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[FYI] Haben die Regierungen das Vertrauen der Internet-User verloren?



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Haben die Regierungen das Vertrauen der Internet-User verloren?  

Armin Medosch   22.03.2000  

Konferenz über britisches Überwachungsgesetz macht tiefe Gräben 
sichtbar.  

Der britische Parlamentarier und Minister im Home Office 
(Innenministerium) Alan Clark verstand nicht, warum das Publikum 
lachte, als er davon sprach, dass es bei dem neuen Überwachungsgesetz 
darum gehen würde, den Strafverfolgern geeignete Mittel für die 
Verfolgung von Kinderpornoringen, organisiertem Verbrechen und 
Terroristen in die Hand zu geben. Das Publikum wusste aber sehr wohl, 
warum es lachte. Und es setzte sich allem Anschein nach nicht aus 
Anarchisten zusammen, sondern bestand aus Rechtsanwälten, IT-
Experten, Geschäftsleuten und Journalisten. "Scrambling for Safety" 
an der London School of Economics offenbarte die tiefen Gräben, 
welche Info-Elite aber auch normale Netznutzer von 
Innenministeriumsbeamten und -politikern trennen.  

[...]

Was die britischen Verhandlungen für Deutschland so relevant macht, 
ist, dass sich der Minister explizit auf  Gespräche der Innenminister 
im G8-Kreis bezog. Alan Clark lobte sich im Parlament öffentlich 
dafür, dass Großbritannien das erste Land ist, das im Begriff ist, 
eine derartige Gesetzgebung zu verabschieden. Doch er kann darauf 
vertrauen, dass  Janet Reno und Otto Schily ähnliche Pläne verfolgen. 
Die unter dem Codenamen ENFOPOL bekanntgewordenen Überwachungspläne 
sind in den Köpfen der Innenminister der westlichen Führungsnationen 
wach und lebendig.  

Doch zugleich machte "Scrambling for Safety" auch sichtbar, dass 
Widerstand nicht zwecklos ist. Die Regierung braucht, um die RIP-Bill 
durchzubringen, die Unterstützung der Wirtschaft aber auch des 
juristischen Sektors. New Labour kann es sich nicht leisten, dass 
britische E-Commerce-Unternehmen ihre Server auf den Bermudas und 
British-Aguilla stationieren, was unter heutigen technologischen 
Bedingungen keine unüberwindlichen Barrieren aufwirft. Und das Land 
kann sich auch keine Flut von Gerichtsverfahren leisten. So legte 
etwa der Anwalt Tim Eicke in seiner Analyse des die Kryptographie 
betreffenden Paragraphen dar, dass jeder Betroffene damit vor den 
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg gehen kann, 
weil das Recht auf die "Unschuldsvermutung" von diesen Abschnitten 
verletzt wird. Da potentiell jeder betroffen ist, auch ohne bereits 
in den "Genuss" einer "Entschlüsselungsanordnung" gekommen zu sein, 
hätten Cyberrights-Aktivisten hier ein leichtes Ziel, sollte das 
Gesetz tatsächlich in derzeitiger Form verabschiedet werden. 

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