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AFUL-PE zu Patentierung der 35-Stunden-Woche (fwd)



---------- Forwarded message ----------
Date: Wed, 15 Nov 2000 22:26:33 +0100 (CET)
From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
To: neues@ffii.org
Subject: AFUL-PE zu Patentierung der 35-Stunden-Woche

Es folgt eine deutschsprachige Fassung der AFUL-Presseerklaerung von
gestern.  Torsten Woellert schickte mir diesen Text, der seinen Worten
nach noch nicht endgueltig ist, aber dennoch manchen Journalisten die
Arbeit erleichtern duerfte.

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Das AFUL patentiert den Übergang zur 35 Stundenwoche 

AFUL 

petition.eurolinux.org 

Zur unverzüglichen Verbreitung 

Paris, den 15. November 2000 - das AFUL hat am Montag, den 13. November
2000 am INPI ein Patent für ein "System und Verfahrensweise zur
Arbeitszeitreduzierung" beantragt. Durch diese Aktion beabsichtigt das
AFUL, die wirtschaftliche Absurdität einer Ausdehnung des Patentsystems
auf Software und die Risiken zu beweisen, die sich daraus für die
Gesamtheit der Gesellschaft ergeben.

Das AFUL-Patent beschreibt eine neue und erfinderische Verfahrensweise,
die innerhalb eines Systems die materiellen Einrichtungen verwirklicht,
deren Gebrauch es ermöglicht, die Stundenpläne und die
Einstellungsverträge zu produzieren, die für die Umsetzung einer Politik
der Arbeitszeitreduzierung innerhalb einer Organisation unter
wirtschaftlich optimalen Bedingungen notwendig sind.

Das AFUL-Patent kann als " Softwarepatent" bezeichnet werden, denn die
Verfahrensweise der Erfindung beruht auf dem Softwaregebrauch. Das AFUL
beabsichtigt, durch dieses Patent zu beweisen, dass die Folgen einer
Ausdehnung des Patentsystems auf Software den eingeschränkten Rahmen der
Softwareherstellung überschreiten, um die Gesamtheit der Gesellschaft zu
erreichen. Wenn Software patentierbar ist, ist es die innovative Umsetzung
von Gesetzen durch Software ebenfalls.

Das AFUL-Patent umfaßt ebenfalls eine innovative technische und
technologische Dimension, beruhend auf dem Einsatz bestehender materieller
Vorrichtungen (z.B. Stechuhr) oder neuer optimierter
Informationstechniken. Das AFUL beabsichtigt, durch dieses Patent zu
beweisen, daß die Begriffe "Technologie" oder "Technik" so interpretiert
werden können, dass sie eine unbegrenzte Patentierbarkeit erlauben.

Die Gültigkeit des AFUL-Patents in Europa ist heute in Anbetracht der
Ausnahme für Rechnerprogramme unsicher, die immer noch im positiven Recht
vorherrscht. Einerseits hat das Europäische Patentamt bereits zahlreiche
Softwarepatente gewährt, die dem Patent ähnlich sind, das durch das AFUL
beantragt wurde: "Verteilung von Kochrezepten in einem Supermarkt"
(EP756731), "Verwaltung eines Unternehmens mit Hilfe eines einzigen
Ereignisheftes" (EP0209907), "Lehre der Aussprache einer Sprache durch
Vergleich" (EP0461127), "Übertragung von Multimediadaten per
elektronischer Post" (EP0592062) oder auch "Benutzung einer Datenbank in
natürlicher Sprache" (EP0522591). Andererseits annullieren die Gerichte
regelmäßig die Softwarepatente bei Streitsachen, indem sie daran erinnern,
daß Software nicht patentierbar ist: Dies war zum Beispiel der Fall in
diesem Sommer für ein IBM-Patent, das vom Europäischen Patentamt (EPA)
gewährt und das durch die deutsche Justiz annulliert wurde.

