekanon, warum wir das hier ueberhaupt 
>diskutieren heisst StGB und Jugendschutzgesetz. 

Das war die Ausgangsposition der Secorvo-Studie: Aus dem
Grundgesetz ergibt sich mittelbar die Pflicht des Staates zum
Jugendschutz und daraus dann folgend die Verantwortung der
Erzieher, speziell Lehrer und anderer oeffentlicher Erzieher
(Eltern geniessen hier ein Privileg, dass sie vergleichsweise
freier handeln laesst).

Der Punkt ist jedoch, dass sich der Wertekanon des StGB und
Jugendschutz aus rein technischer Sicht in keinster Weise von
jedem beliebigen anderen Wertekanon (dem der katholischen
Kirche, dem der Taliban oder dem der Co$) unterscheidet. Es ist
lediglich die Filterliste, die ausgetauscht werden muss.

Daraus ergibt sich zwangslaeufig die Konsequenz, dass es zu
einer ganze Reihe von Folgeeffekten kommen wird, sollte eine
Filterinfrastruktur erst einmal (zu welchem Zweck auch immer)
existieren. Wenn es zum Beispiel moeglich ist, Inhalte nach
Jugendschutzgesetz zu filtern, dann wird sich die viel kleinere
Liste nach StGB auch implementieren lassen und in Folge wird
Filterbenutzung fuer _alle_, egal ob Jugendlicher oder nicht,
Pflicht, weil strafbare Inhalte nun einmal niemandem in
Deutschland zugaenglich gemacht werden duerfen. 

Wenn eine solche Filterinfrastruktur erst einmal an Ort und
Stelle ist, dann werden die Steinhoefels dieser Welt vor
deutschen Gerichten Schlange stehen und die Aufnahme von fuer
deutsches Recht nicht erreichbaren Steinhoefel-Hatepage-URLs in
deutsche Filterlisten verlangen. Hinter ihnen warten dann schon
die Co$, Sony und die DVD-Lobby mit langen Listen von Seiten,
auf denen urheberrechtlich geschuetztes Material ueber
Scientology, MP3s von bei Sony unter Vertrag stehenden
Kuenstlern und DeCSS-Seiten auzurufen sind (oder waren). Hinter
denen wiederum stehen lange Schlangen von Leuten mit
Schadenersatzklagen, deren Seiten unrechtmaessig in Filterlisten
stehen oder standen und die nicht nur die Entfernung dieser
Seiten aus den Listen wuenschen, sondern auch noch
Entschaedigung fuer Umsatzausfaelle verlangen.

Beachte bitte, dass es fuer diese Entwicklung nicht notwendig
ist, dass die Filterung tatsaechlich funktioniert. Es genuegt
lediglich, dass die herrschende Meinung glaubt, dass
Filterlisten das Mittel der Wahl seien. Der Rest ist dann ein
juristisch-gesellschaftlicher Automatismus, bei dem es nicht die
Frage ist, ob er passiert, sondern nur, wie schnell es geht und
wie schlimm es wird. 

Ich weiss, dass Juristerei selten proaktiv ist und meistens nur
reagiert. Aber gelegentlich tut ein kleiner Blick in die Zukunft
schon ganz gut...

Kristian