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Re: Grenzen der Selbstkontrolle




> Hat den irgendwer digital vorliegen oder einen Scanner + 
> Texterkennung zur Hand (nicht vergessen ein paar Zeilen wegzulassen, 
> damit die Urheberrechte gewahrt bleiben :-).

Stefan Jaeger

Seitenhiebe - Vertragsbedingungen der Webspace Provider


......

Bereits aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen besteht eine
uneingeschränkte Verantwortung des Homepage Anbieters für die von ihm
publizierten Inhalte. Dies ergibt sich auch aus § 5 Teledienstegesetz
(TDG). Hier bedarf es keiner zusätzlichen Verpflichtung in den AGB; der
bloße Hinweis auf die Eigenverantwortung ist allerdings auch nicht
schädlich. Darüber hinaus den Kunden aber auch zu verpflichten, einen
Nachweis der Rechtmäßigkeit zu erbringen, führt zu erheblichen
Bedenken: Wie soll das gehen? Selbst das Gutachten eines Anwalts oder
Rechtswissenschaftlers wäre kein wirklicher Nachweis. Das Verfahren des
Amtsgerichts München im CompuServe Prozess [3, 4] hat verdeutlicht, wie
stark die Ansichten über die Rechtmäßigkeit von Seiten variieren
können. Einen Gesetzesverstoß wird letztlich nur ein Gericht feststellen
können.

Hat das Gericht die Rechtswidrigkeit festgestellt, so können hieraus auch
die weiteren Ansprüche des Providers etwa auf Schadensersatz abgeleitet
werden. Den Kunden aber vorsorglich nachweispflichtig zu machen ist
unverhältnismäßig und daher unangemessen.

Viele Provider gestehen sich durch die AGB darüber hinaus das Recht zu,
eine Homepage bei 'Verdacht' oder 'begründetem Verdacht' oder bei der
'Möglichkeit' des Vorliegens einer rechtswidrigen Handlung zu sperren. Der
Kunde soll aber währenddessen weiter für die Homepage bezahlen. Lediglich
dann, wenn sich hinterher herausstellt, dass die Sperrung nicht notwendig
war, würden die Entgelte erstattet. Der Kunde trägt also auch hier das
volle Risiko, sowohl einer unklaren Rechtslage als auch eines Streites
über die Rechtswidrigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit eines Internet
lnhaltes.

Ausgesperrt

Warum wird es nicht dem Kunden überlassen, zu entscheiden, ob er den
Inhalt sicherheitshalber aus dem Netz nimmt oder dort belassen
will? Stellt sich hinterher heraus, dass dieser Inhalt die Rechte eines
anderen verletzt und diesem durch die fortgesetzte Veröffentlichung
weiterer Schaden entstanden ist, so muss der Kunde diesen Schaden eben
ersetzen. Es ist aber seine Entscheidung, ob er dieses Risiko eingehen
will oder nicht. Der Provider sollte es vermeiden, sich blindlings auf die
Seite des möglicherweise Geschädigten zu schlagen. Der Kunde hat
schließlich auch keinen Schadensersatzanspruch gegen den Provider, etwa
aus entgangenem Gewinn, wenn sich später herausstellt, dass die Inhalte
doch rechtmäßig waren. Für einen Händler, der seine Produkte
ausschließlich über das Internet verbreitet, kann eine solche Sperrung das
Ende des Unternehmens bedeuten. Umso erschreckender ist es, dass die
Sperrung bereits auf Verdacht möglich sein soll. Hier maßt sich der
Provider eine Entscheidungsgewalt über Recht und Gesetz an, die ihm nicht
zusteht.

Zwickmühle

Hintergrund dieser Anmaßungen dürfte wiederum das Teledienstegesetz sein,
das einen Diensteanbieter, der rechtswidrige fremde Inhalte zur Nutzung
bereithält, bei Kenntnis dieser Inhalte zur Verantwortung zieht. Der
Provider ist hier tatsächlich in einer Zwickmühle: Behauptet ein Dritter
die Rechtswidrigkeit von Inhalten, so ist der Provider für den Inhalt
mitverantwortlich, wenn sich die Rechtswidrigkeit tatsächlich herausstellt
(und ihm eine Sperre möglich und zumutbar gewesen wäre). In diesen Fällen
ist er also zum Handeln gezwungen. Sein Handeln ist dann aber auch
gerechtfertigt: Er braucht hierfür keine vertragliche Grundlage in den
AGB.

Wer bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit
das Risiko der voreiligen Sperrung der Daten tragen soll, ist bislang
ungeklärt. Dieses Risiko pauschal und uneingeschränkt in den
Geschäftsbedingungen auf den Kunden abzuwälzen begegnet aber zumindest
erheblichen Bedenken, wenn allein der 'Verdacht' oder die 'Möglichkeit'
ausreichen soll. Uber die Wirksamkeit einer solchen Klausel wird im
Zweifel ein Gericht entscheiden müssen.

