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GD Binnenmarkt fuer Legalisierung von Swpat



Unter

	http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/intprop/indprop/softde.pdf

findet sich ein Vorschlag der Generaldirektion Binnenmarkt der
EU-Kommission, der auf eine Forderung nach Kodifizierung der Praxis des
EPA hinauslaeuft.  GD BM sieht sich nicht so sehr als Gesetzgeber sondern
eher als Exegeten der vom EPA gesetzten Regeln.  Vieles deutet darauf hin,
dass das Papier und der EPA-Basisvorschlag aus der gleichen Feder stammen.

Sorgen macht mir, dass GD BM nur eine einseitige und verschleiernde
Argumentation vortraegt und auf keine anderen Papiere oder Standpunkte
verweist.

Zum Inhalt:

<<
1. Zweck dieses Papiers
>>

Fuer Swpat werden zahlreiche Argumente angefuehrt, dagegen keine -- es
wird lediglich darauf verwiesen, dass einige Leute Bedenken geaeussert
haben.

Es wird auch angefuehrt, dass eine Mehrheit der Staaten sich fuer die
Streichung des Computerprogramm-Ausschlusses ausgesprochen haetten, aber
versaeumt zu sagen, dass eine Mehrheit der EU-Staaten dagegen war.  Welche
Statten es waren, wird auch nicht gesagt.  Die IPI-Studie wird als
"unabhaengig" bezeichnet -- nur ein paar Beispiele der Tendenziositaet
dieses Papiers.

Die Kommission will "den goldenen Mittelweg finden zwischen
Innovationsfoerderung durch die Moeglichkeit, computer-implementierte
Erfindungen zu patentieren, und Gewaehrleistung eines angemessenen
Wettbewerbs".

Dies waere kein Problem, wenn nicht im selben Papier der Begriff
"computer-implementierte Erfindungen" so verwendet wird, dass darunter
alle Algorithmen und Computerprogramme fallen, die irgendwie Bezug auf
technische Ausruestungen des Computers nehmen.

Genau das ist unter "Computerprogramme" oder auch "Computerprogramme als
solche", wie etwa vom BPatG im August festgestellt, zu verstehen.  Dort,
wo kein Bezug auf Computerausruestungen genommen wird, haben wir es mit
reinen mathematischen oder sonstigen Rechenregeln zu tun.

So erscheint es aber, als sehe die Kommission die Patentierung von
Computerprogrammen (als solchen) als einen Weg an, die Innovation zu
foerdern.

Immerhin erklaert GD BM aber, dass

(1) das vorgelegte Papier nur von GD BM erarbeitet wurde und nicht die
    gesamte Kommission vertritt
(2) es den Beantwortern freisteht, fuer einen "restriktiveren Ansatz"
    zu plaedieren.

Dabei erscheint es aber merkwuerdig, dass dann nicht wenigstens auf ein
paar der vorhandenen Gegenvorschlaege, so z.B. auf
http://www.pro-innovation.org/ u.a. verwiesen wird.

Es folgt ein Vorschlag, der sich an der EPA-Praxis ausrichtet und
ganz so aussieht, als sei er von jemandem aus dem EPA geschrieben worden.

<<
Moegliche Schluesselelemente eines harmonisierten Ansatzes der EG in der
Frage der Patentierbarkeit computer-implementierter Erfindungen

Der Grundsatz:

Patente werden fuer Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt,
vorausgesetzt sie sind neu, beruhen auf einer erfinderischen Taetigkeit
und sind gewerblich anwendbar.
In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass eine
computer-implementierte Erfindung zu einem Gebiet der Technik gehoert.

>>

Hierbei wird bereits von einer Voraussetzung ausgegangen, die letztlich
dazu zwingt, Art. 52 im Sinne des EPA-Basisvorschlags zu aendern.

Unter "computer-implementierte Erfindung" wird naemlich ein
Computerprogramm [als solches] verstanden: 

<<

Es wird dabei unterstellt, dass eine computer-implementierte Erfindung zu
einem Gebiet der Technik gehoert, da ihr Zweck in der Regel darin besteht,
einen Computer zu steuern.  Damit bewirkt ein Computerprogramm, wenn es
auf einem Computer laeuft, einen technischen Effekt.

