[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Telepolis: Das globale Abhör-Puzzle



Das globale Abhör-Puzzle

Christiane Schulzki-Haddouti   20.04.2001 
Gerhard Schmid über Arbeitsweise und Erkenntnisse des Echelon-Ausschusses des Europaparlaments 


Im Mai will Gerhard Schmid, Berichterstatter des nichtständigen Echelon-Untersuchungsausschusses des
Europaparlaments, den abschließenden Bericht vorstellen. Im Telepolis-Interview berichtet er Christiane
Schulzki-Haddouti vom Stand der Erkenntnisse. 



 Hat der Ausschuss wirklich neue Erkenntnisse gebracht? 

  Gerhard Schmid: Wenig, was sich nicht bei gezielter und methodischer Suche auch so finden lässt. Ich habe aber
nie die Erwartung gehegt, dass die Dienste von sich aus freiwillig Details erzählen. So berichtete Ernst Uhrlau im
Ausschuss auch nur in dem Umfang über die Tätigkeiten der Abteilung 2 des Bundesnachrichtendienstes (BND), wie es
der BND bereits vor dem Bundesverfassungsgericht getan hat. Wir könnten auch mit einem Untersuchungsausschuss die
Nachrichtendienste nicht zwingen, ihre Geheimnisse preiszugeben, und die amerikanischen Dienste schon gar nicht. 


 Also war der Ausschuss bislang eher eine Alibiveranstaltung? 

  Gerhard Schmid: Nein. Das systematische Sammeln, Auswerten und Bewerten von öffentlich zugänglichen
Informationen bringt schon was. Der Vorteil eines Ausschusses ist auch, dass die Abgeordneten nachfragen können
und dass simultane Verdolmetschung in alle elf in der EU verwendeten Sprachen stattfindet.. Was die technischen
Möglichkeiten der Dienste anbelangt, haben wir darüber keine detaillierten Aussagen erhalten. Aber man muss es
nicht von den Diensten wissen. Einige Kenntnisse der Nachrichten- und Kommunikationstechniken, abgefragt bei
Experten, genügen, um Schlussfolgerungen ziehen zu können 


 Was haben Sie über die Möglichkeiten des Abhörens per Satellit erfahren? 

  Gerhard Schmid: Das Abhören von Satellitenkommunikation ist nur in einem bestimmten Ausleuchtradius möglich. Man
kann sich also nicht an eine x-beliebige Stelle auf der Erde stellen, um die Satelliten abzuhören, sondern man
muss sich im Bereich der so genannten footprints, also der Ausleuchtungen, bewegen. Wenn man sich dort aber mit
einer Schüssel von entsprechender Größe hinstellt, kann man alles mitbekommen, was über Intelsat abläuft. Intelsat
sind aber nicht die einzigen für die Nachrichtendienste interessanten Satelliten, sondern es gibt auch einige
regionale wie zum Beispiel Arabsat. 
Interessant ist hier, dass ein Teil der Wirtschaftskommunikation nicht über das offizielle Postnetz läuft, sondern
über direkt geschaltete Satellitenverbindungen. Dies findet beispielsweise bei Videokonferenzen großer
multinationaler Unternehmen statt. Wenn sie bei diesen V-Sat-Verbindungen nicht vorher selbst verschlüsseln und
später wieder entschlüsseln, haben die Dienste voll die Möglichkeit mitzuhören. Das ist technisch mit Schüsseln
von einem Durchmesser von weniger als zwei Metern zu bewerkstelligen. Diejenigen, die solche
Satellitenverbindungen anbieten, verschlüsseln in der Regel nicht. Das muss man selbst machen. Alles was über
Satellit geht, ist so offen wie eine Postkarte.
 


 Wie sieht es mit der leitungsgebundenen Kommunikation aus? 

