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Re: SWPAT Luegenmaerchen



On 2 Dec 2000, at 16:06, PILCH Hartmut wrote:

> > Die Schose mit den "illegal bestzten Anspruechen" ist ein vom FFII
> > ausgebruetetes Maerchen, das sich allmaehlich auch in den Medien
> > breitmacht.
>
> Die Formulierung stammt nicht vom FFII.
> Die Sache haben wir hier mehrfach diskutiert, und AHH hat die
> Diskussion verloren.

Klar, wenn der FFII der Schiedsrichter waere.

> Es sind Ansprüche auf "Computerprogramm, welches ..." erteilt worden.

In meiner in GRUR 01/2001 oder 02/2001 erscheinenden
Aufsatzveroeffentlichung begruende ich meine These, dass diese
Ansprueche inhaltlich ohnehin nur so sinnvoll ausgelegt werden
koennen: Etwa wie folgt : "Vorrichtung aus Computerprogramm plus
zugehoerigem Prozessor, mit folgenden Eigenschaften [...]"

Eine Patentverletzung durch ein gedanklich vom Prozessor losgeloestes
Datenverarbeitungsprogramm als linguistisches Konstrukt ist vom
Patentverletzungsrecht her nicht denkbar, egal was im erteilten
Patentanspruch steht.  Man muss immer den Prozessor mitdenken, egal
wie der Wortlaut des Anspruches lautet, denn andernfalls laesst sich
die patentrechtlich allein relevante Programmfunktionalitaet nicht
aus dem linguistischen Konstrukt ableiten. Deshalb sollten derartige
Ansprueche m.E. wegen Unklarheit als nicht zulaessig angesehen werden.

> Abgesehen davon ist das nicht nur eine Frage der
> Anspruchsformulierung. Es gibt ca nx10000 Patente auf Probleme, deren
> Lösung im Verfassen eines programmiersprachlichen Textstücks besteht.

Das sind eben die computer-implementierbaren Erfindungen. Die Loesung
liegt - patentrechtlich - im beanspruchten Algorithmus, die
verletzungsrelevante Implementation liegt - bei den
computerimplementierten Erfindungen - im linguistischen Konstrukt des
Codes.

> > Selbst die ominoesen IBM-Ansprueche "Computerprogrammprodukt"
> > beschreiben einen in einem technischen Zusammenhang stehenden
> > _Algorithmus_, also eine Abstraktion ueber einer Klasse in gleicher
> > Weise wirkender Programme, dessen Funktionalitaet sich nur
> > erschliesst, wenn ein Programm auf einer CPU _ablaeuft_.
>
> Eben, eine Klasse von Computerprogrammen.
> Jeder Patentanspruch bezieht sich auf eine Klasse von Gegenständen.

Nein, nicht eine "Klasse von Computerprogrammen", sondern eine
_Abstraktion_ ueber einer Klasse von Computerprogrammen. Das ist was
voellig anderes. Die Abstraktion haengt mit der heutigen
Verwissenschaftlichung des Erfindungsprozesses zusammen, vgl.

  http://www.jurpc.de/aufsatz/20000223.htm

> > Dass die Wortwahl des EPÜ ist aus heutiger Sicht als voellig
> > verunglueckt angesehen werden muss, ist unstrittig.
>
> Die Wortwahl des EPÜ drückt genau das aus, was man in den 70er Jahren
> wollte und was wir heute wollen.

Ich weiss nicht, was man in den 70er Jahren wollte. Ich weiss nur,
dass damals die EDV ordentlich weggesperrt war in Rechenzentren und
Rechnerraeume und dass die Ubiquitaet mikroprozessorbasierter
Technik, wie wir sie heute kennen, damals nicht antizipiert wurde.
(Wenn ich mal Zeit habe, werde ich die Dokumente der Diplomatischen
Konferenz anno 1973 mal recherchieren und daraufhin durchlesen.)

> Für Firmen wie IBM und andere, die zusammen mit dem EPA und den
> BGH-Richtern die Regeländerung herbeigeführt haben, ist die Art der
> Durchsetzung klar: konkurrierende Computerprogramme sollen vom Markt
> und aus dem Netz verschwinden.  Diese Art der Durchsetzung stellt m.W.
> niemand in Frage.

Das wuesste ich gerne mal, wozu IBM als OSS-Supporter diesen Ehrgeiz
an den Tag legt... Aber: Nennenswerte Patentprozesse gegen Software
als Handelsobjekt hat es m.W. in DE noch nicht gegeben ...

