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[FYI] Christiane Schulzki-Haddouti: Fuenf andere Punkte ...



http://www.zeit.de/2000/40/Politik/200040_schulzki2.html

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N E T Z Z E I T

Nur Mut, Herr Schröder!

In Gerhard Schröders Regierungserklärung vor zwei Jahren tauchte das
Wörtchen "Internet" nur ganz am Rande auf. Jetzt möchte der Kanzler
dem neuen Medium mit einem "Zehn-Punkte-Programm" auf die Sprünge
helfen. Fünf (andere) Punkte hätten gereicht.

Von Christiane Schulzki-Haddouti

[...]

1. Informationszugang

Ganz am Anfang steht der Zugang zum Netz. Aber es geht nicht nur
darum, dass möglichst viele Bürger "drin" sind. Wichtig ist auch, was
Bürgerinnen und Bürger dann dort vorfinden und unter welchen
Rahmenbedingungen sie im Internet handeln können. Die Regierung kann
nicht von einer Informationsgesellschaft reden, ohne über die
Qualität der Informationen zu reden: Als Bürgerin möchte ich nicht
nur meinen Kraftfahrzeugsanmeldung online erledigen, sondern auch
Akteneinsicht bei Ministerien und anderen Behörden vornehmen können.
Dazu kein Wort von Schröder.

2. Geistiges Eigentum

Informationen werden produziert. Musiker, Wissenschaftler und
Journalisten leben von den damit erzielten Einnahmen, aber auch vom
Austausch mit ihresgleichen. Dieser freie Informationsfluss sollte
einerseits nicht durch technische Massnahmen erschwert werden, darf
andererseits nicht die Wirtschaftsbasis der Produzenten zerstören.
Von der Idee eines Zwangsfiltersystems an nationalen Grenzen bis zu
Vorschlägen für eine individuelle Kopiervergütung werden heute alle
möglichen Kontrollmassnahmen diskutiert. Diese von der Industrie
dominierte Diskussion kann allerdings auch die Wissenschaftler nicht
kalt lassen - die ja schließlich vom freien Wissenstransfer leben.
Hier wäre eine Moderation des Staates wünschenswert - zu sehen ist
sie noch nicht.

3. Lauschabwehr

Je mehr Informationen man im Netz hinterläßt, desto durchsichtiger
wird man. Der Schutz der eigenen Daten, das Recht auf Anonymität, ist
eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen in das Internet. Natürlich
gehört es zu den Aufgaben des Staates, auch im Internet wachsam zu
sein, um "seine Bürger vor Kriminalität zu schützen". Die müssen sich
aber auch selbst schützen können - mit Hilfe von Anonymisierungs- und
Verschlüsselungsverfahren. Stattdessen wird für europäische
Strafverfolger und Geheimdienste das grenzüberschreitende Abhören in
einem klandestinen Verfahren technisch ermöglicht und legalisiert.
Auch dazu kein Wort.

4. "Brain Drain"

Spitzenleute nicht nur der IT-Industrie, sondern auch der Forschung,
emigrieren ins Ausland. Die zweijährigen Projektstellen hierzulande
sind weniger attraktiv als mehrjährigen Forschungsstellen in
angelsächsischen Ländern. Das Forschungsministerium versucht nun,
ausländische Wissenschaftler auf die vakanten Posten zu locken -
anstatt die dringend notwendige Hochschulstrukturreform
durchzusetzen. Kein Thema für Schröder.

5. Offene Standards - offene Quellen

Schließlich ein altes Strukturproblem: Offizielle Dokumente auf
Webservern sollten nicht nur in Microsoft-Dateiformaten, sondern auch
über universell konvertierbare Formate wie RTF oder HTML erhältlich
sein. Schülerinnen und Studentinnen sollten nicht nur auf Microsoft-
PCs arbeiten, sondern auch auf einem Linux-Rechner fit sein.
Betriebssysteme mit einem überprüfbaren Quelltext und eben solche
Softwareprogramme sollten auch für die öffentliche Verwaltung nicht
nur aus Sicherheitsgründen attraktiver sein.

[...]

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