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Re: "Keine Sonderstellung" für Rechtsradikale



At 11:13 02.09.00 +0200, Markus Schaaf wrote:
> >    © JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de
> >                                 18.08.00
> >  Druck auf Konservative
> >  Kampf gegen den Rechtsextremismus: Worum es eigentlich geht
> >  Michael Wiesberg
> >
> >  [...] Die Ausgrenzung wirklicher Extremisten dient der
> >  Demokratie. [...]
>
>Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, ob dieses Prinzip nicht
>eigentlich verkehrt ist: Müßte eine richtige Demokratie sich
>nicht auch abschaffen dürfen, wenn es der Wille der Mehrheit ist?
>Nicht, daß ich glaube, dieser Fall würde eintreten, aber kann sie
>ohne diese Möglichkeit wirklich glaubwürdig sein?

Diese Frage ist m.E. zu tief aufgehängt. Demokratie als Staatsform
ist "nur" ein Verfassungsprinzip neben anderen, wie z.B. dem Sozial-
oder dem Rechtstaatsprinzip. Ungeachtet einer Verletzung von
Art. 79 Abs. 3 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG würde eine Umwandlung der
Staatsform möglicherweise mit anderen verbürgten Rechten,
insbesondere dem Minderheitenschutz kollidieren. Daher kann es
allein auf den Willen einer *Mehrheit* nicht ankommen. Die
Konzeption des Grundgesetzes geht vom Prinzip der *starren*
Verfassung aus, die auf legale Weise nicht mehr abgeschafft werden
kann (auch nicht durch Art. 146 GG!!).

Dem Volk - als verfasste politische Einheit - steht es aber
demgegenüber frei, den Weg einer originären neuen Staats-
gründung mit ebenso neuer Verfassungsgebung zu beschreiten.
Dies aber mit allen Konsequenzen und ohne "Rückversicherung
durch Legalität" (Josef Isensee). Wieso sollte dort nicht als
Ergebnis z.B. eine konstitutionelle Monarchie oder dergleichen
herauskommen. Allerdings ist dies nicht durch "Verfassungs-
evolution", sondern nur durch "Revolution" möglich; eine
Rechtsordnung kann ihre Normativität nur innerhalb ihrer selbst
entfalten und nicht über sich hinausgehen.

>Gerate ich nicht schon in den Verdacht, ein "Nationalist" zu
>sein, wenn ich das so schreibe? Gibt es überhaupt Nationalisten
>in Deutschland? Ist das erlaubt?

Ich denke schon. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein,
was man unter diesem Begriff versteht.
In der FAZ vom 25. Juli war auf S. 14 ein
lesenswerter Beitrag von Otfried Höffe, "Nationalstaaten im
Zeitalter der Globalisierung". Fazit: Der Nationalstaat (und
damit auch der Begriff der Nation) hat durchaus seine
Berechtigung, wenn er sich von den Prinzipien der Abwertung
und zum Teil agressiven Bekämpfung anderer Nationen anwendet
und eine Reihe von Erneuerungen vollzieht (Höffe nennt hier
sech Punkte, über die man sich aber im einzelnen streiten
kann). Ein anderer Punkt ist die Freiheitssicherung. Meiner
Meinung nach kann nur der Nationalstaat wirksam rechtliche
Freiräume garantieren.

>  - Fehlt das vielleicht in der
>Bundesrepublik: ein gesunder Nationalismus? Deutsche Politiker
>machen immer etwas "für Europa" oder "für die Umwelt". Wer
>bedient den natürlichen Egoismus, macht mal etwas einfach, weil
>es für das Volk gut ist - und sonst für niemanden? Ist das nicht
>die geheime Formel der Attraktivität rechtsextremer Gruppen: den
>Egoismus anzusprechen?

Schon. Der Fehler liegt nur darin, anderen ihren eigenen Egoismus
absprechen zu wollen, bzw. deren Interessen abzuwerten.

>Hat also das Verneinen von Bedürfnissen, das Verbieten von Mei-
>nungen Zweck? (Ist das nicht die gleiche Frage -mit den gleichen
>Antworten- wie beim Filtern im Netz?) Braucht die Demokratie das?

Grundsätzlich nicht. Eine Demokratie kann aber m.E. nicht tatenlos
zusehen, wie sie bekämpft wird. Die Grenze ist sicherlich dort
überschritten, wo öffentlich zu Gewalt oder zum Umsturz aufgerufen
wird (Über die exakte Grenzziehung lässt sich viel diskutieren).
Auch das Prinzip der "wehrhaften Demokratie" ist ein Verfassungs-
prinzip.

>Ist das ein Schutz? Offensichtlich nicht. Wer es will, kann das
>System von innen heraus zerstören. Und die Versuche dazu
>existieren ja bereits.

Was ist hiermit gemeint?

Viele Grüße

Henning Fischer