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[fwd] [heise] ICANN-Tagung: Streit um VeriSign-Vertrag (from: andy@ccc.de)



Soviel zum Thema "Einflußmöglichkeiten".  

Das Names Council wählt für die DNSO, die Gert ja schon erwähnte,
Direktoren ins ICANN-Board, und ist für alle Policy-Fragen im
Bereich "Namen" zuständig.

----- Forwarded message from Andy Mueller-Maguhn <andy@ccc.de> -----

From: Andy Mueller-Maguhn <andy@ccc.de>
To: icann-news@lists.ccc.de
Date: Mon, 12 Mar 2001 12:47:46 +0100
Subject: [heise] ICANN-Tagung: Streit um VeriSign-Vertrag
Mailing-List: contact icann-news-help@lists.ccc.de; run by ezmlm

http://www.heise.de/newsticker/data/wst-12.03.01-000/

ICANN-Tagung: Streit um VeriSign-Vertrag

Scharf kritisiert haben bei ihrer Sitzung am Samstag in Melbourne die
Vertreter der für Domainfragen zuständigen Fachgruppen (Constituencies) der
Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) den vom
ICANN-Büro vorgeschlagenen Deal mit Exmonopolist VeriSign. Der am 1. März
veröffentlichte Vertragsentwurf soll VeriSign erlauben, nicht nur die
zentrale Datenbank (Registry) für die begehrten .com-Adressen zu betreiben,
sondern die Adressen gleichzeitig als Registrar auch zu vermarkten. Etliche
ICANN-Aktive befürchten, dass damit das Ziel, VeriSigns (NSIs)
marktbeherrschende Stellung zu beenden und für mehr Wettbewerb im
Domaingeschäft zu sorgen, in Frage gestellt werde. Das einzige Zugeständnis
von VeriSigns Seite ist die Aufgabe von .org. Rechtsanwalt und
ISP-Vertreter Michael Schneider setzte bei der Sitzung des Names Council
gegen VeriSigns Stimme immerhin einen Beschluß durch, der ICANNs Direktoren
auffordert, keinerlei Entscheidung zu treffen, bevor der neue Vertrag von
ICANNs Gremien geprüft werden konnte. Die Sitzung des Names Council endete
im Eklat; Icann-Jurist Louis Touton beschimpfte die Mitglieder des Names
Council - danach brach ein Tumult im Saal aus, der allerdings weder in den
Videoaufzeichnungen noch im Sitzungsprotokoll verzeichnet ist.

Nicht nur die im Names Council (NC) versammelten Spitzenvertreter der
Fachgruppen wurden von dem zwischen ICANN-Anwalt Joe Sims und VeriSigns
Strategen Roger Cochetti hinter verschlossenen Türen ausgehandelten
Vertragsentwurf offensichtlich völlig überrascht. Selbst ICANNs Direktoren
wurden, wie Sims auf hartnäckige Nachfragen einräumen musste, erst wenige
Tage vor der Veröffentlichung des Entwurfs auf ICANNs Webseite von den
Hauptamtlichen in Marina del Rey in Kenntnis gesetzt. "Einige Direktoren
sind alles andere als glücklich mit dem Entwurf, ein paar sind
unentschieden, ich bin dagegen", so der spanische ICANN-Direktor Amadeu
Abril i Abril gegenüber heise online. Normalerweise sei die Verabschiedung
von Vorschlägen des ICANN-Büros mehr eine Formsache, so Abril. Den
Direktoren bleibt aber ganz offensichtlich schon deshalb nur die Zustimmung
übrig, weil sie die entsprechenden Dokumente mit schönster Regelmäßigkeit
erst kurz vor den Sitzungen erhalten.