  Gerhard Schmid: Kabelgebundene Kommunikation lässt sich nur dann abhören, wenn man physischen Zugang zum Kabel
hat. Beim Echelon-Staat USA reduziert sich dies auf die Verbindungen, die in die USA hinein- und wieder
herauskommen, da hier die NSA ran darf. Es reduziert sich auf das, was bei Großbritannien rein- und rausgeht, weil
das General Communications Headquarter an diese Leitungen ran darf. 
Und es reduziert sich auf das, was alles in Neuseeland und Australien ankommt. Früher war dies bei den
Telegraphenleitungen wichtig, weil man sofort wegen der Zwischenverstärker aus dem Wasser gegangen ist, sobald man
die Möglichkeit dazu hatte. Deshalb hat man im pazifisch-asiatischen Raum alle Kabel über Neuseeland und
Australien gelegt. 

Da man zur Zeit der Kupferaxialkabel möglichst kurze Kabelverbindungen wollte, gingen diese Telefonkabel von
Europa nach Amerika über Neufundland, das ist kanadisches Territorium. Heute kann man die optischen Glasfaserkabel
so legen wie man will, und das tut man auch. Hier muss man nicht mehr bei irgendwelchen Zwischenstationen aus dem
Wasser gehen. Damit reduziert sich das Auflanden auf die Endpunkte mit der Kommunikation. Ein abhörwilliger Staat
kann also örtlich nur dort zugreifen und er braucht die gesetzliche Möglichkeit, den heute meist privaten Besitzer
der Kabel zur Duldung des Abhörens zu zwingen. Denn die Zeiten, als die Post noch dem Staat gehört hat, sind
vorbei. 

Bei Telefon und Fax gab es bis vor kurzem eine Hierarchisierung der Kommunikationsvermittlung: Das Ortsgespräch
blieb in der Ortsvermittlungsstelle, das Regionalgespräch in der Regionalvermittlungsstelle und zwischen den
großen Städten gab es Direktverbindungen. Die Kommunikationsverbindung spielte sich also im näheren Umfeld ab und
war nur für das Abhören durch den eigenen Staat zugänglich. Seit der Privatisierung der Kommunikationsnetze hat
sich das etwas geändert. Bei den Privaten geht ein Teil je nach Netzverfügbarkeit über das Ausland, aber nicht
unbedingt über England oder Amerika. Es kann schon mal passieren, dass ein deutsches Inlandsgespräch über Italien
läuft. 

Beim Internet ging fast jede Kommunikation von einem Provider in Deutschland zu einem anderen Provider in
Deutschland über Switches, die in Amerika saßen. Das war vor fünf bis sechs Jahren noch so. Der Austausch von
einem Netz in ein anderes Netz wurde über Amerika organisiert. Das Ganze lief über die beiden großen Leitungen des
Wissenschaftsnetzes. Wenn man sich dort an die zwei Switches gesetzt hat, hatte man einen Großteil der
europäischen beziehungsweise deutschen Internetkommunikation soweit sie zwischen zwei unterschiedlichen Providern
stattfand.
 


 Inzwischen hat sich jedoch beim Internet-Routing vieles geändert. 

  Gerhard Schmid: Mit der Kommerzialisierung des Netzes versuchten die Provider alles in ihrem eigenen Netz zu
halten. Wenn Sie aber als Kunde von T-Online einem anderen Kunden von AOL gemailt haben, waren die Übergabepunkte
vor fünf bis sechs Jahren noch überwiegend in Amerika oder beim zweiten großen Switch in London. Damals konnten
ECHELON-Staaten auf erhebliche Teile des E-Mail-Verkehrs zugreifen. Heute regionalisiert sich auch das. Der Switch
für die deutsche Kommunikation sitzt in Frankfurt, das ist der De-CIX, über den mehr als 95 Prozent der E-Mails
laufen. 
Wir haben aus verschiedenen Mitgliedstaaten mit Traceroute Versuche gemacht, um die Wege der Internetkommunikation
herauszufinden. Es zeichnete sich dabei eines ab. Überall dort, wo sie nicht in kleinen Ländern wie Griechenland
oder Luxemburg stattfand, wo noch viel über das Wissenschaftsbackbone und damit über Amerika geht, dort also, wo
es schon stärker ausgebaute Netze gibt wie in Frankreich, Deutschland oder Italien, geht fast nichts mehr über den
Atlantik. Das ist eins von den Beispielen, wie Sie herausfinden können, was die Dienste bekommen können, auch wenn
sie einem nichts direkt sagen. Von außen läßt sich deduktiv schon einiges erschließen. Das gilt auch für die
Abhörbarkeit von Handys.
 


