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Re: AW: AW: Spiegel-Bericht zu BMJ+GI



Sehr geehrter Herr Tauchert,

Vielen Dank fuer Ihre Hinweise:

> 	Eine Liste der neu erteilten Patente erscheint wöchentlich im
> amtlichen "Patentblatt" (Carl Heymanns-Verlag, München), aber auch im
> Internet (www.dpma.de bzw. www.european-patent-office.org) werden die neuen
> Patentschriften wöchentlich ergänzt. 

Man findet PDF-Dateien ueber Suchmasken z.B. unter

	http://www.patentblatt.de/

Allerdings sind diese Dateien nicht frei verfuegbar, und die
haeppchenweise Darbietung in kostenpflichtige PDF-Einzelseitendateien
verhindert, dass man mit den Patentdaten systematisch arbeiten und
ordentliche freie Software zu ihrer zeitgemaessen Weiteraufbereitung
entwickeln kann.

In dem PDF-Format kommen z.T. ueberdies patentierte Algorithmen (LZW) zur
Anwendung, die verhindern, dass man die Dateien in leserfreundliche Form
verketten kann.  Die hierzu normalerweise verwendete freie Software
Ghostscript/Imagemagick leistet dies nicht, weil die Autoren Angst vor
Patentklagen haben.

Ferner wird durch Verwendung von Einzelseitengrafik verhindert, dass man
die PDF-Dateien zu Textdateien wandeln kann.

Zudem sind die Suchfunktionen auf patentblatt.de primitiv und fehlerhaft,
vo Quaelereien mit Frames und Cookies u dgl mal ganz abgesehen.

Fazit:  die Patentaemter erzeugen einerseits eine riesige Datenflut und
ueberlegen sich andererseits allerlei Obstruktionsmittel, um die
Oeffentlichkeit daran zu hindern, diese Datenflut zu bewaeltigen.

Im Vergleich zur Situation vor 10 Jahren ist kaum etwas besser geworden.  
Damals musste man ca 4000 DM pro Jahr berappen, um proprietaere CDROMs vom
Patentamt zu kaufen, in denen die Daten ebenfalls nur in grafischer Form
vorlagen.  Heute ist das aehnlich, aber man hat zusaetzlich noch die
Moeglichkeit, seine Zeit mit kaputten Suchmasken im Internet zu
verbringen.

Die Patentaemter benehmen sich auch hier wie Privatunternehmen, die ihre
Informationen moeglichst nicht offenlegen, um viel Kapital daraus zu
schlagen.  Das Unternehmen Patentamt geniesst aber eine Monopolstellung.
Schon daraus, und aus der Offenlegungsfunktion des Patentwesens, wuerde
eigentlich eine moralische und rechtliche Verpflichtung zu aeusserster
Freizuegigkeit bei der Herausgabe von Informationen folgen.

==> Das DPMA liegt in der Hand von Leuten, denen jegliches Bewusstsein
    fuer die Realitaeten des digitalen Zeitalters und die damit
    verbundenen Probleme und Aufgaben abgeht und die stattdessen nur
    linear an die Wahrung und Ausweitung bestehender Pfruende denken.
==> Die DPMA ist als Regulierungsbehoerde fuer die digitale Oekonomie
    absolut unqualifiziert.

> Wenn man nicht alles durchblättern will, kann man sich auf die
> interessierenden IPC-Klassen beschränken (z. B. G06F für digitale
> Datenverarbeitung und G11 für Informationsspeicherung). Die
> 3-Monatsfrist (beim DPMA) bzw. die 9-Monatsfrist (beim EPA) läuft ab
> dem Datum der Veröffentlichung (steht auf der Patentschrift).

Der FFII waere sicherlich gewillt, fuer die einmalige Lieferung von
brauchbaren Patentinformationen auf CDROM ein paar 10000 DM an einen vom
DPMA privilegierten Recherchedienst zu zahlen.  Auf Dauer kann es so aber
nicht laufen.
  	
> 	Auch nach Ablauf der Einspruchsfrist ist Klage auf Nichtigkeit gegen
> ein bestehendes Patent beim Bundespatentgericht vorgesehen. Diese kommt
> insbesondere dann in Betracht, wenn man auf Verletzung verklagt wird, die
> Einspruchsfrist abgelaufen ist und man dokumentieren kann, daß der
> patentierte Gegenstand (also im Umfang aller Merkmale des Hauptanspruchs)
> nicht patentfähig ist. Anwaltliche Unterstützung ist zwar nicht
> vorgeschrieben aber empfehlenswert. Im Unterschied zum Einspruchsverfahren,
> wo jede Partei die eigenen Kosten trägt, ergeht beim Bundespatentgericht im
> Nichtigkeitsverfahren eine Kostenentscheidung, d. h. der Streitwert wird
> durch das Gericht festgelegt und der Verlierer zahlt in der Regel alle
> Kosten, auch die des Gegners.  

Was natuerlich fuer uns von vorneherein ausscheidet.
Das Patentwesen ist nur fuer den Konflikt zwischen 2 Rechteinhabern
ausgelegt, nicht fuer den zwischen Rechteinhaber und Oeffentlichkeit.
In der Theorie soll sicherlich die Oeffentlichkeit indirekt durch die
Rechteinhaber vertreten werden.
Aber dieses Spielmodell klappt nicht, wenn ein Grossteil der Akteure
kleine Firmen oder freie Programmierer sind.
 
> 	Für eine systematische Verfolgung des Standes der Technik und die
> erforderliche professionelle Beratung allgemein und im Einzelfall wäre ein
> entsprechende Interessen-Organisation hilfreich (analog zu dem auf dem
> LINUX-Tag in Stuttgart schon mal angesprochene Verein für
> Rundfunk-Schutzrechte). 
> Wenn eine derartige Organisation, der für seine
> Mitglieder ja auch als eine Risikoversicherung wirkt und entsprechende
> Beiträge benötigt, nicht zustand kommt, ergeben sich für mich zwei
> Gesichtspunkte: 

Bekannte Diskussion.  S. Zusammenfassung auf

	http://swpat.ffii.org/penmi/linuxtag-2000/

> 	a) Zum einen ist die mehrfach beschworene Gefahr einer
> Patentverletzung für die OS-Entwickler noch nicht konkret genug, offenbar
> gab es gegenüber den OS-Entwicklern noch keine Klagen auf Patentverletzung
> und man rechnet auch nicht ernsthaft damit. 
> 	b) Zum anderen will man den Aufwand bzw. die Kosten vermeiden. Das
> liegt sowohl an a) wie vielleicht auch daran, daß sich die Lasten auf einen
> zu kleinen Kreis (zu wenig potentielle zahlende Mitglieder, zu wenig
> gewerbliche Einnahmen) verteilen.

> 	Soweit ich sehe (bitte ev. um Berichtigung) werden konkrete mögliche
> Maßnahmen zur Strukturierung des Zugangs zu Patentinformationen und
> Risiko-Verminderung für die Open Source-Entwickler nicht angegangen.

Objektiv haben Sie Recht.
Aber der darin anklingende Vorwurf an die "Opensource-Gemeinde" (warum
eigentlich nicht an die ebenso betroffenen kleinen und mittelstaendischen
Firmen?) geht von zu idealistischen Voraussetzungen aus.
Die Menschheit ist keine besonders solidarische Gattung.
Nicht einmal die OSS-Entwickler sind besonders solidarisch, auch wenn bei
ihnen ein gewisses idealistisches Potential vorhanden ist.
Das darf man aber nicht ueberfordern.

-phm