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Re: [FYI] Privatisierung ARD und ZDF



On Wed, May 10, 2000 at 11:34:14AM +0200,
	Thorsten Meyer wrote:
> Vielleicht sollten wir _trennen_ zwischen dem
> Informationsauftrag (im Rahmen des üblichen
> ausbalancierten "demokratischen" Proporz im
> Parteiengefüge des Ö-TV) im am meisten verbreiteten
> audiovisuellen Massenmedium und der Schaffung
> von Medienkompetenz.
> 
> _Bevor_ wir die öffentlich-rechtlichen Aufträge
> beschneiden müssen wir Medienkompetenz schaffen.

Gut gebruellt, Loewe. Die schaffen wir aber nicht mit
dem seit ueber 40 Jahren bestehenden OeR-System - wenn
es dies geleistet haette, haetten wir Medienkompetenz
laengst. Ist aber nicht der Fall. Damit ist die Frage
durchaus berechtigt, was denn eigentlich wirklich mit den
GEZ-Gebuehren gesponsert wird.

> Wenn wir erst tabula rasa machen, öffnen wir öko-
> nomischen und politischen Totalitarismus die Tür:
> Berlusconis Traum! Insofern gibt es z.Z. noch kein

Ueberspitzt ausgedrueckt: wenn es nur noch RTL2 als
TV-Informationsquelle gibt, verwandelt sich Deutschland
in 80Millionen stupide rumvoegelnde, geifernde Halbaffen
mit Neandertaler^UBallermann6-Manieren.

Das ist freilich unwahrscheinlich, macht sich als
Bild der Bildungsprotagonisten aber immer recht gut.

Der Untergang der Kultur wird wird inzwischen schon
seit 2000 Jahren gepredigt, wenn bestimmte Bedingungen
nicht mehr gegeben sind (damals war es noch kein TV,
zugegeben).

> Massenmedium, welches den öffentlich-rechtlichen 
> Auftrag übernehmen kann. Damit sind die Gebühren
> gerechtfertigt, Spielshows hin oder her. Ein Programm 

Wenn Medienkompetenz vorhanden ist, dann ist es egal,
ueber welches Medium welche Kulturinformation vermittelt
wird. Die medienkompetente Person wird dann, je nach
eigener Auffassung virtuos Bibliotheken, Internet, Radio
und auch TV nutzen (und beim zitierten Tanzbaer aus der
RTL-Newsshow auf den Ausschaltknopf druecken koennen.

Aber wir haben sie (die Medienkompetenz) dummerweise
gerade nicht in den nichtintellektuellen Schichten,
und wir erreichen diese nicht durch ein OeR-Spartenprogramm,
welches nicht sonderlich dem Wunsch der gesellschaftlich
zur Kompetenz zu erziehenden Bevoelkerungsgruppe nach
eher weltlich-konkreten Genuessen entspricht.

Nochmal ueberspitzt: was gefehlt hat, war eine Dagmar
Berghoff oben ohne ;-)

> ist ein Gefüge, die Tagessschau wird gerne vor dem
> Tatort geschaut und das heute-journal gerne nach
> dem Spielfilm. Die Positionierung der Nachrichten

Frage jemanden nach der Tagesschau einmal nach den Inhalten;
war ein beliebtes Spiel in Quizsendungen von Kuli und Co.
vor ein paar Jahren. Die Kandidaten haben dabei noch
bewusst zugeschaut, damit etwas fuer die Endrunde haengen-
bleibt. Das Resultat dessen, was haengenbleibt, ist nahe
Null, aufgrund der Praesentationsform. Es wird lediglich
gerne geglaubt, dass man aufgrund der serioesen Tagesschau
danach dann informiert ist, was in der Welt vor sich geht.
Das ist aber Selbstbetrug.

Was haengenbleibt, ist die News "Mann beisst Hund". Jedem
Journalisten wohlbekannt.

> kompatibel zum Unterhaltungsumfeld ist im Ö-TV ge-
> wollt und erfüllt seinen Zweck. Die Privaten versuchen
> das gerne zu zerfasern.

Was durch die Begriffe "News-Show" und "Edutainment"
recht klar umrissen ist.

