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Re: Fitug und die Eurolinux-Petition



> > Diese Leute hielten es aus wirtschaftspolitischen Ueberlegungen heraus
> > fuer ihre Pflicht, die Gesetzesregeln zu *aendern* (nicht etwa im Rahmen
> > irgendwelcher verbliebenen Unklarheiten *auszulegen*).
 
> Ab wann wird aus Rechtsfortschreibung eigentlich Rechtsbeugung?

Ich wuerde sagen ab dem Moment, wo Gesetzesregeln nicht angewandt sondern
geaendert werden.

Wir haben eine Arbeitsteilung zwischen Gesetzgeber und
Rechtspfleger.  Auch "Gewaltenteilung" genannt.

Die Justiz ist gar nicht mit den noetigen Mitteln ausgestattet, um die
Folgen der von ihr geschaffenen Neuregelungen uebersehen zu koennen.
Sie kann keine wirtschaftswissenschaftlichen Anhoerungen veranstalten.

Gerade im Fall Softwarepatentierung war dies ueberdeutlich.  Die
BGH-Richter und GRUR-Anwaelte raesonnierten etwas von der "enorm
gestiegenen Bedeutung der Softwareindustrie", deren hohe Investitionen
endlich geschuetzt werden muessten.  Es wurde immer wieder Netscape als
Beispiel angefuehrt.  "Haette Netscape die Bauprinzipien Navigator
patentieren lassen, dann haette Microsoft nicht das strategische
Instrument der kostenlosen Software einsetzen koennen".  Eigentlich alles
Laienargumente, die von einem naiven Verstaendnis der Software-Oekonomie
zeugen.  Aber wie sollte ein BGH/GRUR es auch besser wissen?  Das sind
nicht Gesetzgebungsorgane.  Aber sie massen sich ebendies an.

> Darf der BGH Recht schreiben? Doch wohl nicht, oder?

In der idealen Welt der gewaltenteiligen Demokratie sicher nicht. Selbst
ein britischer Gerichtshof, der traditionell etwas mehr darf, fragt ab
einem gewissen Punkt den Gesetzgeber um Rat.

Aber von unseren Gesetzgebern kommen nur Stellungnahmen zu allerlei
medienwirksamen Scheindebatten.

Da macht sich dann auch in Patentaemtern und Gerichten Zynismus breit:
Gesetzgeber sind Duennbrettbohrer, die man auf Abstand halten und
manipulieren muss, damit sie einem nicht ins Geschaeft pfuschen.  Solange
sie ruhig bleiben, kann man scheibchenweise das Recht aendern.  Je weiter
man dabei geht, desto unwiderbringlicher nimmt man das Heft in die eigene
Hand.  Heute ist es schwer, einen Abgeordneten zu mehr als ein paar
Sonntagsreden zum Thema Softwarepatentierung zu bewegen.  Macht der
Abgeordnete mit seinen Reden ernst, muss er sich naemlich von der
Patentjustiz fragen lassen:  "Warum habt ihr das nicht frueher gesagt?  
Was machen wir jetzt mit den ganzen Patenten, die nach unserer etablierten
Rechtssprechung gewaehrt worden sind?"

Vermutlich gibt es noch mehr Faelle, wo der Justiz auf diese Weise die
gesetzgeberische Kompetenz in die Haende faellt.

-phm