>>

Sicherlich bewirkt ein Computerprogramm, wenn es auf dem Rechner laeuft,
einen technischen Effekt:  es werden Naturkraefte eingesetzt.  Damit wird
dieses Programm aber noch nicht zu einer Erfindung, denn ein innovativer
Algorithmus/Programm ist keine Lehre zum innovativen Einsatz von
Naturkraeften.  Sobald man diese Differenzierung fallen laesst, ist jedes
Computerprogramm technisch und, falls neu, eine Erfindung im Sinne der von
GD BM 15 geplanten Direktive.  Dann verstoesst der Ausschluss von
Computerprogrammen gegen Art 27 TRIPS.  Somit fordert GD BM 15 indirekt
die Diplomatische Konferenz auf, Art 52.2c in geplanter Weise zu aendern.

GD BM 15

<<

Dieser technische Effekt kann zum Beispiel in der Steuerung eines
gewerblichen Verfahrens oder der Arbeitsweise eines Geraets durch den
Computer bestehen (Beispiele: ein Verfahren zur digitalen Verarbeitung von
Bildern; eine Roentgeneinrichtung, die eine Datenverarbeitungseinheit
beinhaltet, die fuer eine optimale Belichtung bei hinreichender Sicherheit
vor Ueberlastung der Roentgenroehre sorgt).
Er kann auch die Funktionsweise des Computers selbst oder seiner
Programmschnittstellen betreffen (Beispiel: Benutzeroberflaeche fuer ein
Verwaltungssystem).  Durch die Steuerung der Arbeitsweise des Computers
veranlasst das Computerprogramm den Computer, eine Aufgabe automatisch
ohne Eingreifen eines Menschen auszufuehren.

>>

In 

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html

kann man sehr schoen nachlesen, dass das Kriterium der Automatisierbarkeit
nicht ausreichen kann, um Technizitaet begruenden.  Die Debatte ist sehr
alt, aber es hat eben nach Kolle recht wenige Menschen mit hinreichender
Intelligenz und Gutwilligkeit in den rechtssetzenden Zirkeln gegeben.


<<

Neuheit erfordert keinen technischen Beitrag, dieser ist nur im
Zusammenhang mit der erfinderischen Taetigkeit zu pruefen.  Neu kann eine
Erfindung auch dann sein, wenn ihr Beitrag zum Stand der Technik
nichttechnischer Art ist.  Die Praxis hat gezeigt, dass das Heranziehen
des technischen Beitrags fuer die Neuheitspruefung mit etlichen
Schwierigkeiten verbunden ist.

>>

Welche Schwierigkeiten das sein sollen, wird nicht erklaert.  Aus der
Formulierungsperspektive wird deutlich, dass der Autor aus dem EPA stammen
muss.  Wer sonst koennte so etwas unbegruendet und zugleich mit Autoritaet
behaupten?

<<

Der technische Effekt, den eine computer-implementierte Erfindung bewirkt,
kann aus dem Stand der Technik bereits bekannt sein. {Fussnote:  Eine
Unterscheidung zwischen "technischem Effekt" und "weiterem technischen
Effekt" .. ist nicht erforderlich}

>>

Es fehlt hier an Beispielen.  Gemeint ist, dass etwa ein
Kompressionsprogramm nicht dadurch unpatentierbar wird, dass der
"technische Effekt" der Speicherplatzeinsparung bereits bekannt ist.
Entscheidend ist, dass im Rahmen der erfinderischen Taetigkeit daran
gedacht wurde, dass man mit Computerspeichern arbeiten wird, so dass
Speicherbausteine aus der patentierten Loesung nicht wegzudenken sind.
D.h. wenn jemand den Kompressionsalgorithmus in seinem Kopf durchfuehrt,
verletzt er nicht das Patent, da der ganze Sinn der Ansprueche darin
besteht, etwas in Zusammenhang mit einem Computer, dessen
Speicherkapazitaet optimiert werden muss, zu verwenden.

Leider muss ich das hier selber formulieren, da man die Rabulistik der
GDBM-EPA-Leute sonst nicht versteht und da mir nur eine PDF-Datei
vorliegt, so dass ich mir die Finger wund tippen muesste, um den ganzen
Kram zu zitieren.

Der Text enthaelt noch sehr lange Beschwichtigungspassagen, die mit
Software nichts zu tun haben.  Darin wird der Leser beruhigt, es duerften
nur neue, erfinderische und hinreichend dokumentierte "Erfindungen"
patentiert werden, und dabei wuerden "strengste Massstaebe" angelegt etc
...  Offenbar ist seit Aufgabe des Unmittelbarkeitsgrundsatzes der
Technizitaet (Einsatz von Naturkraeften muss ein unmittelbarer sein) bei
den EPA-Leuten so mancher gedankliche Zusammenhang locker geworden.