Das Risiko ist groß, dass die Gesamtheit der Informationsgesellschaft
durch das Patentsystem gelähmt wird. Angesichts dieses Risikos haben es
mehr als 50.000 Europäer und 200 Unternehmen vorgezogen, die
EuroLinux-Petition für ein Europa ohne Softwarepatente zu unterstützen.
Dieses Risiko würde in der Tat beträchtlich gesteigert, wenn die Ausnahme
der Patentierbarkeit von Rechnerprogrammen auf der Regierungskonferenz
abgeschafft würde, die sich vom 20. bis 29. November 200 in München
treffen wird. Das AFUL wünscht, dass es die europäischen Regierungen
erreichen, ein solches Szenario zu vermeiden und die notwendige Mehrheit
von drei Vierteln zu versammeln, um sich den Plänen der derzeitigen
Direktion des Europäischen Patentamts (EPA) zu widersetzen. Im
gegenteiligen Fall wird das AFUL die Absurditäten des Softwarepatents
nutzen, um die Gesamtheit seiner Mitglieder angesichts des ständigen
Streitrisikos wirksam zu schützen, ausgelöst durch ein System, das aus
jedem eigenständigen Softwareautor einen Patentverletzer macht.

Fragen und Antworten 

Kann man die 35 Stundenwoche patentieren ? 

Die 35 Stundenwoche ist eine Idee und somit nicht patentierbar. Das
AFUL-Patent betrifft nicht die 35 Stundenwoche als solche, sondern eine
"Verfahrensweise des Überganges zur 35 Stundenwoche". Niemand kann heute
sagen, ob das AFUL-Patent gültig sein wird oder nicht.

Wenn man das Münchener Abkommen, das in Europa das Patentrecht definiert,
gemäß dem Geist seiner Verfasser interpretiert
(http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html) ist eine
"Verfahrensweise des Überganges zur 35 Stundenwoche" nicht patentierbar,
denn sie ergibt sich aus der geistigen Methode oder im Falle des
AFUL-Patents aus der Software. Diese Interpretation ist durch das
Berufungsgericht von Paris in Frankreich
(http://www.pro-innovation.org/rapport_brevet/brevets_plan.pdf) oder BPatG
in Deutschland (http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html)
bestätigt worden.

Wenn man andererseits die Patente untersucht, die durch das Europäische
Patentamt in den Bereichen Software oder kommerzielle Methoden
(http://www.european-patent-office.org/tws/appendix6.pdf) erteilt wurden,
gäbe es einen Unterschied zwischen "Software als solcher" und "Software,
die eine technische Wirkung hat" oder auch zwischen "geistige Methode als
solcher" und "geistiger Methode, die eine technische Wirkung hat". Der
Begriff der technischen Wirkung ist selbst schlecht definiert und kann
sich manchmal auf die Benutzung einer Datenbank oder eines Druckers
reduzieren. Mit anderen Worten ist der "Übergang zur 35 Stundenwoche als
solcher" nicht patentierbar, aber eine "Verfahrensweise des Überganges zur
35 Stundenwoche, die eine technische Wirkung hat" ist nach der
Rechtsprechung des EPA patentierbar.

Beabsichtigt das AFUL, sein Patent zu verteidigen ?

Das AFUL beabsichtigt, sein Patent zu verteidigen.

Eine Rechtslizenz kann von nun an von jedem Antragsteller zum Preis von 1
Euro pro Angestellten erworben werden, der zur 35 Stundenwoche übergeht.
Die Unternehmen, die keine Softwarepatente besitzen, werden von der
Zahlung dieser Lizenz befreit. Alle Organisationen, die bereits in die 35
Stundenwoche eingeführt haben, werden ebenfalls befreit.

Um die französische Regierung für die Risiken zu sensibilisieren, die sich
aus einer Ausdehnung des Patentsystems auf Software ergeben, beabsichtigt
das AFUL, die Zahlung dieser Lizenzgebühr für alle französischen Beamten
zu verlangen, die bald zur 35 Stundenwoche übergehen werden. Da das
AFUL-Patent eine Verfahrensweise betrifft, müssten die öffentlichen
Organisationen, die zur 35 Stundenwoche übergingen, ohne eine Lizenz beim
AFUL zu erwerben, bei Streitsachen beweisen, dass sie die Reduzierung der
Arbeitszeit verwirklicht haben, ohne das AFUL-Patent zu verletzen.

