[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: EPA weitet Patentierbarkeit aus



> > Ich war bei einigen Patentverfahren dabei, bei denen ein Basispatent
> > mithilfe der Äquivalenzargumentation am EPA wesentlich weitreichendere
> > Folgen hatte als das entsprechende US- und JP-Patent.  Insbesondere in
> > JP werden Anspruchsbereiche enger interpretiert.  Was man auch in der
> > trilateralen Studie
> > 
> >  http://www.jpo-miti.go.jp/saikine/repo242.htm
> > 
> > nachlesen kann.
> 
> Die Aequivalenz ist ein Begriff, der - zumindest was das EPÜ betrifft 
> - regelmaessig im _Verletzungsprozess_ vor den Verletzungsgerichten, 
> nicht im Erteilungsverfahren vor dem EPA geprueft wird. D.h., das EPA 
> hat insoweit ueberhaupt nicht ueber den Schutzumfang zu befinden. 
> Die Logik ist aber folgende: Laut Artikel 64 EPÜ hat ein EPÜ-Patent
> grundsaetzlich dieselben Wirkungen wie ein nationales Patent und es
> gilt insoweit nationales Recht. Das EPÜ macht den nationalen Gerichten
> aber dennoch einige Vorgaben, die ggfs. entgegenstehende Bestimmungen
> nationalen Rechtes uebersteuern: Z.B. Artikel 64 Absatz 2 EPÜ, worin
> klargestellt wird, dass bei einem Verfahrenspatent auch das
> unmittelbare Verfahrenserzeugnis geschuetzt ist. 

Was ist alles unter "unmittelbares Verfahrenserzeugnis" zu verstehen?

1 Verfahrenserzeugnis im wörtlichen Sinne (z.B. Medikament)
2 verkäufliche Verkörperung des Verfahrens, d.h. z.B.
  Erzeugungsapparat oder Computerprogramm auf Diskette

> Wenn nun eine
> Bestimmung ueber Aequivalenz in das EPÜ aufgenommen wird, dient dies
> dazu, den nationalen Verletzungsgerichten zwecks Harmonisierung
> vorzugeben, dass sie Aequivalenz zu beruecksichtigen haben. Das, was
> eigentlich mit dem "Basic Proposal" geleistet werden sollte, naemlich
> eine verbindliche inhaltliche Definition dieses Begriffes, ist m.W.  
> aber gescheitert. Die Bestimmung ist aus dem Proposal hinausgekegelt
> worden.

Damit wären meine schlimmsten Befürchtungen entkräftet.  Beunruhigend ist
noch immer, das über die Äquivalenzargumentation auch nicht-patentierbare
Gegenstände patentiert werden können, zumal mit dem Wörtchen "als solche"
schon die nötiger Konfusion erzeugt wurde.

NB: Basic Proposal = Basisvorschlag (offizieller Name, Original: DE EN)
 
> > > Was im EPÜ versucht worden war, ist eine "Harmonisierung" der
> > > Auffassungen in den einzelnen EPÜ-Mitgliedslaendern, wie weit der
> > > Schutzbereich eines Patentanspruches reichen soll. Im Basic Proposal
> > > war deshalb auch ein Versuch einer Definition des
> > > Aequivalenzbegriffes enthalten, der aber meines Wissens in der
> > > Konferenz gekippt worden ist. Es bleibt daher m.W. bei einer blossen
> > > Erwaehnung, dass auch der Aequivalenzbereich zum Schutzumfang eines
> > > Patentanspruches gehoert.
> > 
> > Ich konnte das bisher nicht näher untersuchen und stützte meinen
> > Kommentar lediglich auf die Aussage von Grossenbacher, der von einer
> > Stärkung des Schutzbereichs spricht. 
> 
> Das muss man hinterfragen, s.o.
> 
> > Die Trägheit spricht dagegen.  Es wäre große Energie zur Überredung
> > nötig. Ansonsten böte ein Austritt viel Nutzen und wenig Schaden.
> > Gerade um ein weltweit harmonisiertes Patentwesen zu betreiben,
> > braucht man im Informationszeitalter weder ein EPÜ noch ein riesiges
> > Patentamt.  Das sind alles überholte Dinosaurier, die deshalb
> > existieren, weil es den Politikern und der Öffentlichkeit egal ist.
 
> Es gibt ja in einigen Laendern wie DE und AT ein ungeprueftes Patent,
> das "Gebrauchsmuster". Trotzdem belegen die Anmeldezahlen, dass viele
> Patentanmelder das gepruefte Patent trotz der wesentlich hoeheren
> Kosten dem ungeprueften Registerrecht "Gebrauchsmuster" vorziehen.  
> Zu einem kleineren Teil liegt dies vielleicht an der kuerzeren
> Laufzeit und an dem Fehlen eines Verfahrensschutzes; zu einem
> gewichtigen Teil liegt die Ursache darin, dass die Wirtschaft das
> patentamtliche Pruefungsverfahren als eine Moeglichkeit ansieht, ein
> amtliches "Gutachten" ueber die voraussichtliche Schutzfaehigkeit des
> Patentgegenstandes zu erhalten.

