[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: gute und schlechte Menschen (fwd)



Leider schreibt Herr Pfeiffer immer an alle Mailinglisten getrennt.
So habe ich uebersehen, dass debate@fitug.de in den Verteiler gehoerte.

---------- Forwarded message ----------
From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
Subject: Re: gute und schlechte Menschen
To: apfeiffer@beetz.com
Cc: swpat@ffii.org

> Auf die Ausführungen unten hin aus meiner bzw. unserer Praxis hier:

> Ich persönlich betreue einige Start-up's (eines Software/Medien, eines
> Elektronik, eines viel geregeltes Eisen, eines Gummi), deren ZENTRALE
> Technik jeweils durch Patentanmeldungen im In- und Ausland geschützt
> ist. "Meine" start-up's *reden* nicht viel über ihre Patente, sie
> *haben* sie einfach.

Vielleicht koennten Sie ja dennoch Herrn Groendahl die entsprechenden
Verweise geben.

> Bei keinem von ihnen ist es bisher so, daß die Patente gegen Verletzer
> gebraucht würden. Es sind (noch?) keine Verletzer da, wohl auch
> deswegen, weil teilweise die jeweilige Technik noch nicht
> durchentwickelt und deshalb zum platten Abkupfern noch nicht reif ist
> oder weil das Marketing noch nicht so weit ist, daß potentielle
> Abkupferer von der "fetten Beute" wissen.

> Wenn es aber eines Tages so weit ist, dann sind die jeweiligen Patente
> die einzigen Mittel, mit denen diese Firmen ihre Entwicklung geschützt
> und gegen Abkupfern gesichert haben. Ohne Patente: No chance, die
> Platzhirsche bzw. "Big Brothers" in den jeweiligen Branchen hätten
> leichtes Spiel, wenn sie denn wollten: warten, bis die Ware bzw. das
> Produkt verkauft wird (d. h. durchentwickelt ist), kaufen und
> nachbauen, oder Personal abwerben. Feine Sache: 3 Jahre 5 Ingenieure
> gespart, 1,5 Mio bei 100.000-- pro Ingenieursjahr, das umschiffte
> Fehlversuch-Risiko gar nicht mit eingerechnet.

Sie sagen es recht deutlich:

- Ihr Mandant hat dank interessanter Programmfunktinalitaet einen
  Vorsprung von ein paar Jahren.
- Was eigentlich patentiert wird, ist diese Programmfunktionalitaet,
  die ihm vielleicht irgendwann mal in der Badewanne einfiel, nicht
  die Entwicklungsarbeit von ein paar Mannjahren.
- Ihr Mandant hat nicht die noetigen organisatorischen Voraussetzungen,
  um einen Vorsprung von ein paar Jahren marktgerecht nutzen zu koennen.

> Eines erscheint mir in diesem Forum als Widerspruch: Zum einen nimmt
> man für sich lässig in Anspruch, das ALLERINNOVATIVSTE überhaupt zu
> sein, was auf Gottes Erdboden herumläuft,

Das behauptet niemand von sich.  Es wird allenfalls behauptet, dass die
Innovation im Softwarebereich keine besonders knappe Ressource ist, die
durch Patente "geschuetzt" oder gefoerdert werden muesste.

> zum anderen wird NIE aus der Sicht desjenigen geschrieben, der sich
> über den Klau innovativer Ideen ärgert.

Diese Sicht ist nur dann von volkswirtschaftlichem Interesse, wenn der
"Ideenklauer" wirklich guenstiger produzieren und mehr Geld verdienen kann
als derjenige, der diese Idee durch kostenintensive Arbeit erst
entwickelte.  Das ist im Softwarebereich nur aeusserst selten gegeben.
Meistens geht es nur um eine Programmfunktionalitaet, mithilfe derer
irgendjemand hofft, mit geringen F&E-Investitionen und ohne Marketing im
Senkrechtflug in die Liga der Grossen aufzusteigen. Solche
Goldgraebertraeume sind menschlich, und es ist verstaendlich, dass die
Patentanwaelte sich bemuehen, diese Traeume anzustacheln.  Aber sie sind
ein schlechtes Leitbild fuer eine Wirtschaftspolitik.