> Das alles sprcht in keinster Weise dagegen, dass das
> Internet den staatlichen Informationsauftrag irgend-
> wann übernehmen kann. Aber ohne Breitband ist das
> illusorisch. ARD/ZDF-Digital sind aber schon Richtung
> Internet gegangen und wurden gerichtlch von den
> Privaten ausgebremst(!)

Das laeuft aber darauf hinaus, dass die OeRs ihrem Auftrag 
laengst nicht mehr nachkommen, sondern die zwangsweise
erhobenen Mittel nur mehr zur Aufruestung gegen
marktwirtschaftlich agierende Privatsender einsetzen koennen.

Ich mag vielleicht ARD und ZDF noch bezahlen, damit ich
abends die Tagesschau und die Kinder Kaeptn Blaubaer und
Sesamstrasse gucken koennen (statt Powerrangers und Pokemon),
aber nicht, dass sie es fuer einen Privatkrieg gegen die
zukuenftige Entwicklung der Medien fuehren, den sie nur
verlieren koennen.

> Bevor man etwas vom Sockel stösst, sollte man sicher
> sein, das der Ersatz vorhanden ist und in allen
> Bevölkerungsgruppen denselben Zweck erfüllt. Und zwar
> in _dem_ Moment, wo die Bilderstürmerei stattfindet
> und nicht erst eine unbestimmte Zeit später!

Bilderstuermerei rechne ich eher dem konservativ-verbeamteten
Apparat der OeRs zu, wenn sie, weiterhin ihre Pfruende kassierend,
und ihren eigentlichen Auftrag vernachlaessigend, langsam die
Privaten noch rechts ueberholen wollen in der Trivialitaet.

> Das Ö-TV ist ein Sumpf von Seilschaften,
> Förderungsabzockern und lahmen Alt-Fernseh-Fuzzis,
> die ihre Pfründe nicht hergeben wollen: Siehe Uni-
> versitätsprofessoren, Politiker, staatl. Manager (DB!),
> Beamte in Führungspositionen usw usw usw.
> 
> Was nicht heisst, das sie ihren Job zum Teil im Vergleich
> zum Brutalo-Kommerz des freien Marktes einigermassen
> ordentlich machen.
> Imer wenn die Privaten weiter _tiefer_ rutschten,
> waren wir froh über die 20% gute Leistungen der Ö-TVler!

Immer wenn man glaubt, das Ende sei erreicht, schaffen es die
Privaten, noch einen Tick tiefer im Niveau zu sinken, soweit
richtig. Warum versuchen die OeRs dagegen anzustinken?
Bei Spartenkanaelen wie Phoenix und Arte sind sie doch auch
nicht so pingelig, Sender mit 100% Reichweite und <1%
Zuschauern zu finanzieren. Wenn die Tagesschau (und stell-
vertretend Politmagazine und Kultursendungen) nur noch
von 1% der Bevoelkerung gesehen wird, who cares? Was ist
das BTW fuer ein Sozialimperialismus, nachdem die Intelligenzia
den Trivial-Tralala-Konsumenten ihren Bildungskanon, bzw.
das Verstaendnis dessen, was richtige und was Trivialinformation
sei, auferlegen will? Die Frage ist natuerlich provokativ.

> Wie gesagt: Kein Grund, ihnen zur richtigen Zeit ihre Pfründe 
> wegzunehmen, und sie ins Netz zu stecken.

Das war nicht die Frage, IMHO. Die Frage ist eher, inwieweit
eine GEZ-Zwangsabgabe fuer ein System, an welchem nur mehr ein
Bruchteil der Bevoelkerung wirklich noch - aus verschiedensten
Gruenden - partizipiert, noch zeitgemaess ist. Notabene:
bei Solidarabgaben fuer Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Renten
oder Steuern (soweit sie gesellschaftlich halbwegs vernuenftig 
eingesetzt werden - inklusive Ausgaben fuer Bildung, Wissenschaft
oder Kultur) bin ich durchaus. Aber ich sehe inzwischen zwar einen
vielgeruehmten Bildungsauftrag, aber keine qualifizierten Auftrag-
nehmer mehr.

Holger

-- 
"Well, from what I've read, scientific studies show men tend to be better at
dealing with visual concepts, while women are better at complex linguistic
communication." - "You mean..." - "Men are from MACs, women are from VMS"
	Erwin the AI, www.userfriendly.org