<<

II Komplementaritaet von Patent- und Urheberrechtsschutz

>>

Hier findet man bekannte Rabulistik ueber das Wesen des "Computerprogramms
als solchen" sowie allerlei beruhigende Entwarnung vor allerlei Gefahren,
die ohnehin niemand befuerchtet hatte, z.B.

<<

Demnach kann ein Rechtsschutz fuer ein und dasselbe Programm sowohl durch
Patent- als auch durch Urheberrecht bestehen.  Die Anwendung sollte jedoch
komplementaer sein undnicht die Wirkung einer doppelten Absicherung haben.

>>

Es folgt einige weitere beruhigende Entwarnungen von Scheingefahren:

<<
Das Erfordernis eines nicht naheliegenden technischen Beitrags

...

>>


<<
Das Kriterium der "technischen Ueberlegungen"

...

Da nie bestritten worden ist, dass das Ergebnis der Konzeption einer
mechanischen Vorrichtung einen technischen Beitrag darstellen kann, sollte
dasselbe fuer die Konzeption einer computergestuetzten Loesung fuer eine
technische Aufgabe gelten.

>>

Wenn im Bereich der Mechanik viele rein konzeptuellen Innovationen noch
toleriert worden sind, heisst das nicht, dass diese Praxis solide ist und
schon gar nicht, dass sie auf den Bereich der Informatik uebertragen
werden muss oder darf.

<<

Beurteilung technischer und nichttechnischer Merkmale -- Bedeutung fuer
geschaeftliche Taetigkeiten


....

So kann z.B. ein computergestuetztes Funkbestellverfahren fuer Restaurants
patentiert werden, wenn das Verfahren neu ist und einen technischen
Beitrag beinhaltet, der zum Beispiel in der Geschwindigkeit der
Bestellungsuebermittlung liegen kann.

>>

Wohlgemerkt ist dies missverstaendlich.  Gemeint ist nicht etwa, dass das
Patent eine neue Methode der schnelleren Datenuebertragung lehren muss.
Das waere ja moeglicherweise ein echtes technisches Patent.  Nein:  es
genuegt, dass die Geschaeftsmethode qua Computerisierung es ermoeglicht,
Vorgaenge schneller abzuwickeln.

Es ist ueberdies sehr schwer zu ergruenden, was das EPA heute im
Zusammenhang des erfinderischen Schrittes unter "technisch" versteht.
Irgendwie muessen da geraetespezifische Ueberlegungen einfliessen, und der
erreichte Erfolg muss etwas damit zu tun haben, dass diese Geraete besser
ausgenutzt werden.  In den Beispielen, die etwa Dai Rees auf der Londoner
Konferenz brachte, war als Kontrast zu "technisch" immer nur etwas aus dem
Bereich der Aesthetik angefuehrt.  Ich fragte daher Herrn Rees in der
Diskussion ob "technisch" etwas anderes als "funktional" sei, und bekam
mE keine klare Antwort.


Auf den ersten Blick enthaelt das GDBM-EPA-Papier wenigstens in einem 
Bereich einen kleinen Lichtblick:  Die "computer-implementierten
Erfindungen" koennen nur als Computersystem oder Verfahren beansprucht
werden:  

<<

Zulaessige Patentansprueche

Eine computer-implementierte Erfindung kann in einer Patentanmeldung als
Erzeugnis, namentlich als der programmierte Computer, oder als Verfahren,
namentlich als das von dem programmierten Computer ausgefuehrte Verfahren,
beansprucht werden.

>>

Doch eine unscheinbare, in eine Anmerkung verschachtelte Fussnote belehrt
uns bei genauerem Hinsehen eines besseren:

<<

Anmerkungen:

Es besteht allgemein Einigkeit darueber, dass computer-implementierte
Erfindungen sowohl als Vorrichtung oder System (die/das sich auf den
programmierten Computer bezieht) und/oder Verfahren (d.h. das vom
programmierten Computer ausgefuherte Verfahren) beansprucht werden
koennen.{Fussnote 21: 
  Die EPA-Beschwerdekammer hat entschieden, "dass es im Hinblick auf das
  Patentierungsverbot gemaess Artikel 52(2) und (3) EPUe keinen
  Unterschied macht, ob ein Computerprogramm allein beansprucht wird oder als
  Aufzeichnung auf einem Datentraeger."  Siehe Computerprogrammprodukt I
  und II, Anmerkung 10}
>>

D.h. nur durch Lesen der am Artikel-Ende zu findenden Fussnote wird klar,
dass unter "Vorrichtung oder System (die/das sich auf den programmierten 
Computer bezieht)" doch wieder das "Computerprogrammprodukt",
"Computerprogramm" etc wie vom EPA seit 1997 gewaehrt hineingemogelt
wurde.

