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[Spiegel] Regierung fordert "globales Strafrecht" gegen Hacker



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SPIEGEL ONLINE - 10. Mai 2000, 15:31
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Nach dem Viren-GAU
 
Regierung fordert "globales Strafrecht" gegen Hacker

Unter dem Eindruck der jüngsten Attacken von Computerviren im Internet
drängen Politiker auf internationale Strafrechtsregelungen gegen die
Täter. Das liegt im Trend: Weltweit gehen die Behörden zunehmend härter
gegen Cyber-Kriminelle vor. 

In der Zeitung "Die Woche" forderte der Parlamentarische Staatssekretär
im Bundeswirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf (SPD), die
Staatengemeinschaft auf, eine "gemeinsame Plattform" für eine
strafrechtliche Verfolgung zu schaffen. Die bayerische Landesregierung
will in einem Bundesratsvorstoß ebenfalls eine Überarbeitung des
Computerstrafrechts erreichen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD)
sprach sich am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin gegen einen nationalen
Alleingang aus. 

Schily legte zur Verhinderung künftiger Hacker-Angriffe vor allem Wert
auf die technische Vorsorge. Er sagte: "Jenseits aller Überlegungen, ob
man an den Gesetzen etwas ändern muss, kommt es drauf an, dass wir die
Software so ausgestalten, dass weitgehend ausgeschlossen wird, dass
solche Viren größere Schäden herbeiführen. Ganz ausschließen wird man
das nicht können, solange unsere Systeme keine unbekannten Viren
erkennen und unschädlich machen können." 

Der bayerische Justizminister Manfred Weiß (CSU) sagte, die
Bundesregierung müsse auch auf internationaler Ebene mit Nachdruck
darauf hinwirken, dass hinreichender strafrechtlicher Schutz
gewährleistet wird. Staatssekretär Mosdorf wies darauf hin, dass es auf
den Philippinen, woher der "Loveletter-Virus" vermutlich kam, und in
vielen anderen Ländern bislang keine Möglichkeit gebe, gegen
Computer-Kriminalität vorzugehen. 

Das ist nur eine Seite der Medaille. In den meisten industrialisierten
Staaten ist der Trend festzustellen, zunehmend härter gegen
Cyber-Kriminelle vorzugehen. 

Als 1990 Robert Tappan Morris als erster Hacker, der ein so genanntes
"Wurm"-Virus in Umlauf brachte, verurteilt wurde, kam er noch mit 400
Sozialstunden und einer 10.000-Dollar-Strafe davon. Damals wurde dies in
der Szene als "drakonische Strafe" empfunden. Morris hatte 1988 mit
seinem Virus einen Millionenschaden an amerikanischen Universitäten und
Regierungsnetzwerken verursacht. Das Virus - als bis dahin schlimmstes
seiner Art "gewürdigt" - landete in der Sammlung des Boston Computer
Museum. 


Kevin Mitnick, bis Mitte der Neunziger der meistgesuchte Hacker der
Welt, landete für 46 Monate hinter Gittern. Den Tätern hinter den
"Distributed Denial of Service"-Attacken des Frühjahres droht - wenn man
sie erwischt - in den USA eine bis zu fünfzehnjährige Haftstrafe.
Deutschland wirkt im direkten Vergleich dagegen liberal: Strafen, die
über ein Jahr Haft hinausgehen, würden hierzulande als Sensation
gehandelt.

Das Jahr 2000 droht zum "Jahr des Cybercrime" zu werden: Schäden durch
Hackerangriffe und Viren summieren sich bereits in der ersten
Jahreshälfte auf zweistellige Dollar-Milliardenbeträge. Ende 1999
schätzten US-Behörden, das durch Cyber-Kriminalität jährlich ein Schaden
von rund 11,2 Milliarden Dollar entständen - eine Zahl, die in diesem
Jahr bereits Anfang Mai überschritten wurde. Allein "I love you" hat
angeblich einen Schaden von über 10 Milliarden Dollar verursacht.
Kritiker bemängeln solche Zahlen als völlig überzogen. 

Die Gesetzgeber reagieren trotzdem dementsprechend: Ende April brachte
die Clinton-Regierung eine Gesetzesvorlage in den Kongress, die das
durchschnittliche Strafmaß für Cybercrime-Vergehen aller Art mehr als
verdoppeln würde. 

Die Gesetzesvorlage definiert zudem das Feld der Cyber-Kriminalität
genauer, um den Ermittlungsbehörden die Strafverfolgung zum Teil erst zu
ermöglichen: Selbst in den USA (weltweit das "härteste" Land für
Hacker) werden die bei weitem meisten Cyber-Vergehen nie geahndet. 

So kam es 1998 in den USA bei 417 Anzeigen zu "nur" 83
Verfahrenseröffnungen. Zehn Personen wurden nicht schuldig gesprochen,
47 wurden bestraft - das sind knapp über elf Prozent der Angezeigten.
Von 1992 bis 1998 verweigerten die amerikanischen Staatsanwälte in 64
bis 78 Prozent aller Fälle die Aufnahme eines Verfahrens gegen
angezeigte Hacker. Das soll sich, wenn es nach der Clinton-Regierung
geht, gründlich ändern. Opposition haben sie kaum zu erwarten, das
Gesetzpaket soll spätestens bis zum 1. November vom Kongress genehmigt
werden - harte Zeiten für Hacker. 

Zunehmend verlieren Hacker zudem ihre Unterstützung in der
Öffentlichkeit. Bis vor wenigen Jahren galten die meisten Hacker als
durchaus ethisch motivierte Computer-Experten, die mit ihren Aktionen
auf Sicherheitslücken aufmerksam machten: Hacker waren die "Robin Hoods"
des Internet-Zeitalters. Inzwischen ist die öffentliche Meinung
gründlich umgeschlagen. Eine MSNBC-Umfrage (USA) vom 1. Mai 2000 wies
aus, dass 51 Prozent der Antwortenden meinten, dass die neuen
Gesetzesvorlagen angemessen seien, weil Computer-Kriminelle mit ihren
Strafen bisher "zu leicht davonkamen". 25 Prozent meinten, die
angestrebten Strafen seien "noch immer zu lax" und nur 24 Prozent
antworteten, die anvisierten Strafmaßnahmen seien überzogen. 

Frank Patalong

© SPIEGEL ONLINE 19/2000 
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