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Re: BKA geht gegen inlaendische Napster-User vor



> Nach den Hausdurchsuchungen erwirkte die Behörde jetzt bei den für 
> die jeweiligen Internet-Provider zuständigen Amtsgerichten 
> Herausgabebeschlüsse für die IP-Nummern zur Identifizierung der 
> Surfer. Die Verfahren wurden bereits an die zuständigen lokalen 
> Gerichte weitergegeben. Bei einer Verurteilung drohen den Tätern nach 
> den Straftatbestimmungen "Verwenden von Kennzeichen 
> verfassungswidriger Organisationen", "Volksverhetzung", 
> "Aufstachelung zum Rassenhass" beziehungsweise "Verherrlichung von 
> Gewalt" bis zu drei Jahre Haft. Ein BKA-Sprecher betonte: "Diese 
> Maßnahmen zeigen, dass auch die Internet-Musiktauschbörsen keinen 
> rechtsfreien Raum darstellen." (dal/c't)  

Mit diesem abgedroschenen Spruch konstruieren einige Juristen und
Verwaltungsbeamte m.E. falsche Alternativen.
Entweder das einmal gelernte Rechtswissen lässt sich 1:1 übertragen,
oder das Internet wird zum unheimlichen "rechtsfreien Raum", so die (Un)Logik.
Viele der bisherigen Gesetze beruhen auf Annahmen, die im Internet
nicht mehr oder nur noch in viel geringerem Maße gelten.  Quantitative
Veränderungen führen bekanntlich zu qualitativen Veränderungen.
Der organisierte Vertrieb/Versand von NS-Propagandamaterial ist nicht
nur mit vernünftigerem Aufwand/Erfolg-Verhältnis kontrollierbar als
das Veröffentlichen von Daten in einem Netz, wo jeder auf Sendung
geht und Mittelmännern keine so große Bedeutung mehr zukommt.
Er hat auch einen direkteren Bezug zu einem möglichen Tatort.  
Dort wo verfassungsfeindliche Informationsangebote wirklich eine
"abstrakt-konkrete Gefährdung" darstellen, entstehen in ihrem Umfeld 
auch physisch fassbare Handlungen, bei denen man zugreifen kann. 
Das bisherige Recht ist meinem Eindruck nach nicht so unflexibel, dass
es dies nicht berücksichtigen könnte.  Es besteht eigentlich selbst
dann, wenn man an ihm festhalten will, kein Zwang zu einer plumpen 
Analog-Übertragung von Praktiken, die sich aus den Rahmenbedingungen
früherer Medien erklären.

Das ist vielleicht ein wesenticher Punkt.  Man sollte den
Schily-Skandal nutzen, um unsere Rechtspolitiker mal von ihren plumpen
Analogien abzubringen.  Diese Analogien sind es auch, mit denen wir
bei der Swpat-Frage zu kämpfen haben.  Sie lauten in diesem Fall
in etwa  

   "Was beanspruchbar ist, wenn es mit Eisen implementiert wird, 
    muss auch beanspruchbar sein, wenn es mit Software implementiert wird."

und beruhen auf einer widersprüchlichen Auslegung von Art 52(2) EPÜ,
die Ausschlussliste einerseits wörtlich genommen wird ("alles, was
nicht darin steht, kann beansprucht werden") und andererseits diese
Liste wieder hinter einem dort hinein konstruierten Oberbegriff
zurücktritt ("es handelt sich um eine Liste nicht-technischer
Gegenstände.  Programme für Datenverarbeitungsanlagen können also nur
insoweit nicht patentierbar sein, wie sie nicht technisch sind.")

All diese Widersprüche entstehen erst gar nicht, wenn man umgekehrt
vorgeht, wie in den 70-80er Jahren üblich:  

        Die Liste hat einen verbindenden Oberbegriff  
        ==> Technik = "Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Herb..."
            Es dürfen nicht logische Innovationen beansprucht werden.
            Die Naturkräftekausalität muss experimentell verifizierbar
            und nicht logisch beweisbar sein.
        ==> Wirkungsansprüche, die das Implementationsmittel
            offen lassen und sich nicht auf einen bestimmten Einsatz
            von Naturkräften beziehen, sind generell unzulässig, da
            es sich dabei immer um rein logische Konstrukte handelt.
        ==> Innovationen im Bereich der Programmlogik
            (Computerprogramme) können nicht patentiert werden.

Natürlich frage ich mich, ob nicht alle unsere Minister in Sachen
Internet-Kontrolle in ähnlicher Weise guten Willen und Sachverstand
vermissen lässt wie unser BMJ in Sachen Swpat.  Wenn einige der
Argumente von Schily & Co die Unterstützung der Juristen in unserem
Forum finden, heißt das noch nicht viel.  Leider scheint dieser
Berufsstand oft in ziemlich eigenartigen, oft in erstaunlich simplen
Punkten fehlerhaften Denkweisen befangen zu sein und gerade von der
Verschrobenheit dieser Denkweisen einen gewissen Druiden-Status
abzuleiten.

-phm



                   



 

 


-phm