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Belege für die Gesetzeswidrigkeit der neuen Patentrechtsprechung
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- Subject: Belege für die Gesetzeswidrigkeit der neuen Patentrechtsprechung
- From: PILCH Hartmut <phm@ffii.org>
- Date: Wed, 20 Dec 2000 12:46:57 +0100 (CET)
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Europäische Patentjurisprudenz auf Schlitterkurs
Bisher sind Computerprogramme nicht patentierbar, was nicht
ausschließt, dass eine patentfähige Erfindung durch Software gesteuert
werden kann. Das Europäische Patentamt und einige nationale Gerichte
haben diese zunächst klare Regel jedoch immer weiter aufgeweicht.
Bisher sind Computerprograme nicht patentierbar, was nicht
ausschließt, dass eine patentfähiges technisches Verfahren auch
programmgesteuert ablaufen kann. Dieses Verfahren muss jedoch auf
neuen Erkenntnissen über kausale Wirkungszusammenhänge von
Naturkräften beruhen und eine Lösung eines industriellen Problems
darstellen. Der Bereich der reinen Vernunft, d.h. des Rechnens,
Abstrahierens und Programmierens, soll nach dem Willen des
Gesetzgebers von Patentansprüchen frei bleiben. In seinem wegweisenden
Urteil "Dispositionsprogramm" von 1976 stellt der Bundesgerichtshof
fest, dass eine Ausdehnung des Patentwesens in diesen Bereich
grundlegende Freiheitsrechte bedrohen würde und gleichzeitig dem
Fortschritt der Technik nicht förderlich wäre. Neuere Erkenntnisse der
Wirtschafts- und Informationswissenschaften bestärken diese weise und
klare Grenzziehung des Gesetzgebers und ihre systematische Auslegung
durch die höchstrichterlichen Grundsatzentscheidungen seit 1976, die
letztlich in den heute noch gültigen Prüfungsrichtlinien und
Gesetzeskommentaren ihren Niederschlag fanden und im August 2000 noch
einmal eindrücklich [34]vom Bundespatentgericht bestätigt wurden.
Gleichzeitig gibt es seit den 70er Jahren eine zunehmend
einflussreiche Gruppe von Patentjuristen, die eine grundsätzliche
Beschränkung des Patentwesens auf die "Welt der Dinge" nicht hinnehmen
und es stattdessen über die Mikroelektronik in die bloße
Informationsverarbeitung und damit letztlich in alle wirtschaftlich
interessanten Bereiche des Lebens ausdehnen möchten. Diese Gruppe hat
sich im Europäischen Patentamt (EPA) und einem Teil der nationalen
Gerichte durchgesetzt und nach und nach Wege gefunden, um
gesetzeswidrig Patente auf "Computerprogrammprodukte",
Computerprogramme, Geschäftsverfahren, Organisationsverfahren und
immaterielle Gegenstände aller Art zu gewähren.
Da die auf dieser Grundlage gewährten Patente von ungewissem Wert sind
und regelmäßig von gesetzestreuen Gerichten zurückgewiesen werden,
drängen die tonangebenden Patentjuristen derzeit darauf, die Gesetze
umzuschreiben. Auf die verheerenden wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Folgen der Softwarepatentierung, vor denen [35]über
60000 Unterzeichner und 200 IT-Firmen eindringlich warnen, können sie
dabei keine Rücksicht nehmen. Die Frage der volkswirtschaftlichen
Auswirkungen spielte bisher keine Rolle. Aber selbst in
rechtssystematischer Hinsicht begeben sich das EPA und seine Freunde
auf Glatteis. Ehemals klaren Grenzziehungen steht heute nur noch ein
"dynamischer Technikbegriff" gegenüber, dessen Konturen umso mehr
verschwimmen, je näher man sich mit dem EPA-Fallrecht beschäftigt.
Weitere Ausweitungen in beliebige Richtungen sind vorprogrammiert. Als
einziges verlässliches Abgrenzungskriterium verbleibt letztlich das
Interesse des EPA und seiner Großkunden. Wie ein EPA-Patentprüfer in
einem Netzforum sinngemäß kommentierte: "Bei Patenten geht es um Geld.