Impressionisten

Viele Homepagebetreiber fragen sich, ob sie verpflichtet sind, auf der
Homepage ihre persönlichen Daten zu veröffentlichen. (Nicht nur) T Online
nimmt seinen Kunden diese Entscheidung ab und erstellt automatisch für
jeden Anbieter eine Impressum Seite mit Name und Anschrift. Eine
gesetzliche Verpflichtung, ein solches 'Impressum' zu führen, besteht
nicht. Lediglich Homepagebetreiber, die ein geschäftsmäßiges Angebot
unterhalten, sind nach § 6 TDG dazu verpflichtet, ihren 'Namen und
Anschrift und bei Personenvereinigungen auch den Namen und die Anschrift
des Vertretungsberechtigten' zu offenbaren. Private Anwender erfasst
dieser Paragraph nicht. Nur Angebote, bei denen die 'redaktionelle
Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund
steht', müssen laut Mediendienstestaatsvertrag immer eine
Anbieterkennzeichnung tragen.

Es verwundert daher, dass T Online bei den zusätzlichen
Geschäftsbedingungen für private Homepages in Nr. 4 der AGB pauschal
schreibt: 'Für private Homepages besteht eine Impressumspflicht.' Diese
Pflicht besteht jedenfalls nicht aus Gesetz. Sicherlich ist es T Online
unbenommen, in den AGB weiter gehende vertragliche Pflichten zu regeln. Es
stellt sich jedoch die Frage, warum jedem Telefonanschlussinhaber
eingeräumt wird, seine Telefonnummer derart geheim zu halten, dass sie
weder in den amtlichen Telefonbüchern erscheint noch über die Auskunft
erfragt werden kann, dass andererseits aber ein privater Homepagebetreiber
sogar seine Anschrift im Internet weltweit verfügbar machen muss. Ein
Kunde sollte das Recht haben, seinem Hund Fifi eine Homepage zu widmen,
ohne dass direkt jeder weiß, wo Herrchen wohnt. Immerhin kann auch mit
diesen Angaben viel Unfug geschehen.

Mustergültig

Vorbildlich regelt T Online hingegen die erlaubten Inhalte der
Homepage. In Nr. 5.1 der zusätzlichen AGB weist T Online darauf hin, dass
keine rassistischen, kriegsverherrlichenden oder gewalttätigen Seiten
angeboten werden dürfen und auch keine Seiten, auf denen der sexuelle
Missbrauch von Kindern oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren
dargestellt werden. Allein das Anbieten solcher Inhalte ist nämlich
strafbar.

Juristisch korrekt und angemessen ist auch der Umgang mit erlaubten
pornografischen Inhalten: Der Gesetzgeber verbietet lediglich das
Zugänglichmachen von Pornografie an Personen unter achtzehn Jahren. Es ist
daher nicht erlaubt, pornografische Inhalte im Internet anzubieten, außer
es ist gewährleistet, dass Kinder und Jugendliche keinen Zugriff erlangen
können. T Online differenziert hier zu Recht und verpflichtet den Kunden
in solchen Fällen sicherzustellen, dass technische Vorkehrungen die
Ubermittlung an Kinder und Jugendliche verhindern. Ob solche wirksame
Verfahren existieren, ist eine andere Frage.

Manch anderer Provider verpasst seinen Kunden vorsorglich einen
Maulkorb: Eins.Net (Dieken GmbH) verbietet jedwede Speicherung oder
Publikation 'erotischer, sexueller oder pornografischer Inhalte auf dem
Server' inklusive Links und Werbebannern. Blinx erlaubt seinen Kunden
nicht einmal, pornografische Inhalte abzurufen. 

Geradezu abenteuerlich sind die Regelungen beim Provider Pironet. Auch
hier wird der Kunde verpflichtet, sicherzustellen, dass bereitgestellte
Leistungen 'keine Verstöße gegen Schutzrechte Dritter sowie Gesetze
(insbesondere straf  und ordnungsrechtliche Bestimmungen)' enthalten. Vor
allem aber: Der Kunde soll nach Aufforderung unverzüglich Gerichtsund
Anwaltskostenvorschüsse bezahlen, die für seinen Provider anfallen.

.....

Fazit

Wer einen Provider wählt, sollte angesichts der geschilderten Beispiele
seinen Anbieter nicht nur nach Preis, Speicherplatz und Bandbreite
bewerten. Einige Dienstleister versuchen um jeden Preis Risiken und
mögliche Schäden von vornherein auf den Kunden abzuwälzen. Wirksam
eingebundene AGB (vgl. [1]) sind jedoch Vertragsbestandteil. In einzelnen
Fällen können Klauseln zwar unwirksam sein; eine solche Unwirksamkeit wird
aber letztlich nur ein Gericht feststellen können, sodass der Kunde, der
zweifelhafte Bedingungen unterschreibt, stets das Prozessrisiko
mitträgt. (nl)