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Spiegel Online: Mit Hackermethoden gegen Neonazis



Und wieder einmal beweisen diejenigen, die angetreten sind, uns zu
repräsentieren, daß sie keine Ahnung haben.
Hat jemand Lust, ihm eine Merkbefreiungsurkunde zu überreichen?
Oder ihm die Fläche, die die BRD auf dem Globus einnimmt, nochmals zu
veranschaulichen?

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SPIEGEL ONLINE - 06. April 2001, 18:21
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,126921,00.html
Otto Schily

Mit Hackermethoden gegen Neonazis

Von Frank Patalong

Innenminister Otto Schily erwägt, ausländische Nazi-Websites mit
Hackerangriffen lahm zu legen. Dafür will sich das Ministerium so
genannter Denial-of-Service-Attacken bedienen. Mit ähnlichen Methoden
hatten Hacker im letzten Frühjahr weite Teile des Internets blockiert.

Hamburg - Hackerattacken im Auftrag des Ministeriums seien keineswegs
"im Unrechtsbereich anzusiedeln", argumentiert Schilys Sprecher Dirk
Inger. Dahinter stehe "vielmehr der Gedanke der Verteidigung unserer
Rechtsordnung gegen rechtswidrige Angriffe unter bewusster Ausnutzung
der Internationalität des Mediums Internet." Dafür müsse man über viele
Instrumente nachdenken. Was schließlich umgesetzt werde, "bestimmt sich
nach Recht, Effektivität und Erfolgsaussicht", beantwortete Inger eine
Anfrage von SPIEGEL ONLINE.

Wer die Angriffe für das Innenministerium durchführen soll, ist noch
nicht bekannt. Mit Denial-of-Service (DoS)-Attacken kennt sich Schily
jedenfalls aus. Seit den weltweiten DoS-Angriffen auf kommerzielle
Websites wie Yahoo! und eBay im Frühjahr 2000 reibt sich Schily an den
Gefahren des Cyberspace. Als Reaktion auf die DoS-Attacken und das "I
Love You"-Virus entstand im Frühjahr 2000 der Plan zu Schilys "Internet
Task Force", die künftig Deutschlands "kritische Infrastrukturen"
sichern soll.

Das klingt nach Verteidigung, meint aber offenbar mehr: Bisher wurde die
"Internet Task Force" von vielen als reagierender Debattierclub gesehen.
Schily dagegen scheint sie durchaus so zu verstehen, wie sie in der
Übersetzung ihres englischen Namens daherkommt: als "schnelle
Eingreiftruppe".

Bereits am 21. Dezember vergangenen Jahres hatte Schily, in Deutschland
unbemerkt, in einem Interview mit der "Washington Post" argumentiert,
dass es Verteidigung auch in einer "Vorneweg"-Variante geben könne. Denn
als staatsgefährdend werden auch Neonazi-Seiten im Internet wahrgenommen
- und die sind äußerst schwer dichtzumachen, gerade wenn sie auf Servern
in den Vereinigten Staaten liegen.

Dort schützt sie das "First Amendment", der erste Passus der
amerikanischen Verfassung, die den Begriff "Meinungsfreiheit" weiter als
jede andere Verfassung in der Welt fasst. Nach amerikanischer Ansicht
fällt selbst die Auschwitz-Lüge unter die Presse- und Meinungsfreiheit:
Zugriff verboten.

Den bedingt sich die deutsche Justiz aber seit dem 12. Dezember 2000
aus: An diesem Tag entschied der Bundesgerichtshof, dass neonazistische,
volksverhetzende Veröffentlichungen auch dann rechtlich verfolgbar
wären, wenn sie im Ausland veröffentlicht werden.

Die Betreiber amerikanischer Neonazi-Sites stört das wenig. Sie dürfen
sich durch die US-Behörden gedeckt fühlen, die ein erfolgreiches
Auslieferungsverfahren wegen eines in Amerika begangenen Verstoßes gegen
deutsches Recht kaum für möglich halten, wie John Russell, damals
Sprecher des amerikanischen Justizministeriums, in einer Reaktion auf
das BGH-Urteil klarmachte.

Heiligt der Zweck die Mittel?

Eine Situation, mit der Schily sich durchaus nicht abfinden will. Neben
dem offiziellen Weg, sagte er schon damals der "Washington Post", könne
er sich durchaus vorstellen, Neonazi-Seiten in Amerika mit Spams oder
DoS-Attacken zum Zusammenbruch zu bringen, wenn andere Ansätze nicht zum
Erfolg führten.

Alan Davidson vom Center for Democracy and Technology in Washington hält
das für aberwitzig: "Das würde bedeuten, dass man das Recht bricht, um
eine nach dem Recht eines anderen Landes legal operierende Site
dichtzumachen."

Die angesehene Internet Society Isoc, in Deutschland beim
Grundlagenforschungsinstitut GMD in Sankt Augustin angesiedelt, sieht
das ganz ähnlich: " Isoc.de befürwortet die Durchsetzung von
gesetzlichen Bestimmungen im Internet. Für Isoc ist Internet kein
rechtsfreier Raum. Aber gerade deshalb geht es auch nicht an, mit
zweifelhaften technischen Mitteln Server im Ausland auszuschalten, weil
dort - nach den dortigen Gesetzen unter dem Schutz der freien Rede -
unter anderem rechtsextreme Inhalte bereitgestellt werden", heißt es in
einer Stellungnahme der Isoc.

Das Innenministerium sieht das anders. Während DoS-Attacken längst
juristisch verfolgt werden, glaubt man in Berlin anscheinend, dass ein
sehr guter Zweck mitunter ein sehr - vorsichtig gesagt - kontroverses
Mittel heilige.

In Sachen Effektivität und Erfolgsaussichten dürften DoS-Attacken kaum
zu schlagen sein: Sie erledigen in Minuten, wofür ein Gericht Monate
braucht. Wie es um die rechtliche Seite bestellt ist, dürfte hingegen in
den nächsten Tagen hitzig diskutiert werden.
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Andreas Lehner * atoth@berlin.ccc.de * rsa 0x49FEF1D5

"Und ich weiß, warum Sie sagen, man kann nichts tun:
weil Sie nichts tun können wollen. Aber ich will etwas getan haben."