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[FYI] Niels Gründel jubelt: "MP3 war gestern "



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SPIEGEL ONLINE - 21. April 2000, 14:57
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/technologie/0,1518,73818,00.html 

Musik 

MP3 war gestern  

Von Niels Gründel  

Advanced Audio Coding (AAC) ist besser und schneller: Technisch 
betrachtet hat der neue Standard für Musikdateien das Wunderformat 
MP3 längst abgelöst. Noch in diesem Monat sollen die ersten AAC-
Player auf den japanischen Markt kommen.  

Die Entwicklung und Verabschiedung des MP3-Standards Anfang der 
neunziger Jahre verlief in aller Stille. Die Musikindustrie 
ignorierte die Forscher des Fraunhofer Instituts, die in Erlangen die 
Keime einer Revolution säten. Erst als MP3-Musikdateien im Internet 
den Siegeszug um die Welt antraten und Raubkopien ungehindert von 
Land zu Land flossen, begannen die Musikfirmen, sich für 
Kompressionsverfahren und Downloads zu interessieren: Seit 1998 
arbeiten sie aktiv an der Entwicklung effektiver Kopierschutzsysteme 
mit.  

Ein Ergebnis ist das neue Format AAC (Advanced Audio Coding), dass 
kaum etwas zu wünschen übrig lässt: Es klingt besser als MP3, die 
Kompressionsraten sind höher (d.h. kürzere Download-Zeiten) und - am 
allerwichtigsten für die Plattenbosse - es ist kopiergeschützt.  

Auch wenn inzwischen feststeht, dass sich die in der "Secure Digital 
Music Initiative" (SDMI) zusammengeschlossenen Firmen "definitiv 
nicht auf einen eigenen Standard einigen werden", wie der Executive-
Director Leonardo Chiariglione erklärt, wird AAC sich sehr 
wahrscheinlich als MP3-Nachfolger etablieren. Denn egal ob das 
Verfahren nun MP3 plus AAC, Liquid Audio oder Windows Media Audio 
heißen wird, an AAC kommt wegen der unübertroffenen 
Kompressionstechnik für extrem schnelle Downloads kein Anbieter 
vorbei.  

Bisher ist MP3 vor allem aus zwei Gründen so weit verbreitet: Es gibt 
massenhaft Hardware und Software - und der Großteil der Dateien ist 
umsonst. Um den Trend umzukehren, können die Musikfirmen nur mit 
höherer Qualität gegenhalten: Erheblich schnellere Downloads, 
bedeutend besserer Sound - und natürlich die Stars, die sie unter 
Vertrag haben.  

Eine erste Kampfansage ist die Einführung von tragbaren Playern, die 
AAC-Dateien abspielen können. Die ersten Geräte der neuen Generation 
wollen die führenden Hersteller gerüchteweise noch in diesem Monat in 
Japan auf den Markt werfen. Um den Kunden die Umstellung zu 
erleichtern, können die Geräte auch weiterhin MP3-Dateien und alle 
anderen Formate abspielen.  

Mit besonderen Anreizen sollen die Kunden dann langsam von ihren 
liebgewonnenen MP3-Dateien zu den neuen Formaten "umgeleitet" werden. 
Die Firma InterTrust propagiert die so genannte "Super Distribution": 
Der Käufer kann Musik als "Promotion-File" an Freunde und Bekannte 
weitergeben. Kauft nach der Weitergabe einer der Bekannten das Album, 
so erhält der Erstkäufer bei seinem nächsten Einkauf einen Rabatt 
eingeräumt und damit eine Provision für die Weitergabe seiner 
Musikdateien. Außerdem kann die Musikindustrie alle ihre 
Vertriebskanäle als Attraktion einsetzen: Der Fan kauft 
Konzertkarten, wird Mitglied beim Fan-Club und interessante 
Radiosendungen können ihm persönlich angekündigt werden.  

Nach Meinung seiner Erfinder gehört AAC die Zukunft. "Höhere 
Kompressionsraten sind im Moment noch nicht einmal theoretisch 
absehbar", sagt Karlheinz Brandenburg, der Leiter der Arbeitsgruppe 
Elektronische Medientechnologie beim Fraunhofer Institut. Selbst 
Dolby, dessen Labors sowohl an der AAC-Entwicklung als auch an der 
bekannteren Eigenentwicklung "Dolby Digital" beteiligt waren, hat vor 
kurzem öffentlich ein Marketing-Programm für AAC angekündigt.  

Doch zu viel versprechen will Brandenburg nicht. "Es bleibt die 
Möglichkeit, dass das bisherige MP3 und die neuen Verfahren parallel 
nebeneinander bestehen bleiben oder dass die Einführung eines 
Kopierschutzes nicht gelingt und MP3 sich als VHS-System der Musik 
weiterhin durchsetzt."  

AAC ist mit leichten Modifizierungen in den MPEG-4-Standard 
übernommen worden, faktisch der "globalen Multi-Mediasprache der 
Zukunft", so Brandenburg. MPEG-4 kann Musik und Sprache sehr flexibel 
codieren. Dieser Standard wird ständig weiterentwickelt und 
ermöglicht erstmals echte Interaktivität in den Bereichen Digital-
Fernsehen, Grafik, Multimedia und Zugangssteuerung. Aufgrund der 
unübersichtlichen Patentlage geht die industrielle Entwicklung von 
Anwendungen in diesem Bereich nur schleppend voran.  

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