 Lassen sich Handys per Satellit abhören? 

  Gerhard Schmid: Das geht technisch nicht. Satelliten im Weltraum versuchen ja über ein möglichst großes Gebiet
Funksignale einzusammeln. In Europa ist der Mobilfunk über Funkzellen, die jeweils 30 Kilometer weit reichen,
organisiert. Das Ganze ist ungefähr in Gitternetze aufgeteilt. Die verschiedenen Gesprächskanäle werden über
verschiedene Frequenzen abgewickelt. 
Wenn Sie sich an einem Ort einwählen, benutzt die Funkzelle eine bestimmte Frequenz. Die benachbarten Funkzellen
benutzen jedoch andere Frequenzen. Nach einer gewissen Entfernung wiederholen sich jedoch wieder die benutzten
Frequenzen. Bei einer Abstrahlung in den Weltraum mischen sich diese Frequenzen und Sie können sie nicht mehr
einzeln auseinander halten. 

Die Sendestärken sind ein zweites Argument dagegen, dass man Handy-Kommunikation aus dem Weltraum abhören
kann. Aus der Nähe können Sie natürlich ein Handy abhören, aber wir reden ja über die Möglichkeiten eines global
organisierten Systems. Wenn ich in der Nähe eines Gebäudes bin und zum Rechtsbruch entschlossen bin, kann ich
alles. Davon reden wir aber nicht, da dies Präsenz vor Ort voraussetzt. Global arbeiten heißt jedoch exterritorial
arbeiten. Das geht aber mit Handys nicht. Anders ist dies natürlich bei den Koffersatellitentelefonen, die über
Inmarsat laufen. Das sind die Satelliten, über die auch der gesamte Schiffsverkehr abgewickelt wird. Davon werden
drei Zonen der Erde abgedeckt. Alles was Inmarsat ist, kann man natürlich abhören. Technisch ist dies sogar mit am
einfachsten.
 


 Wie steht es mit der Abhörbarkeit einer Richtfunkstrecke? 

  Gerhard Schmid: Seit der Entwicklung der Glasfasertechnik nimmt die Bedeutung der Richtfunkstrecken dramatisch
ab. Sie erlaubten ohne größeren Aufwand größere Entfernungen zu überbrücken. Eine zeitlang waren die
Richtfunkstrecken eine Backup-Struktur für das Kabel. Aber mit den Glasfaserkabeln ist die Bedeutung der
Richtfunkstrecken dramatisch zurückgegangen. Abhören lassen sich die Richtfunkstrecken dann, wenn man sich direkt
in die Achse der Strecke zwischen oder hinter der Empfangsantenne hineinstellt, denn der Funk wird gebündelt. Wenn
man sich aber parallel zur Achse der Strecke stellt, muss man schon sehr nah daran sein, um abhören zu können. Da
die Stasi dies eine zeitlang gemacht hat, konnte ich diese Aussage der Techniker auch gegenprüfen lassen. 
Demnach könnte man mit Hilfe eines geostationären Satelliten im Weltraum nur dann eine Richtfunkstrecke abhören,
wenn er auf der Verlängerung der Strecke ins All sitzt. So ein Aufwand ist jedoch nur für militärische
Richtfunkstrecken denkbar, über die zum Beispiel wesentliche Befehle für U-Boote oder Raketen übermittelt
werden. Angeblich wurde dies aus diesen Gründen einmal mit einer Richtfunkstrecke in Sibirien gemacht, aber dies
ist nicht sauber belegt. Für ein systematisches Abgreifen der normalen Kommunikation ist dies jedoch im Moment
jenseits der technischen und finanziellen Möglichkeiten.
 


