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Thomas Ruff onlane.....



Hilla und, die da eine Mode eingeleitet haben, Christo und, diese
supernervige Ziege, anyway, das hier fand ich doch ganz interessant, weil
es zeigt, wie distanziert mit "boesen" Dateien, die uns immer wieder
beschaeftigen, umgegangen werden kann, aus der Berliner Zeitung:


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Surfen und Klicken

Thomas Ruffs Fotoserie "Nudes" in der Galerie Contemporary Fine Arts

   Eigentlich ha:tte Thomas Ruff immer so weitermachen ko:nnen. Auf den
   Weltausstellungen der 90er-Jahre war er der junge deutsche
   Fotoku:nstler schlechthin. Seine Hypernah-Portra:taufnahmen, die jede
   Pore, jeden Pickel sichtbar machten als Teil einer Gesichtslandschaft,
   galten in der internationalen Kunstszene als aussergewo:hnlich. Doch
   vor zwei Jahren musste das Publikum des einstigen Schu:lers von Hilla
   und Bernd Becher an der Kunstakademie Du:sseldorf konsterniert zur
   Kenntnis nehmen, dass der inzwischen Vierzigja:hrige die Erfolgskette
   seiner Portra:ts abbrach und sich drastischen, plakativen
   Gross-Montagen zuwandte. Sein Thema waren nun Politik und
   Gesellschaft. Auf einmal ging es in Ruffs Bildern um
   Kriegsschaupla:tze und Wahlschlachten, um Propaganda und Werbung. Man
   fu:hlte sich erinnert an die Montagen der Dadaisten um John
   Heartfield.
   
   Ruffs damals erster Berliner Einzelausstellung bei Contemporary Fine
   Arts folgt nun die zweite. Inzwischen aber dient ihm Realita:t nur
   noch als Erzeugnis - und als Effekt. Letzteren treibt er weiter als in
   allen bisherigen Arbeiten: Er hat acht tafelbildgrosse Fotos
   aufgeha:ngt, die er "Nudes" nennt und die harte Sexszenen zeigen: von
   Gruppensex bis SM, jedoch anzuschauen wie hinter Milchglasscheiben.
   
   Ruff hat das Internet als neuen Stichwortgeber und Bildspender fu:r
   seine Kunst entdeckt: "Du klickst dich rein und denkst: Mensch, was
   ist das bloss fu:r eine Welt? Da pra:sentieren Ma:nner ihre Frauen
   oder Freundinnen anderen Ma:nnern und finden, das sei eine tolle
   technische Errungenschaft." Der Ku:nstler sieht sich als Surfer - er
   klickt sich sozusagen hin zum "Ursprung der Welt": Kaum durchzieht das
   Internet unseren Alltag, hat sich das a:lteste Gewerbe der Welt darin
   einen Hauptschauplatz gesichert. Er nennt sein Surfen "Recherche" und
   das Internet "Werkzeug". Tausende Bilder hat er sich auf den eigenen
   Rechner heruntergeladen, um sie mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung zu
   vera:ndern. Er zerlegt die Fotos in Bildpunkte, so genannte Pixel. So
   lassen die Motive sich leicht vera:ndern, auch beliebig vergro:ssern.
   
   Der technische Aufwand war gross und die Ausschussrate hoch. Von
   jeweils hundert Aufnahmen entschied Ruff sich fu:r ho:chstens zwei. Er
   tilgte oder verschob in den Internet-Anleihen sto:rende Raumdetails;
   er variierte die Farbigkeit. Vor allem aber setzte er mit diesen
   Serienmotiven, mit denen er sich auf Messers Schneide zwischen, wie er
   selbst sagt, "gerade noch Mo:glichem und schon nicht mehr
   Akzeptiertem" befindet, Bewegungsunscha:rfen und Weichzeichner ein.
   Die malerische Wirkung ist frappierend, und das Ergebnis erweist sich
   nicht zuletzt auch als Ironie der Fotografiegeschichte, waren sich
   doch fast alle Klassiker des Mediums einig in der Ablehnung einer
   Fotografie, die pittoresk wirkt.
   
   Ruffs nicht moralisierende Methode wandelt Pornografie unkommentiert
   zur (Fast-)Malerei. Durch die Fotobearbeitung trifft der allta:gliche
   Voyeurismus nicht auf die brutale Direktheit, die aggressive Pra:senz
   der Internet-Darstellungen, er wird vielmehr stark irritiert: Die sich
   feilbietende Nackte mit gespreizten Beinen erinnert mit der weichen,
   stofflichen Bildoberfla:che erstaunlich an Goyas "Nackte Maja",
   Lichtfu:hrung und Ko:rperhaltung zweier Ma:nner beim Analsex lassen
   gar an Caravaggio denken. Ku:nstlerische, damit fu:r die
   O:ffentlichkeit sanktionierte Aktfotos ha:lt Thomas Ruff fu:r
   stilisiert und meistens gescho:nt, somit verharmlost. Gnadenlos
   realistisch hingegen zeigen die Pornoseiten des Internets die nackten
   Tatsachen - als Simulation einer sexuell aufgeladenen Wirklichkeit.
   Dass Ruff sich darauf so ru:ckhaltlos einliess, liegt, sagt er, an
   seiner Neugier, Kunstthemen immer sta:rker dem Alltag zu entnehmen.
   Fu:r ihn war und ist Fotografie immer auch Manipulation. Erstmals
   fasst er bei "Nudes" alle bisher benutzte Methodik fu:r eine solche
   Manipulation zusammen: Ruff spielt sozusagen mit den Kriterien, die
   uns Pornografie als brutale Eindeutigkeit, erotische Fotografie als
   prickelnde Zweideutigkeit und ku:nstlerische Aktfotografie als
   Delikatesse unterscheiden lassen. Das Internet kam ihm dabei gerade
   recht, sorgt es doch dafu:r, dass auch ein Ku:nstler nichts mehr
   richtig selber machen muss.
   
   NUDES Internet und Kunst // Der Fotoku:nstler Thomas Ruff, Jahrgang
   1958, wurde international bekannt durch seine hyperscharfen Portra:ts.
   
   Sein Thema war bereits nach dem Studium an der Kunstakademie
   Du:sseldorf die Manipulierbarkeit der Fotografie.
   
   Fu:r die Ausstellung "Nudes" bediente er sich der Porno-Seiten im
   Internet. Galerie Contemporary Fine Arts, Berlin-Mitte, Sophienstr.
   21, bis 8. 7. Di-Sa 11-18 Uhr.
   
   Infos im Internet unter: www. cfa-berlin. com CONTEMPORARY FINE
   ARTS/THOMAS RUFF Kunststu:ck aus dem Internet: Fotoku:nstler Ruff fand
   und "pixelte" ein Beinahe-Marilyn-Monroe-Motiv.
   
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   Artikel vom 07.06.2000]
   
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