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Re: [FYI] GI: Software-Engineering braucht Patente



Hallo!

Thomas Jäckel schrieb:

> Nur ein kleine Zwischenfrage:
> 
> Mich wundert es, dass das unten aufgef=FChrte Verfahren so völlig
> untechnisch beschrieben wird. Ist das nur die Grobbeschreibung
> der noch eine technische Detailbeschreibung folgt?
> Ich frage mich, ob die Antragssteller jemals den Begriff der
> Termersetzung gehört haben ...

Aus softwaretechnischer Sicht ergibt sich eigentlich aus der Algorithmen-
beschreibung eine große Problemklasse, wobei die Auswahl eines Lösungsweges
als Repräsentant aus dieser Problemklasse für die reale Implementierung
und damit den Wert der eigentlichen "Erfindung" signifikante Bedeutung hat:

> >      Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur einer
> >      fehlerhaften Zeichenkette F_i in einem digital gespeicherten Text,
> >      der die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette S_i enthält,
> >      dadurch gekennzeichnet, dass
> >     a. die Auftretenshäufigkeit H(S_i) der fehlerfreien Zeichenkette S_i
> >        ermittelt wird

Das ist eine normale statistische Analyse, das Zählen der Vorkommnisse
einer Zeichenkette in einem Text ist nun wirklich nichts neues. Bereits
Uralt-Textverarbeitungsprogramme haben bei "search and replace" die
Zahl gefundener und ersetzter Textstellen zurückgeliefert. Daß hier nicht
von "Zeichenkette", sondern von "fehlerfreier Zeichenkette" gesprochen wird,
ist ein Sonderfall, der für die Transformation der Problemstellung in
einen ablauffähigen Algorithmus untergeordnete Bedeutung hat.

> >     b. die fehlerfreie Zeichenkette S_i nach einer Regel R_j verändert
> >        wird, so dass eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette f_ij erzeugt
> >        wird,

Hier gibt es "alte" Algorithmen wie z. B. die Ermittlung einer
gewichteten Ähnlichkeit zweier Wörter, die als "Ähnlichkeitskriterium"
verwendet werden kann.  Ein gut geeigneter Algorithmus ist beispielsweise die
"Levenshtein-Distanz", die z. B. in c't 1989, Heft Nr. 7 beschrieben wird
und damit offengelegtes Wissen darstellt.

> >     c. die Auftretenshäufigkeit H(_ij) der Zeichenkette f_ij in dem Text
> >        ermittelt wird,

Siehe a.

> >     d. die Auftretenshäufigkeiten H(_ij) und H(S_i) verglichen werden und
> >     e. basierend auf dem Vergleich in Schritt (d) entschieden wird, ob
> >        die mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(_ij) die gesuchte
> >        fehlerhafte Zeichenkette F(_j) ist.

Das ist ein Schwellenwertvergleich, letztendlich eine "if"-Abfrage.


Aus technischer Sicht sieht es unterm Strich so aus, daß die Basis für
das "Funktionieren" dieser "Erfindung" eigentlich durch die in a. bis c.
gegebenen Algorithmen geschaffen wird. Für diese Problemstellungen
existieren seit langem Algorithmen, die "Stand der Technik" sind.
Neu hinzugekommen sind d. und e., die letztendlich eine Kombination
dieser vorhandenen Algorithmen und eine geschickt formulierte,
technisch automationsfähige Entscheidung darstellen.

Die Qualität des Gesamtalgorithmus im Sinne seiner Anwendbarkeit ergibt
sich - geht man von einer optimalen Wahl vorhandener Algorithmen für
a. bis c. aus - in diesen Kombinationskonstellation vornehmlich durch
die Art der Entscheidung, die in Schritt e. gefällt wird.

Im Patentanspruch wird aber nicht näher darauf eingegangen, wie die
in e. erfolgende Entscheidung formuliert wird. Damit wird das ganze
a) zu einem "Problemklassenpatent", welches b) nicht einmal abstrakt
auf seine reale Einsetzbarkeit hin überprüft werden kann. Der Nutzwert
bezogen auf eine reale Implementation des Patentes hängt also stärker
an den Gegebenheiten einer Realimplementierung als an der Verwendung
des hier vorgegegeben Algorithmengerüstes. Damit läßt sich die
Erfindungshöhe nicht allein auf Basis der Punkte a. bis e. beurteilen,
sondern einzig und allein über das im Rahmen einer Realimplementation
für Punkt e. gewählte Entscheidungsschema, welches hier aber nicht
Gegenstand des Patentanspruches ist.

Wie sehen das die Patentjuristen hier in der Runde?

Daniel

-- 
Daniel Roedding                                       phone: +49 5252 9838 0
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