 In den Hauptstädten ist diese Technik jedoch immer noch sehr interessant? 

  Gerhard Schmid: In den Hauptstädten habe ich Nahverkehr. Natürlich muss ich davon ausgehen, dass in den
Konsulaten und Botschaften Abhöreinrichtungen für den lokalen Nahverkehr vorhanden sind. Für das Abhören von
Richtfunk genügen hier normale Stabantennen. Richtfunkstrecken werden in Städten aber normalerweise nicht
verwendet, höchstens in Städten, die in einem Tal liegen, wo sie auf beiden Talseiten Gebäude haben, um den Kessel
zu überbrücken. 
Das war in Bonn ja der Fall, das dürfte in Berlin jetzt etwas schwerer sein.
 


 Wie sieht das mit den Unterwasserkabeln aus? 

  Gerhard Schmid: Das Anzapfen von Unterwasserkabeln spielt kaum eine Rolle. Es wurde von den USA mit
Kupferkoaxialkabeln gemacht, über die unverschlüsselte Kommunikation zu den U-Boothäfen im russischen Eismeer
gelaufen ist. Mit Hilfe einer Spule, die man mit einem U-Boot neben das Kabel legt, kann man bei der
Kupferaxialtechnik auf elektromagnetischem Wege das Kabel nach dem Transformatorprinzip anzapfen. 


 Und mit neuer Glasfaser-Technik? 

  Gerhard Schmid: Bei Glasfasern funktioniert das nicht. Bei den alten Glasfaserkabeln musste in bestimmten
Abständen in das Kabel ein Verstärker eingebaut werden, der die Lichtwellen in Strom und dann wieder in
Lichtwellen umwandelte. Das kann man theoretisch induktiv anzapfen. Das Problem ist dann aber folgendes. Die
riesige angezapfte Informationsmenge können Sie auch nur wieder über ein Glasfaserkabel weiterleiten. Das können
sie nicht auf ein anderes Medium umsetzen. Sie müssten deshalb von der Anzapfstelle direkt ein Kabel
weiterziehen. Das macht nur Sinn, wenn Sie sich direkt mit einem U-Boot daneben setzen und dort auch
auswerten. Das ist ein Riesenaufwand. 
Es gibt das Gerücht, dass es für solche Zwecke ein Abhör-U-Boot gebaut wird. Aber auch das würde nur für
militärische Zwecke genutzt werden, aber nicht für einen Einsatz im globalen Überwachungssystem. Bei den modernen
Glasfaserkabeln funktioniert auch das nicht, weil die Verstärker mit Erbiumlasertechnik funktionieren.
 


 In manchen Gebieten hat ja der Satellit angeblich nur noch einen Anteil von 10 Prozent. 

  Gerhard Schmid: Wenn Sie der Ökonomie der Telekommunikation folgen, ist der Satellit dort das Mittel der Wahl,
wo sie ein Gebiet mit wenigen Anschlüssen versorgen müssen. Das ist in Afrika oder in Teilen von Lateinamerika der
Fall. Wenn Sie eine Weltkarte mit Seekabeln betrachten, werden Satelliten in der Regel dort eingesetzt, wo wenig
Seekabel anlanden. Es hat für mich einen tieferen Sinn, wenn der Bundesnachrichtendienst jetzt an die Leitungen
will, weil die mengenmäßige Bedeutung der satellitengestützten Kommunikation, die nach Deutschland aus dem Ausland
kommt, dramatisch abnimmt. 
Wenn ich die ganzen Erkenntnisse zusammenfasse, komme ich zu dem Schluss, dass die im ersten STOA-Bericht von
Steve Wright aufgestellte Behauptung, dass mit einem globalen Abhörsystem jegliche Kommunikation abgehört werden
kann, Unfug ist. Dieses Szenario war paranoid. Das übersteigt die technischen Möglichkeiten. Aber es bleibt noch
genügend übrig. Zu sagen, es würde nicht gemacht, stimmt natürlich auch nicht.
 