<<

vii.  Allgemeines Patentrecht bleibt wesentliche Schutzgrundlage

>>

Hiermit wird im wesentlichen gesagt, dass auf die Besonderheiten der
Oekonomie informationeller Gueter nicht Ruecksicht genommen wird.
Eine ausfuehrliche Erklaerung erfolgt in einer Anmerkung:


<<

Insbesondere die Frage der Interoperabilitaet erscheint durch das
allgemeine Patentrecht hinreichend geregelt.  So sollten das Erfordernis
in der Patentanmeldung und die Ausnahmeregelung fuer Handlungen zu
Versuchszwecken einen Fachmann in die Lage versetzen, ein Programm an ein
anderes, bereits vorhandenes, anzupassen, das auf der Grundlage der
patentierten Erfindung entwickelt wurde.  Um das Programm anzupassen, muss
die betreffende Person entsprechend dem allgemeinen Patentrecht eine
Lizenz vom Patentinhaber erwerben.  Die Situation, dass eine LIzenz
erlangt werden muss, um Zugang zu einem oder mehreren Patentrechten zu
erhalten, ist in komplexen Industrien ueblich, und die Wirtschaft hat
Mittel und Wege gefunden, Lizenzierung und Ueber-Kreuz-Lizenzierung so zu
nutzen, dass den Beduerfnissen entsprochen wird.  In der Regel haben die
Marktkraefte fuer ein zufriedenstellendes System gesorgt.  Das gilt auch
fuer den Fall, dass die Software, mit der die Interoperabilitaet
sichergestellt werden soll, sich zu einem Standard entwickelt hat.  Will
der Patentinhaber keine Lizenz vergeben, so kann er unter Umstaenden durch
Zwangslizenzierung und Wettbewerbsrecht dazu gezwungen werden.  Ferner
kann das Wettbewerbsrecht genutzt werden, um missbraeuchliche
Lizenzklauseln zu verhindern.

>>

Die "Marktkraefte" sorgen im Bereich der Informationsgueter so wenig fuer
ein zufriedenstellendes System, dass Freie Software zum Hoffnungstraeger
bei der Ueberwindung zahlloser Interoperabilitaetsbarrieren wurde.

Hierzu muesste man eine ausfuehrlichere Stellungnahme schreiben.  Unter

	http://www.pro-innovation.org/

findet sich ein Kapitel ueber die Oekonomie der Software und die
Interoperabilitaetsprobleme, die sich vor allem auch daraus ergeben, dass
man Software in ein Modell materieller Waren zwingt.  Patente zwingen sie
noch staerker in dieses Modell.

Vielleicht wird Prof. Lutterbecks Studie dazu auch erhellendes liefern.

Von einem praktischen Einsatz von Zwangslizenzen hat man schon lange
nichts mehr gehoert.  Missbrauechliche Lizenzklauseln sind selten ein
Problem.  Das ist wieder mal "Beruhigende Entwarnung vor
nicht-gefuerchteten Gefahren".

<<

Vor der Kommission und anderen Stellen initiierte Studien und Sondierungen
ueber die Patentierbarkeit computer-implementierter Erfindungen.

...

>>

Hier wird der Hergang seit 1997 (Gruenbuch) referiert.  Ein wenig
tendenzioes natuerlich, aber immerhin wird das Eurolinux-Treffen mit einem
Fussnoten-Verweis auf unseren "nicht-autorisierten
Sitzungsbericht" erwaehnt und ueberdies auch das Gutachten des Ausschusses
der Regionen vom 18. November.

Es wird auch von der Vergabe einer "unabhaengigen Studie" an das IPI
berichtet, die im Maerz 2000 abgeschlossen wurde.  Diese Studie wurde
am 19. Oktober zusammen mit dem neuen Konsultationsaufruf veroeffentlicht.

<<

Die gegenwaertige Rechtslage in Europa -- Ueberblick

>>

Hier wird wiederum die Auffassung des EPA referiert und mit der
"Rechtslage in Europa" gleichgesetzt.  Vom juengsten BPatG-Urteil sowie
abweichenden Meinungen ueber die Rechtslage ist nicht die Rede.

Alles in allem keine Grundlage fuer eine Konsultation, die diesen Namen
verdient.

Im Gegenteil, GDBM uebt mit ihrem Papier weiteren Druck auf unsere
Regierung aus, die Computerprogramm-Ausnahme zu streichen.

-phm