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[FYI] Echelon-Anhoerung in Berlin



http://www.berliner-morgenpost.de/inhalt/000707/fernsehen/story77124.html

   ...
   Insgesamt habe Campbell bei den Abgeordneten einen «ausgezeichneten
   Eindruck» hinterlassen, berichtet ein Teilnehmer aus der
   nichtöffentlichen Sitzung. Campbell hatte für das Europäische
   Parlament bereits den Bericht «Abhörmöglichkeiten 2000» verfasst, der
   teils auf den Rechercheergebnissen des Neuseeländers Nicky Hagers,
   teils auf eigenen Erkenntnissen beruht.
   
   Dagegen seien die Ausführungen des Bundesinnenministeriums selbst bei
   SPD-Abgeordneten auf Kopfschütteln gestoßen, heißt es. Der Vertreter
   des Ministeriums, Werner Müller, hatte im Ausschuss behauptet; Echelon
   sei ein Abhörsystem gegen Betrug und Verstöße gegen
   Embargobestimmungen. Dabei handele es sich nicht um
   Wirtschaftsspionage, sondern um Aktionen zu Gunsten des
   wirtschaftlichen Wohls des Landes. Müller folgte damit der
   Argumentation der US-Regierung.
   
   Duncan Campbell wies hingegen darauf hin, dass die US-Regierung über
   Echelon gewonnene Informationen nicht nur in Bestechungs- und
   Korruptionsfällen an private Unternehmen weitergebe. Auch im Fall
   unzulässiger Einflussnahme, worunter die US-Regierung jede Form von
   Lobbying, Druck beziehungsweise Unterstützung versteht, sei dies
   bereits der Fall (www.independent. co.uk/news/World/Europe/2000-07/
   echelon060 700.shtml). Dadurch sei in Europa bereits ein
   volkswirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Für
   Campbell ist dieser Handelskrieg bereits «ein neuer Kalter Krieg».
   
   Reichard Boucher, Sprecher des US-Außenministeriums wies am selben Tag
   die Vorwürfe zurück: «Die Vorstellung, dass wir Informationen zur
   Unterstützung der amerikanischen Unternehmen sammeln, ist ganz einfach
   falsch.»
   
   Den Parlamentariern ging es bei der Anhörung auch um die
   Rechtsgrundlage von US-Abhörstationen wie in Bad Aibling. Während die
   Bundesregierung solche Einrichtungen unter dem Nato-Truppenstatut für
   legitim hält, melden Experten daran verstärkt Zweifel an. Da sich nach
   Aussagen des ehemaligen CIA-Chefs James Woolsey die Geheimdienste
   zunehmend auf Wirtschaftsspionage verlegten, sei, so der
   brandenburgische Landesdatenschützer Alexander Dix, die NSA kein rein
   militärischer Geheimdienst mehr. Insofern sei auch das
   Nato-Truppenstatut, das Aufklärung zur Sicherung der eigenen Truppen
   erlaubt, nicht die passende Rechtsgrundlage. Zudem verstoße Echelon
   nicht nur gegen deutsches, sondern auch gegen europäisches
   Gemeinschaftsrecht.
   
   Campbell wies darauf hin, dass Aufklärungsaktivitäten nicht nur von
   der Station in Bad Aibling, sondern auch von dem
   Information-Distribution-Center in Wiesbaden sowie einer Anlage in
   Berlin-Tempelhof betrieben werde. Die Parlamentarische
   Kontroll-Kommission stellte bei ihrem Besuch im Mai in Bad Aibling
   fest, dass die Antennen in Richtung der GUS-Staaten sowie Osteuropa
   ausgerichtet seien. Campbell wies hingegen darauf hin, dass die
   Fernmeldekommunikation in Deutschland von Stationen in Großbritannien
   aus überwacht werde. Allerdings hätten die Aktivitäten seit 1997/98
   nachgelassen.
   
   Der Vertreter des Bundesinnenministeriums Müller sagte, das
   Ministerium sei allen im EU-Bericht vom Campbell aufgeführten Fällen
   nachgegangen. Im Fall des Windkraftanlagen-Herstellers Enercon, dessen
   Technologie überraschend in den USA verwendet worden war, habe sogar
   der Generalbundesanwalt ermittelt. Dabei habe es sich jedoch um eine
   normale Form der Industriespionage gehandelt. In diesem Fall wie auch
   in den anderen Fällen gäbe es keine Belege für eine Beteiligung der
   amerikanischen National Security Agency (NSA) oder der Geheimdienste
   anderer Staaten.
   
   Alexander Dix vertrat vor dem Ausschuss die Auffassung, dass eine
   europaweite Vereinbarung oder eine Absichtserklärung beschlossen
   werden müsse, die innerhalb der Europäischen Union Wirtschaftsspionage
   untersage. Zusätzlich müsse die EU gemeinsame Richtlinien zur
   Verschlüsselung von digitalen Botschaften entwickeln.
   
   Auf Initiative des Bundesinnenministers Otto Schily hat der
   Europäische Rat für Justiz und Inneres kürzlich eben dazu beschlossen,
   eine Arbeitsgruppe einzurichten. Die Gruppe soll sich mit der Frage
   beschäftigen, inwieweit Bürger mit Hilfe von Verschlüsselungsmitteln
   oder anderen Methoden ihre private Kommunikation schützen können.
   
   Nach Ansicht von Otto Schily muss dabei allerdings auch das Interesse
   der Strafverfolgungsbehörden berücksichtigt werden, die eine
   verschlüsselte Botschaft wieder lesbar machen wollen. Dix betonte,
   dass damit aber nicht automatisch die Interessen der Geheimdienste
   gemeint seien.
   
   ...  
   Dafür soll im Bundestag das Thema Echelon weiter diskutiert werden.
   Das haben die grünen Abgeordneten Claudia Roth und Christian Sterzing
   angekündigt. Sie forderten die Bundesregierung auf, «rasch und
   konsequent» mit den USA und den EU-Mitgliedstaaten ein allseitiges
   Verbot auszuhandeln, damit sich «Menschen in diesen Ländern nicht
   gegenseitig ausspionieren».


ralf
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