> Natürlich kenne ich die offizielle Lösung des Widerspruchs: Ohne
> Patente geht's viel besser. Daß aber von all diesen hyperinnovativen
> Leuten in diesem Forum hier nicht einer nicht wenigstens ein bißchen
> lüstern auf ein bißchen Schutz ist oder angesichts Abkupferei ein
> bißchen die Sinnkrise bekommt, kann eigentlich nur zweierlei bedeuten:
> (A - wahrscheinlicher) Die wahrhaft edlen Leute sind hier in diesem
> Forum versammelt, oder

Die Leute in diesem Forum wissen, dass es gar nicht so einfach ist,
Softwarefunktionalitaeten "abzukupfern" und dass derjenige, der sie zuerst
ersonnen hat, daraus allemal genug Nutzen ziehen kann.  Sie wissen ferner,
dass Goldgaebertraeume ein Trugbild sind und dass die Wirklichkeit im real
existierenden Patentwesen anders aussieht.  Zumindest IBM hat Zugriff auf
jede Softwarefunktionalitaet, denn kein Start-Up kann etwas programmieren,
ohne IBM-Patente zu verletzen.

> (B - unwahrscheinlicher) so fürchterlich innovativ ist das alles
> nicht, vielmehr - bildlich - immer der gleiche Zinnkjug, jedoch mit
> variablen Gravuren, und aus den unterschiedlichen Gravuren wird
> Innovation hergeleitet.

Nach den Massstaeben des EPA waere auch das noch allemal patentwuerdig.

Sind Sie sicher, dass Ihre Mandanten
(1) wirklich ohne Patentwesen schlechter dastuenden / weniger gute
    Software schreiben wuerden
(2) der Allgemeinheit bedeutendere Innovationen schenken, als sie etwa
    in Systemen wie Zope, GNU/Linux, KDE (bekam letztes
    Jahr einen Innovationspreis) usw usf verwirklicht sind?

> Die oben genannten Unternehmen gehören nicht in die
> Zinnkrug-Gravierer-Kategorie: Das, was die machen, ist nirgendwo
> vorher beschrieben, auch nicht im Falle des Software/Medien-Mandanten
> in den so vermaledeiten angeblich 30.000 inflationären "swpat". Die
> zitierten Startups sind wirklich innovativ und haben das Interesse,
> ihre Innovation gegen Abkupferei zu schützen - und deren Investoren
> gehören deshalb wohl in die Kategorie der schlechten Menschen, denn
> die sehen wirklich nicht ein, mittelbar anstelle ihres eigenen Babys
> die Platzhirsche der Branche zu nähren.

Dann gehoeren sie wirklich zu den schlechten Menschen.  Denn es gehoert
einfach zu den Grundregeln des Marktgeschehens, dass man nicht nur nimmt
sondern auch gibt.  Bekanntlich sorgt hierfuer die "unsichtbare Hand" nach
Adam Smith.  Ein paar Jahre lang verdient man gut an einem Vorsprung,
danach wirkt man an einer RFC mit, in der die mittlerweile Gemeingut
gewordene Verfahrensweise einfliesst.

> Und nochmal: Ich rede nicht jedem Patentunsinn das Wort, jedoch
> dagegen, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Fuer uns hier ist auch nicht die Verhinderung von Swpat unter jeder
Bedingung das oberste Ziel.  Hauptforderung ist eigentlich nur:

"Liebe Patentanwaelte.

Niemand behauptet, Euer System sei prinzipiell nicht lauffaehig.
Bisher produziert es aber nur Muell und stuerzt dauernd ab.
Wenn ihr meint, dass euer System prinzipiell etwas taugen kann,
dann zeigt uns bitte erst mal eine annaehernd lauffaehige Version.
Ihr haltet diese Forderung fuer uebertrieben?
Ihr fordert, dass wir unbesehen ein kaputtes System kaufen und
einfach daran glauben, dass es irgendwann funktionieren koennte?
Dann seid Ihr offenbar aus einer ganz anderen Branche, mit der
wir lieber nichts zu tun haben wollen."

-phm

_______________________________________________
Swpat mailing list
Swpat@ffii.org
http://ffii.org/mailman/listinfo/swpat