[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
Thomas Ruff onlane.....
- To: debate@fitug.de
- Subject: Thomas Ruff onlane.....
- From: Heiko Recktenwald <uzs106@ibm.rhrz.uni-bonn.de>
- Date: Mon, 12 Jun 2000 15:36:16 +0200 (CEST)
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
Hilla und, die da eine Mode eingeleitet haben, Christo und, diese
supernervige Ziege, anyway, das hier fand ich doch ganz interessant, weil
es zeigt, wie distanziert mit "boesen" Dateien, die uns immer wieder
beschaeftigen, umgegangen werden kann, aus der Berliner Zeitung:
[dump.fcgi&ref=(none)&ad=2465&ad=2350]
Jetzt clicken! Fussball EM 2000
Aktuelles Wirtschaft Markt Service Kultur Wissen Reisen Spass Sport
Hilfe
Surfen und Klicken
Thomas Ruffs Fotoserie "Nudes" in der Galerie Contemporary Fine Arts
Eigentlich ha:tte Thomas Ruff immer so weitermachen ko:nnen. Auf den
Weltausstellungen der 90er-Jahre war er der junge deutsche
Fotoku:nstler schlechthin. Seine Hypernah-Portra:taufnahmen, die jede
Pore, jeden Pickel sichtbar machten als Teil einer Gesichtslandschaft,
galten in der internationalen Kunstszene als aussergewo:hnlich. Doch
vor zwei Jahren musste das Publikum des einstigen Schu:lers von Hilla
und Bernd Becher an der Kunstakademie Du:sseldorf konsterniert zur
Kenntnis nehmen, dass der inzwischen Vierzigja:hrige die Erfolgskette
seiner Portra:ts abbrach und sich drastischen, plakativen
Gross-Montagen zuwandte. Sein Thema waren nun Politik und
Gesellschaft. Auf einmal ging es in Ruffs Bildern um
Kriegsschaupla:tze und Wahlschlachten, um Propaganda und Werbung. Man
fu:hlte sich erinnert an die Montagen der Dadaisten um John
Heartfield.
Ruffs damals erster Berliner Einzelausstellung bei Contemporary Fine
Arts folgt nun die zweite. Inzwischen aber dient ihm Realita:t nur
noch als Erzeugnis - und als Effekt. Letzteren treibt er weiter als in
allen bisherigen Arbeiten: Er hat acht tafelbildgrosse Fotos
aufgeha:ngt, die er "Nudes" nennt und die harte Sexszenen zeigen: von
Gruppensex bis SM, jedoch anzuschauen wie hinter Milchglasscheiben.
Ruff hat das Internet als neuen Stichwortgeber und Bildspender fu:r
seine Kunst entdeckt: "Du klickst dich rein und denkst: Mensch, was
ist das bloss fu:r eine Welt? Da pra:sentieren Ma:nner ihre Frauen
oder Freundinnen anderen Ma:nnern und finden, das sei eine tolle
technische Errungenschaft." Der Ku:nstler sieht sich als Surfer - er
klickt sich sozusagen hin zum "Ursprung der Welt": Kaum durchzieht das
Internet unseren Alltag, hat sich das a:lteste Gewerbe der Welt darin
einen Hauptschauplatz gesichert. Er nennt sein Surfen "Recherche" und
das Internet "Werkzeug". Tausende Bilder hat er sich auf den eigenen
Rechner heruntergeladen, um sie mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung zu
vera:ndern. Er zerlegt die Fotos in Bildpunkte, so genannte Pixel. So
lassen die Motive sich leicht vera:ndern, auch beliebig vergro:ssern.
Der technische Aufwand war gross und die Ausschussrate hoch. Von
jeweils hundert Aufnahmen entschied Ruff sich fu:r ho:chstens zwei. Er
tilgte oder verschob in den Internet-Anleihen sto:rende Raumdetails;
er variierte die Farbigkeit. Vor allem aber setzte er mit diesen
Serienmotiven, mit denen er sich auf Messers Schneide zwischen, wie er
selbst sagt, "gerade noch Mo:glichem und schon nicht mehr
Akzeptiertem" befindet, Bewegungsunscha:rfen und Weichzeichner ein.
Die malerische Wirkung ist frappierend, und das Ergebnis erweist sich
nicht zuletzt auch als Ironie der Fotografiegeschichte, waren sich
doch fast alle Klassiker des Mediums einig in der Ablehnung einer
Fotografie, die pittoresk wirkt.
Ruffs nicht moralisierende Methode wandelt Pornografie unkommentiert
zur (Fast-)Malerei. Durch die Fotobearbeitung trifft der allta:gliche
Voyeurismus nicht auf die brutale Direktheit, die aggressive Pra:senz
der Internet-Darstellungen, er wird vielmehr stark irritiert: Die sich
feilbietende Nackte mit gespreizten Beinen erinnert mit der weichen,
stofflichen Bildoberfla:che erstaunlich an Goyas "Nackte Maja",
Lichtfu:hrung und Ko:rperhaltung zweier Ma:nner beim Analsex lassen
gar an Caravaggio denken. Ku:nstlerische, damit fu:r die
O:ffentlichkeit sanktionierte Aktfotos ha:lt Thomas Ruff fu:r
stilisiert und meistens gescho:nt, somit verharmlost. Gnadenlos
realistisch hingegen zeigen die Pornoseiten des Internets die nackten
Tatsachen - als Simulation einer sexuell aufgeladenen Wirklichkeit.
Dass Ruff sich darauf so ru:ckhaltlos einliess, liegt, sagt er, an
seiner Neugier, Kunstthemen immer sta:rker dem Alltag zu entnehmen.
Fu:r ihn war und ist Fotografie immer auch Manipulation. Erstmals
fasst er bei "Nudes" alle bisher benutzte Methodik fu:r eine solche
Manipulation zusammen: Ruff spielt sozusagen mit den Kriterien, die
uns Pornografie als brutale Eindeutigkeit, erotische Fotografie als
prickelnde Zweideutigkeit und ku:nstlerische Aktfotografie als
Delikatesse unterscheiden lassen. Das Internet kam ihm dabei gerade
recht, sorgt es doch dafu:r, dass auch ein Ku:nstler nichts mehr
richtig selber machen muss.
NUDES Internet und Kunst // Der Fotoku:nstler Thomas Ruff, Jahrgang
1958, wurde international bekannt durch seine hyperscharfen Portra:ts.
Sein Thema war bereits nach dem Studium an der Kunstakademie
Du:sseldorf die Manipulierbarkeit der Fotografie.
Fu:r die Ausstellung "Nudes" bediente er sich der Porno-Seiten im
Internet. Galerie Contemporary Fine Arts, Berlin-Mitte, Sophienstr.
21, bis 8. 7. Di-Sa 11-18 Uhr.
Infos im Internet unter: www. cfa-berlin. com CONTEMPORARY FINE
ARTS/THOMAS RUFF Kunststu:ck aus dem Internet: Fotoku:nstler Ruff fand
und "pixelte" ein Beinahe-Marilyn-Monroe-Motiv.
[zuru:ck zu den Suchergebnissen] [Neue Suchanfrage] [Weitere
Artikel vom 07.06.2000]
drucken senden [USEMAP:footer2000.gif]
Ein Service von Berliner Zeitung, TIP BerlinMagazin, Berliner Kurier
und Berliner Abendblatt. (c) 2000 G+J BerlinOnline GmbH