[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Telepolis über Lutterbeck-Gutachten und FFII



"Axel H Horns" <horns@ipjur.com> writes:

> > Ich streite die Existenz dieses Ambivalenzbereiches ab.  
> 
> Aeh... Wiebitte? Nunja, das Gutachten zitiert einen Patentanspruch,
> der dieser Kategorie zugehoerig ist und insbesondere dessen schiere
> Existenz verdeutlicht:

> Als Beispiel für ein Patent im Ambivalenzbereich sei hier der
> unabhängige Patentanspruch 1 des Europäischen Patentes 0 482 154 B1
> wiedergegeben, dessen Erteilung am 30.06.1993 bekanntgemacht worden
> war:

Der beschriebene Algorithmus ist unter dem Namen IDEA bekannt.

> Was gibt es hier noch an der _Existenz_ des Ambivalenzbereiches zu
> zweifeln?

Jeder hinreichend kompakt beschriebene Algorithmus läßt sich
heutzutage in Hardware abbilden. Was soll uns dieses Beispiel also
sagen?

Die Existenz des Ambivalenzbereiches hängt natürlich davon ab,
wie man diesen definiert, was man also unter 'Softwarepatenten'
versteht. Im Gutachten wird m.W. der Ambivalenzbereich dadurch
gekennzeichnet, daß er die patentierten Verfahren enthält, die sowohl
Implementationen in Hardware als auch in Software gestatten. Somit
enthält der Ambivalenzbereich insbesondere alle jene patentierten
Algorithmen, die sich in Hard- und Software abbilden lassen. Im
Prinzip sind das heutzutage alle Algorithmen, auch wenn man manche
Cache-Konstruktionen nicht in Software und manche Verfahren zur
Optimierung von Datenbankabfragen nicht in Hardware abbilden wird (in
letzterem Fall gibt es natürlich, neben der Sinnhaftigkeit, auch noch
Grenzen, die durch Dinge wie die beschränkte Transistorenzahl pro
Chip verursacht werden, und welche die Realisierung in Hardware im
Einzelfall verhindern mögen).

Wenn man allerdings derartige Algorithmenpatente daraufhin untersucht,
inwieweit sie eine (im engeren Sinne) technische Erfindungen
beschreiben (was mir Hartmuts Ansatz zu sein scheint), wird man
feststellen, daß die beschriebenen Verfahren in der Mehrzahl
so abstrakt sind, daß man sie auch mit Papier und Bleistift
(oder auf einem programmierbaren Taschenrechner, einem modernen
Mehrzweck-Rechner, als Gatterliste in einem IC-Simulator oder
ganz mittels eines Silizium-Gatterparks und ein paar Elektronen)
nachvollziehen kann. Falls man derartige Patente auf derartige
abstrakten Abläufe gutheißt, bekommt man relativ rasch ein ganz neues
Abgrenzungsproblem, da hier das Kriterium der Technizität ziemlich
klar nicht erfüllt ist -- und es gibt genügend nichttechnische
Erfindungen, bei denen die Belohnung durch ein Patent ähnlich sinnvoll
ist wie bei den technischen Erfindungen.

Meines Erachtens ist es sowieso nicht besonders ergiebig, die
Patentierung von (in welcher Form auch immer) ambivalenten Verfahren
auszuschließen. Gerade diese ständige Diskussion und die bisherigen
Erfahrungen zeigen doch, daß überhaupt nicht klar ist, ob sich eine
Regelung finden läßt, die auch die juristische Praxis übersteht. Da
das Problem nicht die Existenz von Softwarepatenten ist, sondern
die Verletzung von Patenten durch Software (die für Anwender und
Entwickler unabsehbare Folgen haben kann), könnte man einfach
festlegen, daß bloße Computerprogramme für Datenverarbeitungsanlagen
*in keinem Fall* zur Verletzung von Patenten führen. Daß so etwas
machbar ist, wird ja auch im erwähnten Gutachten angenommen, auch wenn
der dort empfohlene Ausschluß bei der Distribution freier Software
natürlich nur sehr begrenzt zweckmäßig ist.