> > Das reale Problem fuer Softwerker besteht heute
> > nicht darin, dass irgendwo Software patentiert worden ist, sondern
> > darin, dass sie im Vollzuge ihrer taeglichen Codierarbeit implizit
> > Gegenstaende schaffen, die Funktionalitaeten aufweisen, die mit
> > Patentrechten Dritter kollidieren koennen. Diese Sache hat nun
> > rechtssystematisch mit Artikel 52 nichts, absolut gar nichts zu tun.
> >
> >
> > Wenn beispielsweise in einem Anspruchswortlaut ein "Tiefpassfilter"
> > auftaucht, kann damit eine Anordnung mit Kondensatoren,
> > Induktivitaeten und/oder Widerständen gemeint sein. Es _kann_ aber
> > auch ein Signalprozessor gemeint sein, der so programmiert ist, dass
> > er ein Tiefpassfilter nachbildet.
> >
> > Ein Elektronik-Patent, in dessen Patentanspruechen irgendwo ein
> > "Tiefpassfilter" auftaucht, waere somit bereits ein
> > "Softwarepatent".
> >
> > Keine ueberhaupt denkbare Aenderung an Artikel 52 kann diese
> > Moeglichkeit ausschliesen, es sei denn, man verbietet "computer-
> > implementierbare" Gegenstaende schlechthin und bannt funktionale
> > Merkmalsformulierungen in Patentanspruechen. Dies wuerde einen
> > weitgehenden Ausschluss aller High-Tech Erfindungen aus dem
> > Patentbereich zur Folge haben. Was bliebe, waeren Chemie incl.
> > Biotech und "oelverschmierte" Mechanik-Patente.
>
> Warum auch nicht?
> Wenn unter "High Tech" all das zu verstehen ist, was auf dem
> geschickten Rechnen mit bekannten Naturkräfte-Modellen beruht, sollte
> das Patentwesen vielleicht besser draußen bleiben.  Das ist nämlich
> Software und Mathematik, so sehr man auch Metaphern wie "High Tech"
> verwenden möchte.
>
> Es würden zumindest "computer-implementierte" Gegenstände wie z.B.
> eine neue Art, Magnetkräfte zum Lesen von Datenträgern zu nutzen
> übrigbleiben.

Das ist kein Beispiel fuer eine "computer-implementierte" Erfindung.
Eine durch einen Mikroprozessor o.a. plus Software realisierte
Erfindung, nicht ein Hardware-Bestandteil eines solchen oder seiner
Perpherie .

> Außerdem wäre es durchaus möglich, Computerprogramme draußen zu halten
> und etwa in Hardware gegossene Formen der selben Prozesse zu erlauben.
> Dann hätten wir zwar einen aufgeweichten Technikbegriff, aber der
> Disclaimer 52.2c würde seine Funktion weiterhin erfüllen.

Naja, darueber kann man diskutieren, aber das waere eben _kein_
Disclaimer fuer Artikel 52 EPÜ, sondern fuer solche Paragraphen im
nationalen Patentrecht, die die _Patentverletzung_ regeln - darueber
steht im EPÜ naemlich (fast) nichts substantielles.

Nochmal: Das Patentrecht umfasst u.a. drei Gruppen von Bestimmungen:

a) Bestimmungen ueber die Erteilung von Patenten;
b) Bestimmungen ueber die Wirkung/Durchsetzung von Patenten
   (Patentverletzung), und
c) Bestimmungen ueber die Unterrichtung der Oeffentlichkeit
   (Offenlegung von Patentanmeldungen, Ausgabe von Patentschriften,
    Patentdatenbanken usw. usf.).

Ein Disclaimer betreffend die Rolle von Software bei dem
Zustandekommen patentverletzender Gegenstaende gehoert zur Gruppe b.

Die Diskussion ueber Art. 52 gehoert ausschliesslich zu a).

Ein Disclaimer in Art. 52 EPÜ kann niemals dazu fuehren, dass ein
irgendetwas als nicht patentverletzend angesehen wird. Das ist
einfach Gesetzessystematik.

> > Die Open-Source-Community im allgemeinen und der FFII im
besonderen
> > spricht aber nicht fuer die Gesamtheit derjenigen Wirtschafszweige,
> > die "computer-implementierbare" Erfindungen hervorbringen. Wie sich
> > an den steigenden Anmeldezahlen ablesen laesst, scheint das
> > derzeitige Patentwesen insbesondere in denjenigen
> > Wirtschaftsbereichen, in denen programmiert wird, wo aber Software
> > nicht als eigenstaendiges Handelsgut in Erscheinung tritt, auf
> > grosse Akzeptanz zu stossen. Beispiel: Mobilfunk-Industrie (GSM,
> > UTMS etc. pp).
>
> Da bin ich mir nicht sicher.
> Ich habe mit einigen Leuten aus dem Telekommunikationsbereich,
> inklusive Projektleitern von Siemens, Dokomo und anderen Großfirmen
> gesprochen, die Patente in ihrem Bereich vor allem als einen Klotz am
> Bein wahrnahmen.

Wenn man die Ingenieure und die SW-Entwickler fragt, kann das im
Einzelfall vielleicht sogar stimmen. Da aber nach deutschem
Arbeitnehmererfindergesetz Extragratifikationen fuer jede patentierte
Arbeitnehmererfindung winken, sind viele Arbeitnehmererfinder
ziemlich hinterher, dass das Unternehmen auch tatsaechlich anmeldet.
Aber auf diese Unternehmensebene kommt es de facto bei der Definition
einer unternehmensweiten Patentstrategie in der Regel nicht an.
Entscheidend sind diejenigen Management-Etagen, die die
unternehmerische Gesamtverantwortung tragen. Und das sind - schon
wegen der ziemlichen Kosten des Patentbereiches - garantiert keine
Marionetten der Patentabteilung. Die machen das nur solange sie sich
irgendeinen oekonomischen Nutzen davon versprechen.

--AHH