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Re: Bruce Schneier on DDOS und die Architektur des Internet
- To: horns@t-online.de
- Subject: Re: Bruce Schneier on DDOS und die Architektur des Internet
- From: JOHANNESULBRICHT@cs.com
- Date: Wed, 16 Feb 2000 13:52:13 EST
- CC: debate@fitug.de
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
>Wenn ich Lawrence Lessig lese, "Code is Law", und dann den (etwas
>dissonanten, aber umso lauteren) Chor der Copyright-Lobby hoere, die
>die Struktur des Internet veraendern moechte, um IP besser
>durchsetzen zu koennen (Stichwort: "RPS"), gehen bei mir diverse
>Alarmlampen an, wenn ich Bruce Schneier davon reden hoere, bezueglich
>anti-DDOS "any long-term solution will involve redesigning the
>entire Internet". Sicher kann man Schneier nicht mit Bartloff in
>einen Topf werfen, aber jede Argumentation in diese Richtung weckt
>Begehrlichkeiten aller nur denkbaren Stake- und Shareholder. Es gibt
>keinen rationalen "herrschaftsfreien Dialog" mehr, mit dem ein
>derartiges Vorhaben auf Konsensbasis abwickelbar waere. Jeder auch
>noch so gutgemeinte Versuch, Teile der Internet-Architektur zu
>erneuern, wird in wirtschaftlich und politisch motivierte
>Diadochenkaempfe ausarten, IMHO.
Es zeigt sich wohl immer mehr, dass Kommunikationstechnik meist nicht
inhaltsneutrale Technik ist, sondern inhaltlich-soziale Wertentscheidungen
notwendigerweise verkoerpert. Das ist natuerlich schwierig, weil man sich bei
der Gestaltung von Kommunikations- und E-Commercetechnik nicht an einfachen,
sauberen Kriterien wie objektiv-optimaler Effizienz usw. orientieren kann,
sondern tatsaechlich in subjektive
Interessenkonflikte verwickelt wird. Das ist eigentlich kein neues Phaenomen,
auch alte technische Entscheidungen bei der Gestaltung des Internets konnten
gar nicht anders, als bestimmte ethische Wertentscheidungen umzusetzen, und
seis nur "first come, first serve", was ja auch kein regulierungsfreier
Naturzustand ist, sondern eine technisch implementierte Regel.
Einerseits ist es dieser notwendige Wechselbezug zwischen der sozialen Seite
der Kommunikation und der technischen Seite, der die Faszination des Netzes
ausmacht. Das spannende an PGP sind die sozialen Auswirkungen, nicht die
reine Technik an sich. Andererseits ist das Gezerre der verschiedenen
Interessengruppen natuerlich oft etwas abstossend.
Letztlich zeigt sich durch diese Entwicklung m. E., dass die liberale
Vorstellung, es gebe einen Naturzustand des regulierungsfreien Marktes, in
diesem Bereich an ihre Grenzen stoesst. In anderen Bereichen mag sie durchaus
zutreffend sein. Auch das urspruengliche Internet war kein Naturzustand,
sondern ist auf der Grundlage bestimmter ethischer Wertentscheidungen bewusst
gestaltet worden. Es gibt immer ein Gesetz, und seis das Gesetz des
Staerkeren. Bei der Gestaltung einer Kommuniktionsinfrastruktur gibt es kein
rational-objektiv richtiges Optimum, man kommt um ethische Fragen nicht
herum. Jedenfalls im Internet gibt es einen Markt niemals von Natur aus,
sondern immer nur innerhalb eines bestimmten regulativen Rahmens. Die
Vorstellung, dass "Recht" und "Markt" Gegensaetze in der Art sind, dass ein
"Mehr an Recht" zwangslaeufig ein "Weniger an Markt" bedeutet, erscheint mir
ueberholt bzw. nicht zutreffend. Vielleicht sollte man nicht versuchen, Recht
als "Mehr" oder "Weniger" zu quantifizieren, sondern eher fragen, ob es in
der Lage ist, die Reibungen bei gesellschaftlichen Interaktionen zu
minimieren: Das BGB ist ziemlich dick, aber man nimmt es im Alltag kaum wahr,
weil es die alltaeglichen Geschaefte nicht stoert, sondern eher von
Konflikten befreit. Ich halte das fuer ein Beispiel fuer ein gelungenes
Gesetz.
Damit will ich nicht unbedingt einer noch weiteren Verrechtlichung der
Kommunikationsprozesse das Wort reden: Ich denke, dass es nicht
begruessenswert ist, wenn diese ethischen Fragen verwissenschaftlicht werden,
da diejenigen, die unmittelbar davon betroffen sind, so von ihnen entfremdet
werden. Ich persoenlich bin nicht dafuer, dass Fragen auf eine technischen,
wirtschaftswissenschaftliche oder juristische Ebene gezogen werden, wenn dies
nicht noetig ist, weil hierdurch der Kreis derjenigen, die mitdiskutieren
koennen, unnoetig verkleinert wird. Ich denke, dass man versuchen sollte,
gesellschaftliche Subsysteme wie Technik, Recht, Boerse, was weiss ich,
transparent zu machen und in den Dienst der Uebrigen zu stellen - Open Source!
Das ist besser, als wenn die Lobbys, die Urheberrechtsszene, der BDI, die
Gewerkschaften usw. schachern.