Außerdem beabsichtigt das AFUL, sein Patent auf punktuelle Art und Weise
zu verteidigen, jedesmal, wenn ein Unternehmen die Schaffensfreiheit
seiner Mitgliedern mit einem Softwarepatent bedroht. Alle eigenständigen
Softwareautoren sind in der Tat heute in der Situation der
Patentverletzung, meistens ungewollt. Das Softwarepatentsystem kann dann
wie in den Vereinigten Staaten diskriminierend benutzt werden, um
Softwareautoren oder Autoren störender Artikel zu zensieren, wie es
momentan der Fall ist bei Gregory Aharonian
(http://www.callaw.com/stories/edt1031b.shtml). Durch die Patentierung von
Verfahrensweisen, deren Umsetzung durch das Gesetz erzwungen wird,
beabsichtigt das AFUL, sich Mittel zu beschaffen, um dieser Art von
Angriff auf die Redefreiheit zu geringen Kosten begegnen zu können.

Kann das AFUL-Patent annulliert werden ? 

Vier Szenarien sind möglich: 

1. Eine Annullierung des AFUL-Patents in Anbetracht ihres Gegenstands
würde es erlauben, die Rechtsprechung zu stärken, die in Europa die
Patentierbarkeit von Software verbietet. Es handelt sich um ein
gewinnbringendes Szenario für die Innovation im Softwarebereich. Eine
Annullierung aus diesem Grunde würde in der Tat die Patente, die in Europa
von amerikanischen Firmen auf die Gesamtheit der grundlegenden
Verfahrensweisen des elektronischen Handels eingebracht wurden, sehr
unsicher machen. 

2. Eine Bestätigung des AFUL-Patents. Es handelt sich um ein
Katastrophenszenario, denn sie würde bestätigen, dass das europäische
Patentsystem bereits an das amerikanische System angepasst ist. Dieses
Szenario würde trotzdem dem AFUL eine Einkommensquelle bieten, um die
Entwicklung Freier Software zu finanzieren. 

3. Eine Annullierung des AFUL-Patents auf Grund von Formfehlern,
mangelnder Neuheit oder mangelnden Erfindungsgeists. Dieses Szenario würde
das AFUL dazu veranlassen, so lange ein neues, ähnliches Patent zu
beantragen bis ein Grundsatzurteil getroffen wurde. 

4. Eine Annullierung mit dem Argument einer "Störung der öffentlichen
Ordnung". Dieses Szenario ist abgesehen von außergewöhnlichen Umständen
sehr unwahrscheinlich.

Referenzen 

Die EuroLinux-Petition für ein Europa ohne Softwarepatente -
http://petition.eurolinux.org

Die EuroLinux-Akte über Softwarepatente -
http://petition.eurolinux.org/reference

Grundlegender Artikel von Gert Kolle über das Technizitätskonzept im
Abkommen von München http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html

Innovation und Wettbewerb in der Informationsgesellschaft fördern
http://www.pro-innovation.org/rapport_brevet/brevets_plan.pdf

Entscheidung des BPatG über das Konzept "Programmpaket"
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html).

Examination of Business Method Applications (EPO). Bedingungen der
Patentierbarkeit geistiger Methoden in Europa
http://www.european-patent-office.org/tws/appendix6.pdf

Suit Turns the Tables on Patent Critic
http://www.callaw.com/stories/edt1031b.shtml

In Verbindung mit dem AFUL - www.aful.org 

Das AFUL, französisch sprechende Vereinigung der Benutzer von Linux und
Freier Software, ist eine Assoziation nach dem Gesetz von 1901, deren
Hauptziel die Förderung freier Betriebssysteme vom Typ UNIX ist (wie Linux
und die BSD-Derivate) und offener Standards. Sie faßt Benutzer (Fachleute
oder Privatpersonen), Gesellschaften (Software-oder
Dokumentationsherausgeber Dienstleistungsbetriebe) und andere
Vereinigungen zusammen, die ähnliche Zielsetzungen verfolgen. Das AFUL ist
Mitglied der EuroLinux-Allianz.

Pressekontakte 

AFUL: http://www.aful.org/
Stéfane Fermigier, président. eMail: sf@fermigier.com. Tel.: +33 (0)6 63
04 12 77.
[ Fuer Deutschland:  Hartmut Pilch <phm@ffii.org>, Tel: 089-18979927 ]

Ständige Adresse dieser Mitteilung 

http://aful.org/presse/pr-35.html 

Rechtlicher Hinweis

Linux ist ein Warenzeichen von Linus Torvalds. Alle anderen Werksmarken
sind das Eigentum ihrer jeweiligen Eigentümer.

 

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