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[FYI] Pflichtlektuere im Digitalen Zeitalter



http://www.nysd.uscourts.gov/courtweb/pdf/00-01149.PDF  

http://cryptome.org/dvd-mpaa-3-mo.htm

Unter beiden URLs findet man die Begruendung des Bezirksrichters 
Lewis A. Kaplan am US-Bezirksgericht New York Sued, der kuerzlich das 
noch junge U.S. Digital Millennium Copyright Act ("DCMA") in Sachen 
U.S.-Filmindustrie ./. Shawn C. Reimerdes et al. auslegte,  was im 
Ergebnis zu einer einstweiligen Verfuegung fuehrte, mit der den 
Beklagten das Webhosting der sog. DeCSS-Software untersagt wurde.

Es ist, wie gesagt, U.S.-Recht, fuer das es noch kein Counterpart in 
Europa gibt. Aber es ist gleichzeitig ein Blick in eine nahe Zukunft, 
in der die Verwertungswirtschaft die Bedingungen, unter denen 
geistige Inhalte konsumierbar sind, autonom festsetzt und dem 
Konsumenten gegenueber technisch durchsetzt, wobei der Gesetzgeber 
dafuer Sorge traegt, dass niemand an den dafuer vorgesehenen 
technischen Vorkehrungen herumfummelt:  

http://europa.eu.int/eur-lex/en/com/dat/1998/en_598PC0249.html  

Die altbewaehrten "Schranken des Urheberrechtes" gibt es dann de 
facto nicht mehr, denn das, was dann noch erlaubt ist, kann durch die 
Verwerter nach Belieben durch technische Mittel verunmoeglicht 
werden, und diese technischen Mittel selbst werden grossraeumig mit 
einem gesetzlichen Schutz sozusagen "sui generis" gegen manipulative 
Eingriffe Dritter geschuetzt.   

Dass Richter Kaplan in seiner Begruendung stets haarscharf an den 
tatsaechlichen technischen Gegebeneheiten vorbeiargumentiert, aendert 
daran nichts. CSS ist kein Kopierschutzprogramm, denn es hindert 
niemanden daran, eine bitgetreue Kopie einer DVD zu erstellen, die 
dann mit jedem lizensierten DVD-Player abspielbar waere. Es geht 
vielmehr um die technische Durchsetzung der Regionalcodes, die sich 
nicht auf das Urheberrecht stuetzen kann. Regionalcodes sind nur 
technisch durchsetzbar, indem dafuer gesorgt wird, dass nur DVD-
Player auf dem Markt sind, die den Regionalcode beachten und bei 
Nichtuebereinstimmung den Dienst versagen. Genau das ist der Zweck 
von CSS. Lizensiert und mit dem Descrambling-Key versorgt wird nur, 
wer verspricht, ausschliesslich solche Player auf den Markt zu 
bringen, die den Regionalcode beachten. Davon ist bei Richter Kaplan 
freilich nicht die Rede.

Was in naechster Zeit anstehen koennte, ist beispielsweise eine 
technisch armierte Beschraenkung, von eigenen Kaufstuecken digital 
gespeicherter Werke (nicht Software!) fuer den privaten Eigengebrauch 
Kopien ziehen zu koennen. Wegen der begrenzeten technischen 
Gebrauchsdauer einzelner Kaufstuecke digitaler Medien bedeutet dies 
de facto, dass es insoweit keine privaten Archive mehr geben wird, 
denn nach 5-10 Jahren ist das Speichermedium defekt oder es gibt 
keine passenden Abspielgeraete mehr. Der Endkonsument kann den Inhalt 
nicht mehr auf ein "neues" Speichermedium umkopieren; nur der 
Rechteinhaber hat das Archivmonopol, da er nach Belieben die Inhalte 
digital umkopieren und somit ueber einen langen Zeitraum archivieren 
kann. Was der Rechteinhaber nicht mehr verkaufen will (oder *darf*!, 
der Staat koennte sich hier auch noch einmischen), ist nach 
spaetestens ein bis zwei Jahrzehnten fuer den Normalverbraucher 
einfach nicht mehr verfuegbar.  

Leute, schmeisst eure Hardcopy-Buecher nocht nicht weg, vielleicht 
werden wir sie noch einmal brauchen.

--AHH