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Filter, Verbote und der Verfassungsschutz gegen NS-Websites?



Sehr geehrte Damen und Herren,

hier mein Kommentar in gekürzter Form und zum Abdruck zu den beiden
Initiativen "Netz gegen Gewalt" und "Netz gegen Rechts".
(Die vollständige Fassung findet sich auf
http://home.kamp.net/home/kai.raven/news/news.html)


Zur Zeit wird die Bekämpfung des Rechtsradikalismus, von Neonazis und
faschistischen Organisationen und Parteien in der Politik und den Medien
wieder einmal stark thematisiert.
Das ist sowohl positiv als auch negativ zu vermerken:
Positiv, weil wieder eines der Hauptprobleme, mit dem diese Republik immer
noch und bezogen auf die neuen Bundesländer, verstärkt zu kämpfen
hat, in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wird.
Negativ, weil es in der Vergangenheit bereits immer wieder sporadische
Ansätze zu Bekämpfung des Rechtsradikalismus gegeben hatte, die sich in
Lichterketten und Runden Tischen manifestierten und ebenso schnell, wie sie
kamen auch wieder verschwanden.
Im Zuge der Diskussion - wenn denn wirklich eine konstruktive Debatte
stattfindet - um den richtigen Weg, wie der Rechtsradikalismus effektiv zu
bekämpfen sei, ist natürlich auch das WWW und die darin publizierten
Webseiten mit rechtsradikalen Inhalten ins Blickfeld geraten (natürlich
wieder reduziert auf das Web unter Missachtung von anderen
Kommunikationsformen wie Mailinglisten und Mailboxnetzwerken der Rechten).
Die CDU eröffnete die Website Netz gegen Gewalt, die BILD-Zeitung, DIE
WOCHE, ZDF-Online, SPIEGEL-Online, TAZ u. a. folgten mit der
Medien-initiative <a href="http://www.netzgegenrechts.de/"
target="_blank">Netz gegen Rechts</a>.
Die CDU Kampagne setzt dabei offensichtlich zentral auf die Anzeige
rechtsextremer Websites. Ein zweites Standbein ist das anonyme Sammeln von
URL's für die Aufnahme in die Filtersoftware der ICRA bzw. des
Bertelsmann-Konzerns.
Der Zusammenschluss vieler Zeitungen, Sender und Presseagenturen setzt
dagegen auf das Konzept Information gegen Agitation.
In Frageform gehaltene Sektionen der Website (Von Welche Konzepte gegen
Rechts werden zur Zeit diskutiert? bis Wo gibt es weitere Informationen?)
leiten zu Unterabschnitten, in denen Artikel und Links der beteiligten
Mitglieder zu den Fragestellungen gesammelt werden.
An beiden Initiativen zeigen sich m. M. die zwei kontroversen Positionen,
wenn es um die Bekämpfung, bzw. den Umgang mit rechtsextremen
Organisationen und Webinhalten geht.
Die eine Seite, federführend hier die CDU, setzt auf die Überwachung
des Webs durch die Surfer, womit die Surfer als freiwillige Hilfspolizisten
im Web instrumentalisiert werden und die Ausblendung, bzw. Zensur, Verbot
und Verfolgung von rechtsextremen Webinhalten.Die andere Seite,
stellvertretend hier ein grosser Teil der Medien, setzt auf Aufklärung,
Information und Gegenargumentation, der Surfer soll darin unterstützt
werden, Eigenkompetenz im Umgang mit rechtsextremen Webinhalten zu
entwickeln. Im Vordergrund steht hier die argumentativ-informative
Gegenüberstellung von antifaschistisch-demokratischen Inhalten gegen die
rechtsextremen Inhalte.
Diese zwei kontroversen Positionen dürfte auch die von beiden Initiative
angesprochene Netzgemeinde spalten.
Ich persönlich favorisiere die zweite Position und damit die Initiative
Netz gegen Rechts.
Die Konzentration auf Anzeigen, Zensur und Verbote bringt die Gefahr mit
sich, dass man meint, den Rechtsextremismus allein dadurch zu beseitigen,
indem man Inhalte ausblendet, bzw. dessen Erscheinungsformen verbietet,
während die Aufarbeitung vergangener Prozesse und Ereignisse, die mit dem
Rechtsextremismus in Verbindung stehen (Brandanschlag in Solingen,
vermehrtes Anwachsen der rechtsextremen Szene in den neuen Bundesländern
nach der Wiedervereinigung) aus dem Blickfeld geraten. Die
Ursachenforschung & -beseitigung von Rechtsextremismus spielt bei einem
Ansatz, der primär auf blosse Repression setzt, zwangsläufig eine
sekundäre Rolle, das Problem wird nicht bearbeitet, sondern
unterdrückt.
Eine nachhaltige Stärkung demokratischen Gedankenguts und
Verständnisses fusst im Bewustsein der Bevölkerung, also in
Bewusstseins- und Eigenkompetenzbildung, das stärkste Mittel dazu ist
eine kontinuierliche und nachhaltige Information und Aufklärung, nicht
die blosse Dämonisierung und Verdrängung rechtsextremer Ideologien nach
dem Motto "Aus den Augen (vom Bildschirm) - Aus dem Sinn".
Das Werkzeug der Zensur, bzw. des Filters ist letztendlich technisch
gesehen im Internet als unwirksam anzusehen, ausserdem besteht die Gefahr,
dass ein bestehendes, globales Fltersystem schnell dazu benützt würde,
um nicht nur die hierzulande beanstandeten "braunen" Inhalte zu zensieren,
sondern weitere, den politisch und ökonomischen Entscheidungsträgern
unliebsamen Inhalte zu filtern.
Die fehlende Trennschärfe und Genauigkeit von Filtersystemen bringt es
ausserdem mit sich, dass auch nicht-zu-beanstandende Inhalte im grossen
Filter untergehen, wie es sich schon oft bei bereits existierenden
Filterprogrammen erwiesen hat.
Ausserdem bedeuten Filtersysteme immer die Bündelung der
Entscheidungsgewalt über den Zugang/Nicht-Zugang zu Informationen in der
Hand einer kleinen Gruppe und die Besschneidung der Wahlfreiheit und
Entscheidungskompetenz der Mehrheit - mit einem Wort: Filter &
Bewerungssysteme sind inkompatibel zu einer demokratischen
Gesellschaftsordnung.

Mit freundlichen Grüssen

Kai Raven
--

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