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Re: Industrie vs. Menschen



On Mon, Feb 05, 2001 at 01:11:29PM +0100, Neko (Simone Demmel) wrote:
> Alvar Freude (alvar.freude@merz-akademie.de) - Sun, Feb 04, 2001 at 10:20:45PM +0100:
[...]
> > Dummerweise hat das die Gesetzgebung noch nicht so ganz realisiert, vgl.
> > der Chat mit Frau Bundesministerin Herta Däubler-Gmelin.
> > Ist ja auch nicht so einfach, wenn man permanent von den
> > Industrie-Lobbyisten berieselt wird.
> 
> Das Hauptprobem sehe ich darin, dass diese ganzen Minister oft nur
> nachreden koennen, was ihnen irgendwelche vermeintlichen Spezialisten
> von hinten einfluestern. 

Da ist aber doch das grundsaetzliche Problem: Wer oder was ist denn 
eigentlich "der Spezialist"? Jemand von der fachlichen Basis, der jede
Option irgendeines Cisco-Routers runterbeten kann, oder ein Informatiker,
der Dir das zugehoerige Petrinetz erklaert, oder wer? Wir sehen doch das
Problem schon bei populaeren Fragestellungen wie HIV oder BSE (um mal
Beispiele ausserhalb der Computerei zu nehmen): man kann fuer jede
abstruse Theorie einen Spezialisten finden, der sie befuerwortet. Das
entspricht durchaus dem wissenschaftlichen Pluralismus, der sich dann
einstellt, wenn eine Fragestellung nicht binaer schwarz/weiss beantwortet
werden kann (und das ist in den seltensten Faellen der Fall). Man kann
den Politberatern schlimmstenfalls noch Politgemauschel unterstellen,
welches ein systemimmanentes Selektionskriterium fuer Leute in solchen
Positionen ist; gerade deshalb findet man dort gerade nicht die Techniker,
die "eigentlich doch den Ueberblick haben", sondern eben nur "irgendwelche
vermeintliche Spezialisten". Das Problem ist: sie "sind" Spezialisten,
leider nicht solche, die "wir Spezialisten" als solche bezeichnen wuerden.
Und nun haben wir das Aergernis, dass diese eben eine Wahrheit propagieren,
nur leider nicht "unsere Wahrheit". Der Konflikt ist unafloesbar.

> Ich glaube zwar, dass auch ein Kanzler inzwischen mal im Web gesurft 
> ist und leidlich mit seinem Webbrowser klar kommt. Aber zu den 
> Strukturen dainter ist er sicher noch nicht durchgedrungen. 

Ist auch nicht sein Job. Frage ist freilich: was ist denn dann sein Job?

> Und dann wollen alle moeglichen Leute eine Aussage von
> ihm dazu und schlagen auf ihn ein, wenn die Antwort nicht gefaellt - der
> Mann *kann* gar keine eigene kompetente Antwort liefern, der merkt nicht
> mal, wenn seine Berater Kaese erzaehlen :-( (Das gilt uebrigens fuer
> alle Politiker - meine Meinung) 

Du wuerdest als beratende Spezialistin ebenso Kaese erzaehlen - in den
Augen von irgendjemand anderem. Zu denken, dass dies nicht so waere, hiesse,
dass Du die Wahrheit gepachtet haettest. Jedes Ding hat zwei Seiten -
gilt leider nur fuer Muenzen und Medaillen - real gibt es beliebig viele
Aspekte.

> Ich kann ihm nicht mal einen Vorwurf dazu machen, weil wenn er sagt: 
> Sorry, dazu kann ich nichts sagen, schreien auf einmal die 70% Buerger 
> auf, die mit Internet nichts zu tun haben (wollen) aber irgendwo 
> glauben, alles, was mal studiert hat ist allmaechtig und weiss alles.

Genau da muss die Ausbildung der Bevoelkerung beginnen - nicht jeden
Scheiss zu glauben, den irgendein Spezialist erzaehlt, sondern sich
selbst ein Bild zu machen. Die Tuecke daran ist (vom Zeitaufwand dafuer
abgesehen), dass eine Gesellschaft dann den Bach runtergeht - sie blockiert
sich selbst in unloesbaren Entscheidungskonflikten.

Holger

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