Vorab informiert über den VeriSign-Deal war lediglich der Vorsitzende des
Direktoriums, Vint Cerf. Gegenüber heise online äußerte sich Cerf
vorsichtig positiv zu dem Vorschlag. Man müsse ihn im Vergleich dazu
beurteilen, was die Beibehaltung des bestehenden Vertrags zwischen VeriSign
(damals noch NSI), ICANN und dem US-Department of Commerce bedeute. "Ohne
Änderungen wird VeriSign sein Registrargeschäft abgeben und dann von der
Option Gebrauch machen, [die Registry für] .com, .net und .org. exklusiv zu
betreiben." Höchstwahrscheinlich werde das Unternehmen außerdem als
Wiederverkäufer im Registrargeschäft auftreten, auch für den verkauften
Unternehmensteil, und so praktisch nichts aufgeben, um die Verlängerung zu
erreichen. "Wenn der neue Vorschlag zur Anwendung kommt", so Cerf, "wird
VeriSign das Registrargeschäft behalten, aber .org Ende 2002 und .net Ende
2005 aufgeben und für .com-Registry 2007 ein vorzugsweises, aber keineswegs
garantiertes Wiedervergaberecht bekommen". Die .org-TLD gehe an ICANN
zurück und könne neu vergeben werden, wobei bestehende Registrierungen eine
Bestandsgarantie erhielten.

ICANN-Anwalt Joe Sims warf den NC-Mitgliedern außerdem einen weiteren
Brocken hin: Mit dem neuen Vertrag verliere VeriSign seine Sonderrolle und
erhalte Bedingungen, die "fast" identisch seien mit denen für die im
November ausgewählten zusätzlichen Registries (.biz, .info, .name, .pro,
.coop, .aero, .museum). Vor allem spiele künftig das Department of Commerce
keine Rolle mehr im Verhältnis zwischen ICANN und VeriSign. ICANNs
vertragliche Abhängigkeit vom DoC bleibt, darauf ging Sims nicht ein, davon
allerdings unberührt.

Die Mitglieder des Names Council blieben dennoch hart und verabschiedeten
den Beschluss: "Der ICANN-Vorstand darf nicht in eine Entscheidung
getrieben werden, bevor dem Thema die ihm gebührende Aufmerksamkeit im
Sinne der ICANN-Verfahrensregeln geschenkt werden konnte". Man müsse ICANNs
Gremien und der Öffentlichkeit die Gelegenheit zur Prüfung des
komplizierten Vertragswerkes geben. VeriSigns-Vertreter Chuck Gomes stellte
den NC-Mitgliedern praktisch ein Ultimatum: Wenn man sich nicht sofort für
den neuen Vertrag entscheide, werde sein Unternehmen an den ursprünglichen
Verträgen festhalten. Bis 10. Mai muss VeriSign nach dem bestehenden
Vertrag entweder die Registry oder die Registrar-Funktion abgeben. Der neue
Vertrag muss daher nach Aussagen der ICANN-Juristen bis zum 1. April von
VeriSign, ICANNs Vorstand und dem Department of Commerce unterschrieben
sein. Änderungsvorschläge von Seiten der ICANN-Gremien erklärte
ICANN-Jurist Louis für nicht möglich, nachdem NC-Mitglieder eine
Verlängerung der Frist für weitere Verhandlungen angeregt hatten.

Ob sich ICANNs Direktoren auf diese Weise von VeriSign unter Druck setzen
lassen, darauf darf man sehr gespannt sein. Wenn die 19 Direktoren
entscheiden, dass es sich um eine wichtige politische Änderung handelt,
müssen sie die Verträge an ICANNs Gremien zurückverweisen. Falls sie den
Vorgang zu einem einfachen Vertragsabschluss erklären, könnten sie schon am
Dienstag entscheiden. Das Vertrauen ins Direktorium dürfte in diesem Fall
nicht unbeträchtlichen Schaden erleiden. Nicht nur galt die Zerschlagung
von VeriSigns (früher NSIs) Monopol als eine der Hauptaufgaben der
Organisation bei ihrer Gründung. Ein so erzwungener Vertragsabschluss zu
Gunsten von VeriSign ließe auch die Frage aufkommen, inwieweit sich ICANNs
Büro und Direktorium tatsächlich demokratischen Strukturen verpflichtet
fühlen. (Monika Ermert) (wst/c't) 



----- End forwarded message -----

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Thomas Roessler			    <roessler@does-not-exist.org>