Es wäre durchaus möglich, ein solches amtliches Gutachten optional
anzubieten.  D.h. 

- Anmeldung, Patent wird sofort gültig, Jahresgebühren entfallen
- erleichterte Nichtigkeitsklage, Prämie von 10000 DEM für den
  Kläger im Erfolgsfall zu zahlen (Entschädigung für Umweltverschmutzung
  mit ungültigen Patentansprüchen + Belohnung des Invalidierers für
  seinen Dienst an der Öffentlichkeit)
- amtliche Prüfung auf Antrag möglich, führt dann zur Stärkung des 
  Patentinhabers im Falle einer Nichtigkeitsklage.  
- Die amtliche Prüfung kann auch durch zertifizierte Gesellschaften
  im In- und Ausland durchgeführt werden. 

Ein großer Vorteil eines solchen Systems liegt darin, dass es sich leicht
internationalisieren lässt.  Man kann alle Patente gleich behandeln.  Erst
beim Prüfungssystem kommen die nationalen Unterschiede ins Spiel.

In Frankreich gibt es bekanntlich Patente ohne Prüfung. Nicht wenige Leute
haben in den letzten Jahren auch ihre ursprünglich skeptische Haltung zu
diesem System geändert und finden es nun fortschrittlich.  Vor allem
deshalb, weil das amtliche Prüfungssystem in vieler Hinsicht seinem
Anspruch nicht gerecht wird.
  
> Die Rechtsordung honoriert die Anfertigung dieses Gutachtens bei 
> positivem Ergebnis (sprich "Patenterteilung") damit, dass die 
> Durchsetzung im Verletzungsfall einfacher ist, d.h. das 
> Verletzungsgericht geht erst mal bis zum Nachweis des Gegenteils im 
> Nichtigkeitsverfahren von der Rechtsbestaendigkeit des Patentes aus.
> 
> Jedem Professional (auch in den Firmen) ist klar, dass die 
> patentamtliche Pruefung stets nur vorlaeufigen Charakter haben kann. 
> Dies entschuldigt nicht Schlamperei bei der Recherche im Patentamt. 
> Aber es ist klar, dass der Patentpruefer z.B. keine Chance hat, davon 
> Kenntnis zu erlangen, dass eine Erfindung vor dem Anmeldetag schon 
> mal _ohne Verschwiegenheitsverpflichtung_ (NDA) einem prospektiven 
> Kunden gezeigt worden ist und somit im Rechtssinne bereits zum nicht 
> mehr patentfaehigen Stand der Technik gehoert hatte. Sowas laesst 
> sich haeufig nur mit Zeugen beweisen. Im Einspruchs- oder 
> Patentnichtigkeitsverfahren ist der passende Ort hierfuer.   In die 
> gleiche Richtung geht die nachtraegliche Selbstbeschraenkung durch 
> den Patentinhaber, die schon jetzt in den meisten EPÜ-Laendern auf 
> nationaler Ebene moeglich ist. Was mit der Revision bezweckt wird, 
> ist, dass eine derartige Selbstbeschraenkung kostenguenstiger 
> _zentral_ am EPA abgewickelt werden kann.

Ich hatte diese Reform nicht kritisiert.  Sie zeigt allerdings, ähnlich
wie die Diskussion um Neuheitsschonfristen, eine Tendenz zur Aufweichung
rigider Disziplinen, die Probleme löst und andere Probleme schafft.
 
> > > Im uebrigen duerfte es wohl im Jahr 2001 oder 2002 zu einer zweiten
> > > Revisionskonferenz kommen, auf der u.a. die Art. 52-Frage und die
> > > Neuheitsschonfrist zu verhackstuecken waeren.
> > 
> > D.h. das jetzige Paket muss nie in Kraft treten und man wartet besser
> > gleich auf das nächste?
> 
> Man muss sich sehr genau den "Final Act" dieser Konferenz incl. 
> Anlagen dazu ansehen. Daraus muesssten sich alle Facts ergeben, die 
> man zur Beantwortung dieser Frage braucht. Ich vermute, dass eine 
> Deadline vorgegeben ist, binnen der die EPÜ-Mitgliedsstaaten das 
> Ergebnis der diesjaehrigen Diplomatischen Konferenz ratifizieren 
> muessen, wenn sie nicht 'rausfliegen wollen - unabhaengig vom "Second 
> Basket".

Vor kurzem hieß es, das neue EPÜ werde bis 2000-07-01 in Kraft treten.
Grossenbacher sprach in seiner Abschlussrede nun aber von 4 Jahren.
Ich warte also gespannt auf die Schlussakte.

-phm