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Re: News from China



>You wrote 
>> > und Shapiro-Whorf feiert fröhliche Urständ'.
>> 
>> Kannst Du das mal ausfuehren ?
>
>Die Hypothese behauptet, das die Art der Sprache das menschl.
>Verhalten beeinflusst, wurde wohl mittlerweile widerlegt,
>habe aber manchmal meine Zweifel.

Derart schwammig formuliert haette diese These, die ich nur als
Sapir-Whorf-These kenne, sicher keine Furore gemacht. Sie besagt,
genauer formuliert, dass Sprache (als eigensinnig soziales Phaenomen)
das Denken (als eigensinnig psychisches Phaenomen) bestimmt. Als
Denken (nicht: Bewusstsein (es fungiert als Medium)) wird (seit
Aristoteles) das Sprechen mit sich selber bezeichnet. (Spannende
Folgerung: Denken ist somit als ein Sozialverhaeltnis eines Ichs
mit mindestens einem weiteren Ich zu verstehen.)

Vielleicht mal ein Whorf-Zitat?
"Wir gliedern Natur an Linien auf, die uns durch unsere
Muttersprache vorgegeben sind. (...) (die Welt) präsentiert sich in
einem kaleidoskopartigen Strom von Eindrücken, der durch unseren
Geist organisiert werden mussž - das aber heissžt weitgehend: von dem
linguistischen System in unserem Geist. (...) Wie wir die Natur
aufgliedern, sie in Begriffe organisieren und ihnen Bedeutungen
zuschreiben, (dies ist ein Abkommen), das für unsere ganze
Sprachgemeinschaft gilt und in den Strukturen unserer Sprache
kodifiziert ist. Dieses Übereinkommen ist natürlich nur ein
implizites und unausgesprochens, aber sein Inhalt ist absolut
obligatorisch." (Whorf, Benjamin Lee, 1956: Sprache, Denken,
Wirklichkeit, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt: 12)

"Widerlegt" ist so eine albern autoritaere Geste, die selbst den
Widerspruch in Anspruch nimmt, weiteren Widerspruch aber im Modus des
abschliessenden Zauberspruchs ersticken soll. Es stimmt, diese These
wurde vielfach kritisiert. Summarisch formuliert bspw. Gardner
(Gardner, Howard, 1989: Dem Denken auf der Spur: der Weg der
Kognitionswissenschaft, Stuttgart (Klett-Cotta)): "Inzwischen gehen
die meisten Forscher davon aus, dassž Menschen auf der ganzen Welt
relativ ähnlich wahrnehmen und klassifizieren und dassž die Art, wie
sie klassifizieren, die Operation tiefgreifender mentaler Prinzipien
widerspiegelt, die nicht so leicht zu erschüttern sind." (271)

Die Behauptung von "nicht so leicht zu erschuetternden, tiefgreifend
mentalen Prinzipien" wirkt auf mich, wie alles Prinzipien-Geraune
(camoufliertes Gottesprinzip), ungleich magischer und windiger als
Sapir-Whorfs These. 

Gruss, Martin
-- 
Martin Rost - http://www.netzservice.de/Home/maro/ - Germany, Kiel