 Was halten Sie von dem Bericht von Duncan Campbell? 

  Gerhard Schmid: Ich werde mir ein Endurteil bilden, wenn wir mit den Ermittlungen fertig sind. Dass es ein
global arbeitendes Abhörsystem gibt, steht für mich inzwischen außer Zweifel. Ob es nun gerade den Codenamen
ECHELON trägt oder anders heißt, ist für seine Existenz und seine Auswirkungen unerheblich. Wir sind dabei,
Details zu überprüfen, zum Beispiel was die Lage der Abhörstationen betrifft. 


 Wie werden Sie das überprüfen? Werden Sie hinfahren? 

  Gerhard Schmid: Wenn ich Zeit hätte, würde ich das gerne tun, ja. Aber es gibt glücklicherweise für viele davon
veröffentlichte Bilder Es müssen einige Voraussetzungen gegeben sein, um festzustellen, ob es sich um eine
Abhörstation für internationale Kommunikation handelt. Die Station muss innerhalb des Ausleuchtgebietes
liegen. Die Satelliten haben alle eine Antenne mit einem sehr großen Ausleuchtbereich, daneben aber sogenannte
hemibeams, zone beams oder auch zwei oder drei so genannte Spots. Wenn ich alles mitkriegen will, muss ich mich in
den Spot hineinbegeben. Wir analysieren das gerade. 


 Sie haben die Karten mit den Ausleuchtzonen? 

  Gerhard Schmid: Wir haben sie alle und legen sie im Moment übereinander. Dies ist das erste Kriterium. 
Das zweite Kriterium ist folgendes. Wenn man die niedrigen Frequenzen im C-Band abhören will, - das ist der
Bereich, mit dem man große Räume ausleuchten kann -, braucht man für ein vernünftiges Signal-Rauschverhältnis eine
entsprechend große Emfangsantenne. Für diesen bestimmten Teil der Satelliten-Kommunikation braucht man Schüsseln
mit einem Umfang von 20 bis 30 Metern. Wenn Sie nur über eine kleinere Schüssel verfügen, bekommen Sie einen Teil
der Kommunikation nicht mit. 

Wenn Sie zum Beispiel nach Bad Aibling gehen, werden Sie feststellen, dass dort keine 30 Meter große
Empfangsschüssel steht. Ich weiß noch nicht genau, was die dort machen, aber das C-Band von Intelsat hören sie
dort nicht ab. Für die Satellitensteuerung oder für militärische Anwendungen genügen dagegen kleinere
Schüsseln. Wenn Sie einen Sigint-Satelliten betreiben, der beispielsweise Signale von einem Jeep irgendwo im Irak
aufgreift, brauchen Sie am Satelliten einen sehr großen Empfangsschirm, um das schwache Signal vernünftig
empfangen zu können. Wenn Sie das Signal dann an die Bodenstelle weiterleiten, tun Sie das aber sehr gebündelt, da
Sie ja nicht wollen, dass alle anderen dies mitbekommen. Also reicht eine kleine Empfangsantenne. 

Das dritte Kriterium ist, es darf sich nicht um Post-Schüsseln handeln, sondern die Schüssel muss vom Militär oder
vom Geheimdienst betrieben werden. Das ist zum Beispiel in Cornwall der Fall. Nach dieser Logik kann man also
ermitteln, wo die Stationen stehen müssen. 

