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Neuheitsschonfrist



> >Es ist schon merkwuerdig, wie sich das BMBF von dem Credo der
> >Patentbewegung "Je mehr Patente desto besser" vereinnahmen laesst und
> >jegliches Problembewusstsein ueber die langfristigen Vor- und Nachteile
> >dieser Politik vermissen laesst.  Auch die Forderung des BMBF nach
> >Wiedereinfuehrung einer Neuheitsschonfrist scheint auf dieser
> >ueberkommenen Patentseligkeit zu beruhen.

> Die Neuheitsschonfrist ist ein Schutzmechanismus für die unerfahrenen
> Benützer des Patentsystems. Sie schützt den Patentanmelder vor seinen
> EIGENEN (nicht vor ANDEREN) Vorveröffentlichungen bis 6 Monate vom
> Anmeldetag in die Vergangenheit.

Das Problem dabei ist, dass dann in unserer Umgebung noch mehr Wissen
kursiert, welches wir zu Unrecht fuer frei verfuegbar halten.  Wir bauen
darauf Loesungen auf und ploetzlich taucht macht uns dann ein Patent einen
Strich durch die Rechnung.

Selbst wenn der "Erfinder" verpflichtet waere, uns laut zu warnen, wuerde
das wenig nuetzen.  Das Wissen verbreitet sich gerade im Internet sehr
schnell, und wir erfahren es nicht unbedingt aus der Hand des "Erfinders".

Das Patentwesen mutet der Oeffentlichkeit ziemlich hohe Kosten zu.  Als
Gegenleistung bekommt man in der Theorie wertvolle Veroeffentlichungen.
Leider stimmt das Verhaeltnis von Leistung und Gegenleistung laengst
nicht mehr.   Dennoch strebt die Patentbewegung in den Aemtern und im BMBF
einseitig darauf hin, die Kosten auf der Seite des Anmelders weiter zu
senken und sie auf der Seite der Oeffentlichkeit weiter zu erhoehen.

Ich stimme dem EPA-Gutachter Galama

	http://www.european-patent-office.org/news/headlns/2000_07_25_e.htm

zu:  Zum Patentwesen gehoert eine gewisse Disziplin auf Seiten der
Anmelder.  Wenn ich etwas patentieren will, darf ich das eben nicht vorher
ausposaunen.  Eine Patentanmeldung muss ich mindestens schreiben und
abgeben.  So schwer ist das gar nicht.  Laesst man sich von der
Neuheitsschonfrist dazu verfuehren, das zu verschieben, so entstehen 1000
Probleme.  Nicht nur fuer die Oeffentlichkeit sondern auch fuer den
Anmelder.

Besonders unverstaendlich finde ich, dass Robert Gehring sich im Namen der
"Opensource-Interessen" der Forderung nach einer Neuheitsschonfrist
anschliesst.  Noch unverstaendlicher finde ich, dass Gehrings Forderung
Eingang in das Lutterbeck-Horns-Gehring-Gutachten fand, ohne dass die
Gegenargumente gebuehrende Erwaehnung finden.  Ich habe diese
Gegenargumente schon frueher gebracht.  Ich kann mich nicht des Eindrucks
erwehren, dass manche Leute einfach gerne den grossen Friedensstifter
spielen, der allerlei Wuensche aller Seiten aufgreift und zu einem
unstimmigen Paket zusammenschnuert.  Die Wuensche der BMBF-Patentbewegung
scheinen mir bisher zu unreflektiert zu sein.  Sie verdienen es nicht,
unbesehen Eingang in Empfehlungen wissenschaftlicher Studien zu finden.

Das Gehringsche Argument, bei Opensource-Projekten wuerde frueh
veroeffentlicht und damit die Chance zur Patentierung verspielt, leuchtet
auf den ersten Blick ein.  Das aehnelt auch dem Argument des BMBF fuer
eine Neuheitsschonfrist.  Aber die Nachteile sind auch aehnlich:  irgend
jemand kann kommen und sich als den eigentlichen Urheber irgendwelcher
bereits in dem OSS-Projekt verwendeter Ideen ausgeben.  Das koennen auch
Teilnehmer des Projektes sein, die dann dessen Offenheit untergraben.  Es
wird sehr schwer, Prioritaet nachzuweisen, wenn Ideen zum fraglichen
Zeitpunkt bereits in Umlauf waren.  Hinzu kommt, dass Softwarepatente
ziemlich wenig mit der tatsaechlichen Arbeit irgendwelcher Projekte zu tun
haben.  Sie ergeben sich auch nicht aus dieser Arbeit.  Man verfolgt die
Anmeldungen am besten zielgerichtet und getrennt von dieser Arbeit. Auch
hier ist die richtige Reihenfolge:  erst sich die Funktionalitaet
ausdenken und anmelden, dann eventuell programmieren.

Das Patentwesen erlegt eben allen Seiten eine gewisse Disziplin und
gewisse Kosten auf, die man beim besten Willen nicht vermeiden kann.  "So
einfach wie moeglich, aber nicht einfacher" sollte auch hier die Devise
sein.

Ich bitte um Korrekturen, falls ich etwas uebersehen habe.

> Dies kommt hauptsächlich den unerfahrenen, kleinen Anmeldern zugute,
> denn die erfinden etwas, posaunen es dann (zurecht stolz) erst einmal
> in die Welt hinaus und merken häufig erst danach, daß sie im
> klassischen Patentsystem damit die Schutzfähigkeit ihrer eigenen
> Erfindung ruiniert haben. Unsere bisherige Faustregel insoweit: Die
> erste Erfindung des Privatanmelders oder Firmengründers hat der sich
> in der Regel selbst weggeschossen, bei der zweiten weiß er es dann.
> Erfahrene Anmelder, insbesondere die Industrie, wissen, daß man erst
> anmelden und dann reden soll. Die ist deshalb auf die
> Neuheitsschonfrist nicht so angewiesen.

Der arme kleine Neuling schaut ohnehin in vieler Hinsicht in die Roehre.
Fuer den ist das Patentwesen nicht gemacht, und es hilft auch nichts, wenn
man versucht, diesen Eindruck zu erwecken.  Das ist falsches Mitleid,
welches sich raecht -- direkt an dem, dem man vorgibt helfen zu wollen.

-phm