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Bundesgerichtshof setzt Spekulationsmarken Grenzen



(von http://www.jura.uni-sb.de/)

Das Markenrecht scheint sich nun an das Domain-Recht
anzugleichen. Jedenfalls liegt dieser Fall nahezu parallel zu den
Fällen der sogenannten Domain-Grabber. Allerdings sind mir die
Voraussetzungen, wann ein "Beratungskonzept" vorliegt, noch nicht
ganz klar. Dazu muss man den Volltext abwarten.

Gruss

Rigo
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Pressemitteilung des BGH, 1. Zivilsenat AZ I ZR 93/98 vom 23.
November 2000

DaimlerChrysler gewinnt Prozeß um E-Klasse
- Bundesgerichtshof setzt Spekulationsmarken Grenzen


Der u.a. für Markensachen zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes hatte sich erstmals mit der Frage zu befassen, unter
welchen Voraussetzungen Privatpersonen Rechte an von ihnen angemeldeten
Marken geltend machen können.

Der in Frankreich lebende Beklagte, der seinerzeit keinen
Geschäftsbetrieb unterhielt, meldete am 24. November 1992 in Frankreich
das Zeichen "Classe E" (u.a.) für Kraftfahrzeuge an, das auch
eingetragen wurde. Im November 1995 erfolgte auf Antrag des Beklagten
vom 19. April 1993 die internationale Registrierung der Marke für
Deutschland. Seit Mitte des Jahres 1993 verwendet die Klägerin in der
Werbung und in ihren Preislisten für die Fahrzeuge ihrer mittleren
Baureihe zusammenfassend die Bezeichnung "E-Klasse". Sie benennt daneben
andere Modellreihen u.a. mit den Bezeichnungen "C-Klasse" und
"S-Klasse", in letzterem Fall bereits seit mehr als 20 Jahren.

Im Juli 1993 trat der Beklagte an die Klägerin heran und wies auf die
für ihn in Frankreich registrierte Marke hin. Nach Verhandlungen zahlte
die Klägerin für eine ausschließliche Lizenz an der französischen Marke
150.000,-- DM und für die auch in der Schweiz registrierte Marke einen
Betrag von nahezu 50.000,-- DM. Zu einer Lizenzvereinbarung für
Deutschland kam es nicht. Die Klägerin wies die Forderungen des
Beklagten zurück und begehrt im vorliegenden Verfahren die Feststellung,
daß dem Beklagten aus der Marke "Classe E" keine Ansprüche gegen sie
zustehen. Sie hat sich u.a. darauf berufen, daß das Verhalten des
Beklagten rechtsmißbräuchlich sei; er lasse ohne eigenen
Geschäftsbetrieb eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche
Warenklassen schützen, um systematisch Gewerbetreibende als Geldquelle
auszunutzen.

Das Landgericht Frankfurt am Main und das Oberlandesgericht Frankfurt am
Main haben - wie von DaimlerChrysler begehrt - festgestellt, daß dem
Beklagten keine Ansprüche gegen die Klägerin zustehen. Die Revision ist
erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, daß das
Entstehen eines Markenrechts nach der neuen Rechtslage zwar nicht mehr
an einen Geschäftsbetrieb gebunden ist, so daß grundsätzlich auch
Werbeagenturen, Markendesigner und jede Privatperson Markenrechte
erwerben können. Die formale Rechtsstellung dürfe allerdings nicht
rechtsmißbräuchlich ausgenutzt werden. Dies gelte auch für Marken, die
zu Spekulationszwecken angemeldet werden.

Der Bundesgerichtshof hat die Auffassung des Berufungsgerichts
gebilligt, daß vorliegend jedenfalls die Ausübung des Markenrechts
gegenüber DaimlerChrysler rechtsmißbräuchlich ist und es daher
offenbleiben kann, ob bereits der Rechtserwerb zu beanstanden ist. Ein
rechtsmißbräuchliches Vorgehen könne in Betracht kommen, wenn ein
Markeninhaber (1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren
oder Dienstleistungen anmeldet, (2) hinsichtlich der in Rede stehenden
Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat - sei es zur Benutzung in
einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund
eines bestehenden oder potentiellen konkreten Beratungskonzepts - und
(3) die Marken im wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die
identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und
Schadensersatzansprüchen zu überziehen.

Das Berufungsgericht hatte hierzu festgestellt, daß diese
Voraussetzungen im Streitfall vorlagen: Der Beklagte habe die Marke
nicht ernsthaft in einem eigenen Geschäftsbetrieb nutzen oder sie der
Nutzung durch Dritte im Rahmen eines Beratungskonzeptes zuführen wollen;
er habe in erster Linie bezweckt, zumindest einen Teil seiner ca. 50
Marken in Bereitschaft zu halten und darauf zu warten, daß dritte
Unternehmen, wie von ihm erhofft und erspürt, die Benutzung identischer
oder ähnlicher Bezeichnungen aufnehmen, um diese dann mit Unterlassungs-
und Geldforderungen zu überziehen. Von diesen tatrichterlichen
Feststellungen hatte der Bundesgerichtshof angesichts der insoweit
beschränkten Nachprüfungsmöglichkeiten in der Revisionsinstanz
auszugehen.

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