Wo es kommerzielle Interessen gibt, wird es auch Patente geben
müssen". Aber während die Münze im Kasten klingt, verliert das
Patentwesen seine Legitimität, die ihm bei sauberer Eingrenzung auf
die Kernkompetenzen noch lange hätte erhalten bleiben können.
Weitere Lektüre
* [36]Thomas Winischhofers Seite über Patente und [37]Juristische
Dissertation von Thomas Winischhofer: Computersoftware und
Patentrecht
"Das EPA selbst hat bisher keinerlei Systematik entwickelt. Selbst
die ausführlich diskutierte Entscheidung
"Computerprogrammprodukt/IBM" greift auf verschiedene Einzelfälle
zurück. Die Judikatur des EPA erscheint sohin von Kasuistik
geprägt, eine Definition des erforderlichen "technischen Effektes"
bleibt selbst die zuletzt genannte Entscheidung schuldig - dies
obwohl das EPA, wie bereits erwähnt, gedenkt seine Rechtsprechung
künftig an dieser Entscheidung auszurichten."
* [38]Gert Kolle: Technik, Datenverarbeitung und Patentrecht --
Bermerkungen zur Dispositionsprogramm - Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (Gert Kolle, heute Bürokrat im Europäischen
Patentamt, war in den 70er Jahren der maßgebliche
Rechtstheoretiker in der Frage der Patentierbarkeit
Computerprogrammen. Er agierte als Berichterstatter der deutschen
Delegation bei verschiedenen Patentgesetzgebungskonferenzen der
70er Jahre und bemühte sich stets um einen unparteiischen
wissenschaftlichen Standpunkt und distanzierte sich von jeglicher
"ideologischer Versteinerung", mit der die beiden Fronten schon
damals aufeinanderprallten. Im vorliegenden GRUR-Artikel von 1977
erklärt er, warum Computerprogramme nicht als "technisch" im Sinne
des Patentrechts gelten können und warum eine "naiv oder bewusst"
herbeigeführte "Lockerung des Technikbegriffs" zu unerhörten
Sperrwirkungen und unverantwortbaren Machtanhäufungen führen
würde. Laut Kolle muss es daher ein "Niemandsland des Geistigen
Eigentums" geben, und Algorithmen sollten "vergesellschaftet"
werden. Ein wegen seiner Tiefe und Klarheit sehr empfehlenswerter
Artikel, der nach 20 Jahren kaum etwas von seiner Aktualität
verloren hat.)
* [39]Dr. Swen Kiesewetter-Köbinger: Über die Patentprüfung von
Programmen für Datenverarbeitungsanlagen (Ein Prüfer am Deutschen
Patentamt nimmt die Ungesetzlichkeiten und Ungereimtheiten der
aktuellen Softwarepatentierungspraxis unter die Lupe -- brilliante
und profunde Analyse vom November 2000. Wir haben auch eine
[40]englische Übersetzung angefertigt.)
* [41]Lamy Droit Informatique (Standardnachschlagewerk des
Computerrechts. Erklärt, wie das EPA schrittweise das Recht
verbogen hat und von welch ungewisser Gültigkeit die auf diese
Weise erteilten Softwarepatente sind.)
* [42] Vorschlag für Europäische Richtlinie (Es bedürfte nur weniger Worte, um
begriffsstutzigen Patentgerichten zu erklären, wie Art 52 EPÜ / §1
PatG zu verstehen ist. Dieser Eurolinux-Entwurf einer
EU-Richtlinie hat bequem in einer DIN-A4-Seite Platz. Die
Vertreter des [43]Europäischen Patentkonzerns hingegen reden in
langen Traktaten von "Klärung" und "Harmonisierung" und erzeugen
dabei umso mehr Konfusion und dehnbare Rechtsbegriffe, je mehr sie
schreiben.)
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Verweise
34. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html
35. http://petition.eurolinux.org/index.de.html
36. http://www.webit.com/tw/patent.shtml
37. http://swpat.ffii.org/vreji/prina/drtw.pdf
38. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html
39. http://swpat.ffii.org/vreji/prina/patpruef.pdf
40. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/patpruef/indexen.html
41. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/lamy98fr.html
42. http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/indexde.html
43. http://swpat.ffii.org/stidi/komplex/indexde.html