Wir können also nur mit der Methode des Indizienbeweises arbeiten, denn kein Geheimdienst wird von sich aus
erzählen, was tatsächlich abläuft. Auch vor keinem Untersuchungsausschuss. Außer Sie hätten natürlich einen
Überläufer.
 


 Wie haben sich Frankreich und Großbritannien gegenüber dem Ausschuss verhalten? 

  Gerhard Schmid: Wir sind selbst nach Paris und London gegangen, mit gutem Grund. Der Berichterstatter des
Echelon-Ausschusses im Französischen Parlament, Herr Paecht, war bei uns und hat erzählt was in seinem Bericht
steht. Wir waren dann in Paris bei Herrn Malet, dem Directeur General pour la Securité. Er ist zuständig für die
Geheimdienste, aber auch generell für die Sicherheit.. Wir haben zwei Stunden mit ihm geredet, aber er hat uns
natürlich nicht erzählt, was die französischen Dienste im Detail tun. Aber er war nicht unkooperativ. Mit einem
Kontrollausschuss für Geheimdienste konnten wir nicht reden, weil es in Frankreich nämlich kein parlamentarisches
Kontrollgremium für die Geheimdienste gibt, was Herr Paecht in seinem Bericht auch beklagt. Das Interessante beim
Gespräch mit Herrn Malet war, dass er sich gar nicht so darüber beschwert hat, was die Amerikaner machen. 


 Das bedeutet für Sie was? 

  Gerhard Schmid: Es gibt Gerüchte, dass die Amerikaner den Franzosen beim Aufbau des eigenen Abhörsystems
technisch geholfen haben. Es ist trotz des politischen Theaterdonners nicht so, dass auf der Ebene der
Nachrichtendienste nicht etwas entspannter zusammen gearbeitet werden würde. Die Hilfe wird wohl im Bereich der
Computer, der keywords gewesen sein. Dazu hat er sich aber nicht geäußert. Aber das dürfte einfach
nachzurecherchieren sein, wenn man sieht, welche Schüsseln die Franzosen aufgestellt haben. Aber für mich ist das
eine Nebenbaustelle. Was bringt uns das für unsere Zielsetzung? Die Kernfrage ist: Was kann ein solches
System? Wie bedrohlich ist es? 


 Gab es eine offizielle Bestätigung für Echelon? 

  Gerhard Schmid: Er hat zumindest indirekt bestätigt, dass es so etwas wie Echelon gibt. Das sagt auch Herr
Paecht, das sagt auch die niederländische Regierung. 


 Was konnten Sie in Großbritannien herausfinden? 

  Gerhard Schmid: Wir haben dort mit Tom King geredet, dem Vorsitzenden des Parlamentarischen
Kontrollausschusses. Von ihm wissen ebenfalls indirekt, dass es das UKUSA-Agreement gibt. In London haben wir
durch die Art der Antworten eine Menge Dinge bestätigt bekommen, die wir schon zu wissen geglaubt haben. Das gilt
auch für das Gespräch mit dem britischen Innenminister Jack Straw, der in diesem Fall die gesamte Regierung
vertreten hat. Um ein Bespiel zu geben, die Dichte der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit zwischen den USA und
England ist offenbar schon sehr hoch. 
Einen Termin mit Außenminister Robin Cook haben wir nicht bekommen, obwohl er eigentlich für das General
Communications Headquarter (GCHQ) zuständig ist. Für die Briten ist das nämlich eine sehr heikle, hochideologische
Angelegenheit, wenn ein europäischer Parlamentsausschuss sich mit ihren inneren Angelegenheiten befasst - und so
haben sie das Problem etwas umschifft. 

