[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

FTD portraetiert Wolfgang Tauchert



http://www.ftd.de/101koepfe

...

<<

Tauchert redet gern über seine Arbeit. Und wenn er - heute in 
Saarbrücken, morgen in Berlin - über seine Arbeit spricht, spitzen 
Insider die Ohren. Schließlich ist der Mann mit dem dichten weißen 
Haar und dem urbayerischen Akzent eine zentrale Figur der New Economy 
in Deutschland. Seit 1995 leitet der 56-Jährige die Abteilung 1.53 
beim Deutschen Patentamt in München. Egal ob IBM oder Startup: Wer 
kreativ ist in der IT-Branche, dessen Erfindungen landen auf den 
Schreibtischen von Taucherts 26 Mitarbeitern. 

>>

Na ja, das ist ja wohl ein bischen zu klischeehaft.
Bekanntlich nutzen < 5% aller Softwarefirmen das Patentwesen, und 
ob das unbedingt die kreativsten sind, darf bezweifelt werden.
Der Gruender und langjaehrige Praesident von Teradyne, selber Inhaber
vieler Patente, erklaerte bekanntlich (inzwischen auf
petition.eurolinux.org/statements/ zu finden, hoffe ich), dass er diese
Patente als ein Zeichen von Behaebigkeit sieht und seiner Firma immer
geraten habe, schnell und flink zu handeln und nicht Zeit auf Patente zu
verwenden.  Er bedauert selber, dass seine Firma inzwischen ein
buerokratischer und damit patentfreundlicher Apparat geworden sei.

<<
Die Abteilung 
bearbeitet Erfindungen in der Datenverarbeitung: neuentwickelte 
Speicher, Smart-Cards und nicht zuletzt Software-Patente.  
>>

Es ist sicherlich auch nicht gerechtfertigt, das, was ueber Herrn
Taucherts Tisch geht, generell als "Erfindungen" zu bezeichnen.  Meistens
handelt es sich um Versuche, Problemstellungen zu patentieren, denen Herrn
Taucherts Abteilung, wie ein Blick in die Patentdatenbank zeigt, meistens
nachgibt.  Patente auf "Speicher und Smart-Cards" sind meistens
verkleidete Softwarepatente.  Das "und" passt also nicht.

<<

"Dass sich die Situation so zuspitzt, hat mich überrascht", sagt 
Tauchert und spielt damit auf die Debatte um Sinn und Unsinn von 
Software-Patenten an. Die einen sehen in den Patenten Schutz von 
geistigem Eigentum, die anderen eine Bremse für den Fortschritt: 
Software wird in kleinen, aufeinander bauenden Schritten entwickelt. 
Da können Patent-Inhaber die Erfinder stoppen, wenn sie Lizenzen 
verweigern oder nur für viel Geld vergeben.  

>>

Nicht schlecht gesagt, aber es ist nicht nur eine Frage der Hoehe des
Lizenzgeldes. Schon die Existenz eines Patentes stoppt
Opensource-Entwicklungen, die ja den volkswirtschaftlich
wuenschenswertesten Teil der heutigen Softwareentwicklung darstellen.

<<

Tauchert hat eine klare Meinung zu dem Thema: "Gerade Startups 
brauchen den Schutz von Patenten", sagt er. Und weiter: "Die Gegner 
der Patente verfolgen eigene Interessen, nämlich den unbeschränkten 
Zugriff auf das geistige Eigentum anderer."  

>>

Das ist in der Tat Herrn Taucherts Standard-Formel, die auch gegen jede
Diskussion immun ist.  Herr Tauchert zeigt insbesondere in privaten
Diskussionen durchaus Lernbereitschaft, aber in der Oeffentlichkeit kehrt
er dann immer wieder zu dieser Formel zurueck, als waere nichts gewesen.

