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Re: Gute Menschen, schlechte Menschen



Auf die Ausführungen unten hin aus meiner bzw. unserer Praxis hier:

Ich persönlich betreue einige Start-up's (eines Software/Medien, eines Elektronik, eines viel
geregeltes Eisen, eines Gummi), deren ZENTRALE Technik jeweils durch Patentanmeldungen im In- und
Ausland geschützt ist. "Meine" start-up's *reden* nicht viel über ihre Patente, sie  *haben* sie
einfach. Bei keinem von ihnen ist es bisher so, daß die Patente gegen Verletzer gebraucht würden.
Es sind (noch?) keine Verletzer da, wohl auch deswegen, weil teilweise die jeweilige Technik noch
nicht durchentwickelt und deshalb zum platten Abkupfern noch nicht reif ist oder weil das
Marketing noch nicht so weit ist, daß potentielle Abkupferer von der "fetten Beute" wissen.

Wenn es aber eines Tages so weit ist, dann sind die jeweiligen Patente die einzigen Mittel, mit
denen diese Firmen ihre Entwicklung geschützt und gegen Abkupfern gesichert haben. Ohne Patente:
No chance, die Platzhirsche  bzw. "Big Brothers" in den jeweiligen Branchen hätten leichtes Spiel,
wenn sie denn wollten: warten, bis die Ware bzw. das Produkt verkauft wird (d. h. durchentwickelt
ist), kaufen und nachbauen, oder Personal abwerben. Feine Sache: 3 Jahre 5 Ingenieure gespart, 1,5
Mio bei 100.000-- pro Ingenieursjahr, das umschiffte Fehlversuch-Risiko gar nicht mit
eingerechnet.

Eines erscheint mir in diesem Forum als Widerspruch: Zum einen nimmt man für sich lässig in
Anspruch, das ALLERINNOVATIVSTE überhaupt zu sein, was auf Gottes Erdboden herumläuft, zum anderen
wird NIE aus der Sicht desjenigen geschrieben, der sich über den Klau innovativer Ideen ärgert.
Natürlich kenne ich die offizielle Lösung des Widerspruchs: Ohne Patente geht's viel besser. Daß
aber von all diesen hyperinnovativen Leuten in diesem Forum hier nicht einer nicht wenigstens ein
bißchen lüstern auf ein bißchen Schutz ist oder angesichts Abkupferei ein bißchen die Sinnkrise
bekommt, kann eigentlich nur zweierlei bedeuten: (A - wahrscheinlicher) Die wahrhaft edlen Leute
sind hier in diesem Forum versammelt, oder (B - unwahrscheinlicher) so fürchterlich innovativ ist
das alles nicht, vielmehr - bildlich - immer der gleiche Zinnkjug, jedoch mit variablen Gravuren,
und aus den unterschiedlichen Gravuren wird Innovation hergeleitet.

Die oben genannten Unternehmen gehören nicht in die Zinnkrug-Gravierer-Kategorie: Das, was die
machen, ist nirgendwo vorher beschrieben, auch nicht im Falle des Software/Medien-Mandanten in den
so vermaledeiten angeblich 30.000 inflationären "swpat". Die zitierten Startups sind wirklich
innovativ und haben das Interesse, ihre Innovation gegen Abkupferei zu schützen - und deren
Investoren gehören deshalb wohl in die Kategorie der schlechten Menschen, denn die sehen wirklich
nicht ein, mittelbar anstelle ihres eigenen Babys die Platzhirsche der Branche zu nähren.

Und nochmal: Ich rede nicht jedem Patentunsinn das Wort, jedoch dagegen, das Kind mit dem Bade
auszuschütten.

AP

-------- Original Message --------
Subject: Re: Boersenturbulenzen (30-MAR-2001 11:30)
From:    boris@uumail.de
To:      phm@a2e.de

On 29.03.2001 18:04 Uhr, PILCH Hartmut at <phm@a2e.de> wrote:

> Die Ausweitung des Patentwesens wird in letzter Zeit haeufig durch Verweis
> auf (angebliche) Beduerfnisse des Aktienmarktes und der Risikokapitalgeber
> gerechtfertigt.

Ich habe im letzten Jahr bei jedem Gespraech mit Startups nachgehakt, wenn
sie gesagt haben, sie haetten auf dies und das ein Patent angemeldet. Das
kommt bei sehr vielen standardmaessig in den Powerpoint-Folien vor.

Bisher waren noch jedesmal die Antworten, sinngemaess: Nein, wirklich
wichtig ist das nicht; das ist vor allem ein Verkaufs- und
Marketing-Argument; nein, unser Business-Modell haengt nicht an dem Patent.

Die letzte Antwort kam sogar von einem Unternehmen, das mir von einem
Patentanwalt vermittelt worden war, weil ich ihn um Beispiele dafuer gebeten
hatte, wie wichtig Patente fuer Startups sind.



To: boris@uumail.de
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    debate@fitug.de