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politik-digital: Interview mit Lutz



http://www.politik-digital.de/netzpolitik/cyberwar/fitug.shtml
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Auf der Strasse in Wackersdorf zu sitzen ist effektiver

Ist der Cyberwar für Deutschland eine reale Bedrohung? Woher kommen die
Gefahren? Wer ist für die Prävention zuständig? Fragen, die angesichts
der jüngsten Informationen aus einem unveröffentlichten
"Sensibilisierungsbericht" der Arbeitsgruppe Kritis an Brisanz gewonnen
haben. Angeblich drohen neue Gefahrenquellen aus dem Netz. In einem
Interview gibt uns Lutz Donnerhacke, einer der Gründer des Förderverein
Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG), eine realistische
Einschätzung des Szenarios.

politik-digital: Herr Donnerhacke, was genau ist FITUG?

Lutz Donnerhacke: FITUG steht für den Förderverein Informationstechnik
und Gesellschaft FITUG e. V. Unser Ziel ist es, Verbindungen zu schaffen
zwischen der virtuellen Welt der Neuen Medien und Datennetze und den
Nutzern, den Menschen.Wir bemühen uns um Aufklärung über neue
Entwicklungen und die effiziente Nutzung der neuen Medien. Unsere
Hauptthemen sind Datenschutz, Kryptographie und Verbraucherschutz.

politik-digital: Hat sich die Einschätzung des Cyberterrorismus
geändert? Welche neuen Gefahrenquellen sind gemeint? 

Lutz Donnerhacke: Es hat sich nichts Grundlegendes geändert. Das Thema
ist schon seit mehreren Jahren aktuell und taucht immer in regelmäßigen
Abständen in der Presse und damit im aktuellen Bewußtsein auf. Die
Gefahren sind nach wie vor gleich gross oder gleich gering. Im übrigen
ist es schwer zu sagen, was genau Cyberwar oder Cyberterrorismus ist.
Das Spektrum reicht von Wirtschaftsspionage über politische
Angriffsmöglichkeiten bis zu relativ kleinen Stolperfallen für
e-commerce Unternehmen. 

politik-digital: Welche Gefahrenquellen sind genau gemeint?

Lutz Donnerhacke: Die Hauptgefahr liegt im wirtschaftlichen Bereich.
Dort herrscht grösstenteils Blauäugigkeit vor. Sicherheit wird nicht
geplant, die Vernetzung ist weit fortgeschritten und die Systeme sind
extrem angreifbar. In Deutschland passieren wöchentlich Angriffe auf
Computersysteme im Stil der denial-of-service Attacken.
Weitverbreitete Programme wie Lotus, das auch in Bundesbehörden genutzt
wird, haben Sollbruchstellen. Wer diese kennt, hat Zugriffs- und
Manipulationsmöglichkeiten. Es ist ein leichtes hier in Abläufe Einsicht
zu erhalten. 

politik-digital: Warum kümmern sich die Unternehmen nicht intensiver um
Schutz?

Lutz Donnerhacke: Sie müßten dringend. Allerdings haben viele Angst vor
einem Imageschaden, wenn sie zugeben, dass sie tatsächlich Probleme mit
solchen Übergriffen und Behinderungen haben. Es gibt wirklich eklatante
Beispiele aus diesem Bereich. Siemens hat beispielsweise das Wettrennen
mit Frankreich um den Auftrag für einen Hochgeschwindigkeitszug in
Nord-Korea verloren, weil sie ihre Angebote per Fax durch französische
Leitungen geschickt haben... 

politik-digital: Wie sehen die Gefahren im politischen Bereich aus? Ist
die Bundesrepublik akut gefährdet Ziel von Angriffen zu werden? 

Lutz Donnerhacke: Für das deutsche Regierungssystem sind die Gefahren
relativ gering. Es gibt in Deutschland keine guten Ziele. Kritische
Bereich wie z.B. die AKWs hängen nicht am Netz. 

politik-digital: Gäbe es denn potentielle Angreifer?

Lutz Donnerhacke: Die gibt es wahrscheinlich schon, im In- und Ausland.
Aber wie gesagt, die Ziele in Deutschland sind nicht attraktiv. Unsere
hiesigen Organisationsstrukturen sind so aufgebaut, dass man nicht mit
ein oder zwei Eingriffen komplette staatliche Systeme lahmlegen lassen
kann. Höchstens kurzfristige Beeinträchtigungen sind möglich. Man könnte
den Frankfurter Flughafen in Teilen behindern, aber nach spätestens
einer Stunde hätten die den Schaden behoben. Auf der Strasse in
Wackersdorf zu sitzen ist effektiver. Ausserdem ist Deutschland immer
noch ein Land des Papiers. Die meisten Ministerien hängen gar nicht so
stark vom Infosystem ab. Und dann gucken Sie mal bei der Polizei vorbei.
Die schreiben noch auf mechanischen Schreibmaschinen. 

politik-digital: Welche Länder sind denn beispielsweise gefährdet?

Lutz Donnerhacke: Länder mit geringer und eng zusammenhängender
IT-Struktur, die zudem noch konkrete äußere oder innere Feinde haben,
Pakistan wäre so ein Beispiel. 

politik-digital: : Die Amerikaner sprechen vom digitalen Pearl-Harbour
und investieren immense Summen in die Entwicklung von Abwehrsystemen für
den IT-Bereich. Warum halten sich die deutschen Stellen mit Auskünften
so zurück? 

Lutz Donnerhacke: In Amerika wird das Thema von offizieller Seite auch
nicht breitgetreten. Und in Deutschland wird im Bereich des Schutzes vor
Cyberangriffen auch geforscht. Der Grund, warum sich alle offiziellen
Stellen bedeckt halten ist: alle sind beteiligt und keiner kann das laut
zugeben. Die Informationsbeschaffung durch Einsicht in fremde Systeme
ist mittlerweile eine ganz normale Geheimdiensttechnik. Jeder tut es und
alle wollen sich selber schützen. Wer im Glashaus sitzt.... 

politik-digital: Haben Sie den Eindruck, dass genug Zusammenarbeit zu
dem Thema zwischen Stellen wie dem Innenministerium, dem BSI oder dem
BKA stattfindet? 

Lutz Donnerhacke: Das ist eine Frage des Sinns der Zusammenarbeit. Es
bleibt unklar, wer eigentlich wen vor was schützen will und warum. Da
streiten sich die Geister und widersprechen sich die Interessen. Das BSI
gibt ganz gute Hinweismappen heraus. Die werden üblicherweise ignoriert. 

politik-digital: Deutschland steht ja erst am Anfang des
Internet-Zeitalters. Besteht nicht die Möglichkeit, dass mit
fortschreitender Abhängigkeit von Netzsystemen die Gefahr von wirklich
gefährlichen Angriffen zunimmt? Wie kann man sich dann schützen? 

Lutz Donnerhacke: Je mehr man sich von bestimmten Abläufen abhängig
macht, desto leichter ist man genau da angreifbar. Das Hauptproblem
besteht darin, dass die technophobe Gesellschaft gar nicht wissen will,
was alles möglich ist. Man möchte nur einige Dinge bequem nutzen und
lehnt jeden weitergehenden Gedanken ab. Da Sicherheit unbequem ist, wird
sie nicht angefasst, sondern verteufelt und wegdiskutiert. Es fehlen
Menschen, die bewußt mit den verwendeten Techniken umgehen können.

politik-digital: Vielen Dank für das Gespräch. 

Das Interview mit Lutz Donnerhacke führte Carolin Welzel. 
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