Aber auch hier kann ich nicht sagen, sie seien unkooperativ gewesen. Wir haben viel erfahren, auch eine Menge über
die britische Rechtslage. Mich hat interessiert, ob es dort eine entsprechende Regelung wie in Deutschland gibt,
die das Abhören durch den Bundesnachrichtendienst technisch auf die hereinkommende Kommunikation begrenzt. Diese
Frage spielt eine wichtige Rolle, da in London ein großer Switch sitzt und die meisten Seekabel in Großbritannien
anlanden.
 


 Was darf der britische Geheimdienst? 

  Gerhard Schmid: Der britische Geheimdienst darf technisch an alles, was rein und raus kommt. Rechtlich darf der
Dienst aber nur im Rahmen der politischen Weisungen handeln. Bei Hinweisen, dass Teile einer Giftgasfabrik
ausgeliefert werden sollen, entscheidet der Außenminister, dass damit in Verbindung stehende Kommunikation
ausgewertet werden darf. Er entscheidet über die Einstellung des Filters. Der Dienst darf also nicht von sich aus
tun, was er will. Es geht immer auf politische Weisungen zurück. Darüberhinaus gibt es ein Oversight Committee,
wobei die Prüfung im Detail durch Stichprobenprüfungen durch einen hohen Richter vorgenommen wird. Er publiziert
dann im nachhinein einen Bericht darüber, ob die Sachen verhältnismäßig gehandhabt werden. Bei uns muß hingegen
der G-10-Ausschuss vor einer Abhöroperation die Genehmigung erteilen. In Großbritannien entscheiden je nach Lage
der Innenminister oder der Außenminister, wobei sie sich auch gegenseitig vertreten können. 


 Wie sieht das mit der Wirtschaftsspionage aus? Sind die Dienste dazu befugt? 

  Gerhard Schmid: Meine Antwort ist "Ja" und "Nein". Beginnen wir mit dem "Ja". Alle Nachrichtendienste
interessieren sich für wirtschaftliche Tatbestände. Die Frage, um die es geht, ist, "sind es Tatbestände
allgemeiner Art?" Also Branchenentwicklungen, Entwicklung der Situation auf Rohstoffmärkten, Einhaltung von
Wirtschaftsembargos, Einhaltung der Lieferregeln für Dual-use-Güter. Im Fall von Wirtschaftsembargos werden Firmen
dann überwacht, wenn es einen Anfangsverdacht gibt, dass sie sich nicht an das Embargo halten. Da Spionage für
mich das Stehlen von Informationen gegen den Willen desjenigen ist, der die Informationen hat, nenne ich das
Wirtschaftsspionage, selbst wenn es in einem solchen Falle sinnvoll sein kann, abzuhören. 
Kommen wir zum "Nein". Wenn gezielt Informationen beschafft und eigenen Unternehmen zuspielt werden, damit sie
einen Wettbewerbsvorteil haben, dann wird die Geschichte empfindlich. Wenn ein Unternehmen das gegen ein anderes
Unternehmen macht, nennt man das Konkurrenzspionage. Wenn der Staat sich für Konkurrenzspionage
instrumentalisieren lässt, ist die Grenze erreicht. Hier sagen die Briten, dass sie dies nicht tun und dass dies
nicht unter die Definition des "Economic Well-being" fällt. 

Dieselbe Formulierung mit dem "Economic Well-being" finden Sie in der Rechtssprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte. Es untersuchte die Vereinbarkeit des Abhörens mit den Menschenrechten in etlichen
Prozessen. Eine der Voraussetzungen für legales Abhören ist, dass es einem bestimmten legalen Zweck dienen
muss. Darunter zählen die Innere Sicherheit, die Militärische Sicherheit, aber auch das wirtschaftliche Wohl eines
Landes - nicht jedoch das wirtschaftliche Wohl eines Unternehmens.
 


 Herr Schmid, vielen Dank für das Gespräch. 



Links 


Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/ech/7428/1.html 



--------------------------------------------------------------------------------

Copyright © 1996-2001 All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten
Verlag Heinz Heise, Hannover