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heise online: Europaweiter Lauschangriff gerade noch abgewehrt



Europaweiter Lauschangriff gerade noch abgewehrt

Ein europäisches Abkommen zur Rechtshilfe in Strafsachen, das Behörden
weitreichende Befugnisse für grenzüberschreitendes Abhören verleihen würde,
wurde bei der gestrigen Sitzung des Rats für Justiz und Inneres von
Luxembourg blockiert. Luxembourg möchte die Kontrolle darüber behalten,
welche Informationen an andere Staaten übermittelt werden sollen. Die
Vorbehalte des Kleinstaates beziehen sich insbesondere auf den Schutz des
Bankgeheimnisses. 

Hingegen konnten Kompromissformeln für die umstrittenen Artikel über das
grenzüberschreitende Abhören gefunden werden. Frühere Entwurfsfassungen des
Abkommens, an dem seit über drei Jahren gefeilt wird, sahen
unkontrolliertes grenzüberschreitendes Abhören vor.
Strafverfolgungsbehörden eines Landes sollten Personen auf dem Territorium
eines anderen Mitgliedsstaates abhören können, ohne um die offizielle
Zustimmung des Landes ansuchen zu müssen. Nun ist vorgesehen, dass ein
betroffener Mitgliedsstaat 96 Stunden Zeit haben soll, um die Zustimmung zu
erteilen oder zu verweigern. Wird diese Frist überschritten, so wird das
als stillschweigende Zustimmung gewertet. 

Ebenfalls strittig war die genaue Definition der Fälle, in denen
grenzüberschreitend abgehört werden kann. Insbesondere Großbritannien
fürchtete eine Einmischung in seine Geheimdienstangelegenheiten, wenn bei
jeder Abhöraktion in einem anderen Land dessen Erlaubnis eingeholt werden
müsste. Das Land ist durch seine Teilnahme am weltweiten Spionagesystem
Echelon bereits in der Lage, Telekommunikation in anderen Mitgliedsstaaten
abzuhören. Außerdem sind die Geheimdienste in Großbritannien auch bei
Ermittlungen in Kriminalfällen beteiligt. Großbritannien stimmte nun einer
Regelung zu, nach der andere Länder über Abhörmaßnahmen in Kenntnis gesetzt
werden, allerdings nur, wenn das Abhören direkt der Strafverfolgung dient
und nicht den Zwecken nachrichtendienstlicher Aufklärung. 

Mit diesen Regelungen haben die Justiz- und Innenminister die Meinung des
Europaparlaments ignoriert. Das Parlament sprach sich im Februar für die
Streichung der Abhörartikels aus, weil dieser laut einem Bericht des
Europaparlamentariers Di Pietro "in ein gesetzliches Minenfeld" führen
würde. Wenn Luxembourg seine Vorbehalte zurücknimmt, dann steht der
endgültigen Beschlussfassung über den Rechtsakt bei der nächsten Sitzung
des Rats für Justiz und Inneres im Mai nichts mehr entgegen. Wirksam würde
ein solches Übereinkommen erst werden, nachdem die nationalen Parlamente es
ratifiziert haben. (Jelle van Buuren)

Mehr in Telepolis: Europäisches Übereinkommen zur Rechtshilfe in
Strafsachen[1]

 (ame[2]/tp)

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 http://www.heise.de/newsticker/data/ame-28.03.00-000/

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