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Re: EPA weitet Patentierbarkeit aus



On 2 Dec 2000, at 0:12, PILCH Hartmut wrote:

> > >    Im materiellen europäischen Patentrecht hat die Konferenz den
> > >    Schutzbereich europäischer Patent mit der ausdrücklichen
> > >    Einbeziehung sogenannter "Äquivalente" präzisiert und
> > >    verstärkt.
> > >
> > > Das ist höchst revolutionär und gefährlich.  Die
> > > Äquivalenz-Argumentation ist bereits heute eine Extravaganz des
> > > EPA, die es in Japan und den USA nicht gibt.
> >
> > Nein. Die "aequivalente Patentverletzung" ist ein ganz alter Hut:
> > Wer eine Off-Line-Bibliothek zur Hand hat, moege mal in einem
> > Patentrechtskommentar unter "Patentverletzung, aequivalente" oder so
> > nachschlagen. Selbstverstaendlich gibt es aehnliches auch im
> > Ausland.
>
> Ich war bei einigen Patentverfahren dabei, bei denen ein Basispatent
> mithilfe der Äquivalenzargumentation am EPA wesentlich weitreichendere
> Folgen hatte als das entsprechende US- und JP-Patent.  Insbesondere in
> JP werden Anspruchsbereiche enger interpretiert.  Was man auch in der
> trilateralen Studie
>
>  http://www.jpo-miti.go.jp/saikine/repo242.htm
>
> nachlesen kann.

Die Aequivalenz ist ein Begriff, der - zumindest was das EPÜ betrifft
- regelmaessig im _Verletzungsprozess_ vor den Verletzungsgerichten,
nicht im Erteilungsverfahren vor dem EPA geprueft wird. D.h., das EPA
hat insoweit ueberhaupt nicht ueber den Schutzumfang zu befinden. Die
Logik ist aber folgende: Laut Artikel 64 EPÜ hat ein EPÜ-Patent
grundsaetzlich dieselben Wirkungen wie ein nationales Patent und es
gilt insoweit nationales Recht. Das EPÜ macht den nationalen
Gerichten aber dennoch einige Vorgaben, die ggfs. entgegenstehende
Bestimmungen nationalen Rechtes uebersteuern: Z.B. Artikel 64 Absatz
2 EPÜ, worin klargestellt wird, dass bei einem Verfahrenspatent auch
das unmittelbare Verfahrenserzeugnis geschuetzt ist. Wenn nun eine
Bestimmung ueber Aequivalenz in das EPÜ aufgenommen wird, dient dies
dazu, den nationalen Verletzungsgerichten zwecks Harmonisierung
vorzugeben, dass sie Aequivalenz zu beruecksichtigen haben. Das, was
eigentlich mit dem "Basic Proposal" geleistet werden sollte, naemlich
eine verbindliche inhaltliche Definition dieses Begriffes, ist m.W.
aber gescheitert. Die Bestimmung ist aus dem Proposal hinausgekegelt
worden.

> > Was im EPÜ versucht worden war, ist eine "Harmonisierung" der
> > Auffassungen in den einzelnen EPÜ-Mitgliedslaendern, wie weit der
> > Schutzbereich eines Patentanspruches reichen soll. Im Basic Proposal
> > war deshalb auch ein Versuch einer Definition des
> > Aequivalenzbegriffes enthalten, der aber meines Wissens in der
> > Konferenz gekippt worden ist. Es bleibt daher m.W. bei einer blossen
> > Erwaehnung, dass auch der Aequivalenzbereich zum Schutzumfang eines
> > Patentanspruches gehoert.
>
> Ich konnte das bisher nicht näher untersuchen und stützte meinen
> Kommentar lediglich auf die Aussage von Grossenbacher, der von einer
> Stärkung des Schutzbereichs spricht.

Das muss man hinterfragen, s.o.

> Die Trägheit spricht dagegen.  Es wäre große Energie zur Überredung
> nötig. Ansonsten böte ein Austritt viel Nutzen und wenig Schaden.
> Gerade um ein weltweit harmonisiertes Patentwesen zu betreiben,
> braucht man im Informationszeitalter weder ein EPÜ noch ein riesiges
> Patentamt.  Das sind alles überholte Dinosaurier, die deshalb
> existieren, weil es den Politikern und der Öffentlichkeit egal ist.

Es gibt ja in einigen Laendern wie DE und AT ein ungeprueftes Patent,
das "Gebrauchsmuster". Trotzdem belegen die Anmeldezahlen, dass viele
Patentanmelder das gepruefte Patent trotz der wesentlich hoeheren
Kosten dem ungeprueften Registerrecht "Gebrauchsmuster" vorziehen. Zu
einem kleineren Teil liegt dies vielleicht an der kuerzeren Laufzeit
und an dem Fehlen eines Verfahrensschutzes; zu einem gewichtigen Teil
liegt die Ursache darin, dass die Wirtschaft das patentamtliche
Pruefungsverfahren als eine Moeglichkeit ansieht, ein amtliches
"Gutachten" ueber die voraussichtliche Schutzfaehigkeit des
Patentgegenstandes zu erhalten.

Die Rechtsordung honoriert die Anfertigung dieses Gutachtens bei
positivem Ergebnis (sprich "Patenterteilung") damit, dass die
Durchsetzung im Verletzungsfall einfacher ist, d.h. das
Verletzungsgericht geht erst mal bis zum Nachweis des Gegenteils im
Nichtigkeitsverfahren von der Rechtsbestaendigkeit des Patentes aus.

Jedem Professional (auch in den Firmen) ist klar, dass die
patentamtliche Pruefung stets nur vorlaeufigen Charakter haben kann.
Dies entschuldigt nicht Schlamperei bei der Recherche im Patentamt.
Aber es ist klar, dass der Patentpruefer z.B. keine Chance hat, davon
Kenntnis zu erlangen, dass eine Erfindung vor dem Anmeldetag schon
mal _ohne Verschwiegenheitsverpflichtung_ (NDA) einem prospektiven
Kunden gezeigt worden ist und somit im Rechtssinne bereits zum nicht
mehr patentfaehigen Stand der Technik gehoert hatte. Sowas laesst
sich haeufig nur mit Zeugen beweisen. Im Einspruchs- oder
Patentnichtigkeitsverfahren ist der passende Ort hierfuer.   In die
gleiche Richtung geht die nachtraegliche Selbstbeschraenkung durch
den Patentinhaber, die schon jetzt in den meisten EPÜ-Laendern auf
nationaler Ebene moeglich ist. Was mit der Revision bezweckt wird,
ist, dass eine derartige Selbstbeschraenkung kostenguenstiger
_zentral_ am EPA abgewickelt werden kann.

> > Im uebrigen duerfte es wohl im Jahr 2001 oder 2002 zu einer zweiten
> > Revisionskonferenz kommen, auf der u.a. die Art. 52-Frage und die
> > Neuheitsschonfrist zu verhackstuecken waeren.
>
> D.h. das jetzige Paket muss nie in Kraft treten und man wartet besser
> gleich auf das nächste?

Man muss sich sehr genau den "Final Act" dieser Konferenz incl.
Anlagen dazu ansehen. Daraus muesssten sich alle Facts ergeben, die
man zur Beantwortung dieser Frage braucht. Ich vermute, dass eine
Deadline vorgegeben ist, binnen der die EPÜ-Mitgliedsstaaten das
Ergebnis der diesjaehrigen Diplomatischen Konferenz ratifizieren
muessen, wenn sie nicht 'rausfliegen wollen - unabhaengig vom "Second
Basket".

--AHH