<<

Neu ist: Was früher nur in Fachkreisen diskutiert wurde, beschäftigt 
heute die Öffentlichkeit. Gerichte, Unternehmen und die Politik 
interessieren sich auf einmal für die Münchner. Das Gros der 
Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofes zu Software-Patenten nahm 
dort seinen Anfang: 

>>

Na ja, die praegenden Urteile wie Dispositionsprogramm (1976),
Antiblockiersystem (1980), Flugkostenminimierung (1981) setzten meist auf
vorigen BPatG-Urteilen auf und praegten dann wiederum die
Pruefungsrichtlinien des DP(M)A und EPA.  Insbesondere beim
Dispositionsprogramm-Beschluss schuf der BGH sehr weitgehende eigene
Theorien, die kaum ihren Anfang im DPMA genommen haben duerften.  

<<

Programme werden unter strengen Voraussetzungen patentiert.

>>

Laut der Rechtsprechung bis 1981 wurden Programme ueberhaupt nicht
patentiert.  Selbst im Grenzfall "Antiblockiersystem" wurde nicht ein
Programm sondern ein Bremsverfahren patentiert.

Das ist sogar bis heute so geblieben, auch wenn die Kriterien der
Patentierung von Verfahren mit der Seitenpuffer-Entscheidung von 1992 und
zuletzt der Serie von "Verkaufsautomat" bis "Logikverifikation" und
"Sprachanalyse" erheblich aufgeweicht wurden.

Der 17. Senat des BPatG hat sich mit der Verweigerung von Anspruechen auf
ein "Computerprogrammprodukt" und ein "Computerprogramm" im August 2000
auch nicht etwa gegen den BGH aufgelehnt sondern lediglich einen
immanenten Widerspruch der neuen BGH-Rechtsprechung auf die Spitze
getrieben und die Rechtsbeschwerde zuzulassen, damit der BGH erklaeren
kann, ob denn nun Computerprogramme patentiert werden koennen.

Frau de Paolis Aussage, dass die Voraussetzungen fuer die Patentierung
eines Computerprozesses beim DPMA oder beim BPatG oder BGH streng seien,
kann allerdings nur Gelaechter hervorrufen.  Man werfe einen Blick in die
Schrottdatenbank, die aus dem EPA und dem DPMA Jahr fuer Jahr
heraussickert (allerdings bis heute fuer die Oeffentlichkeit schwer
zugaenglich ist).  Heute morgen zitierte ich hier den Anspruchsbereich
eines Sun-Patents auf die Problemstellung der Visualisierung des
Make-Befehls.  Beim BPatG stand kuerzlich ein triviales "Verfahren und
Computersystem zur Suche fehlerhafter Zeichenketten in einem Text" von IBM
zur Debatte und wurde nicht beanstandet.  Konnte es auch gar nicht, denn
allein durch formale Kriterien wie "Neuheit" und "Erfindungsschritt" ist
dem Problem nicht beizukommen, wenn man erst einmal die wirklich strengen
Kriterien, die der BGH 1976 im Dispositionsprogramm-Beschluss angelegt
hatte, ueber Bord geworfen hat, s. dazu

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html
	Gert Kolle, Vater des Computerprogramm-Ausschlusses, erlaeutert 
	die dahinter stehende Rechtssystematik

<<

Unternehmen, die ein Nein aus München nicht hinnahmen, 
zogen vor Gericht. "Wir haben mit unseren Entscheidungen das Material 
für zahlreiche Urteile geliefert."  

>>

Viele Jahre kamen dem BGH nur die Stimmen von Patentvertretern zu Ohren,
die ueber die schreckliche Diskriminierung klagten, die ihnen dadurch
widerfuhr, dass ihre Innovation in ein "Niemandsland des geistigen
Eigentums" (Kolle) fiel.  Unter dem Chor dieser Stimmen knickte der BGH
ein und nutzte die rechtstechnischen Moeglichkeiten zur Verbiegung des
Gesetzes, vor deren Nutzung Kolle 1977 vorausschauend gewarnt hatte.

-phm