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Re: Spam auf der Liste



On Mon, 7 May 2001 11:44:43 +0200 (CEST), Heiko Recktenwald
wrote:

>> |OB1997 >>Seit heute Nacht 2:00 MET nimmt geocities.com, iname.com und
>> |OB1997 >>bigfoot.com sowie deren Aliase stones.com u.a. keine Mails mehr aus
>> |OB1997 >>204.68.24.190 an. usa.net wurde informiert, eine Erklärung
>> |OB1997 >>derselbstigen steht noch aus, wird diese nicht nachgereicht (sollte
>> |OB1997 >>sie, werde ich sie hier veröffentlichen) überlegen wir uns, usa.net
>> |OB1997 >>vollständig zu sperren.
>
>> Was mich in dem Zusammenhang etwas erstaunt, ist das äusserst
>> geringe Spam-Aufkommen auf der Liste.
>
>Kann man die Faelle eigentlich vergleichen ?

Absicht hinter dem Herausholen der alten Kamelle, war es, den
emotionalen Kontext zu verdeutlichen, aus welchem Olaf und ich
uns kennen, als im selben Thread Uli Horlacher, Olaf Boos und
Konsorten den "Spambefürworter" M. R. öffentlich damit bedrohten,
einen Bus für Spamhater zu chartern, um "Ihn uebers Knie zu
legen", weil er Lutz angegriffen hatte. Auch wenn es
offensichtlich Spass war, müssen erwachsene Menschen erstmal auf
so eine Idee kommen.

Es war damals allzu offensichtlich, dass weder die
Unternehmensleitung, noch die Kunden etwas von dem Kampf ahnten,
den diverse Administratoren auf dem Rücken des Brief- oder
Fernmeldegeheimnisses ihrer Kunden führten. Der heutige
"Freiheitsaktivist" und "Privacy-Spezialist" Lutz Donnerhacke
berief sich übrigens darauf, dass seine (zufällig) mitsamt der
Domain des Arbeitgebers überall in FAQs beworbene Teergrube
Nachrichten für die Kunden nicht einfach auf dem Beförderungsweg
unterdrückt, sondern nur beliebig verzögert.

>Im einen Fall wurde jemand ("offenes mail relay") dazu gebraucht, Spams an
>beliebige Personan im Internet zu versenden, im anderen Fall wird fitug
>dazu benutzt, eine bestimmte Gruppe zu erreichen. Was im zweiten Fall
>geschieht ist doch letztlich nicht anderes als bei jedem Mailserver
>geschieht, der fuer seine Leute bestimmte mails annimmt. Es geht letztlich
>nur um etwas wie einen privaten Mailfilter. Da kann man doch durchaus
>unterschiedlich entscheiden.

In diesem Thread auf der Liste debate@fitug.de wurde die
Bedrohung durch Spam trotz minimalem Aufkommens immer wieder
hochstilisiert und ich sehe in dem Zusammenhang mit jeglichem
Missbrauch durch Nutzer von Telediensten die Tendenz, ihnen
weitgehend eine Mitsprache zugunsten der "Eigentumsrechte" der
Betreiber abzusprechen. Allein das vielfach in Diskussionen
zitierte Hausrecht der Diensteanbieter auf ihren Servern bedeutet
letztlich, dass in virtuellen Räumen das Recht auf free speech
relativiert, wenn nicht geleugnet wird. Das von der Intention
sehr gute TDDSG versucht dem zumindest durch Normen zur Wahrung
der Privatsphäre gegenzusteuern, wird aber selbst von öffentlich
rechtlichen und ehemals staatlichen Betreibern geflissentlich
ignoriert. Wenn es gilt, Nutzer als potentielle Missbraucher in
ihre Schranken zu verweisen, ist jedes Mittel recht. So wird der
Student schon an vielen Universitäten mit dem Konzept des
"Hausrecht" von Dienstherr, Arbeitgeber bzw. dem Diensteanbieter
auf dem jeweiligen Server vertraut gemacht. Dass genau mit
demselben Ansatz jegliche Inhaltliche Kontrolle gerechtfertigt
werden kann, stört auch die Datenschutzbeauftragten nicht, und
man gibt sich Mühe mit Konstrukten, welche die gängige Praxis als
normenkonform darzustellen versuchen.

>Man kann auch im ersten Fall gegen Filter argumentieren ohne
>Spambefuerworter zu sein. Vielleicht liesse sich so der staatliche Druck
>gegen Spammer erhoehen. Immerhin hat Bruessel Spam noch nicht erlaubt.

Der staatliche Druck gegen Spammer resultiert zwangsläufig in
staatlichem Druck gegen Bürger, die frei Informationen verbreiten
(wollen). Informationen sind das Machtmittel der neuen
Informationsgesellschaft und Aufmerksamkeitsökonomie schlechthin.
Die umfassende inhaltliche Kontrolle dieser Informationen durch
den Staat kann niemand ernsthaft wollen. Solange man den Inhalt
einer Nachricht erst nach dessen Kontrolle auswerten kann, zielt
jede _zentral_ gesteuerte Massnahme gegen Spam primär gegen die
freie Verbreitung von Informationen und sekundär gegen das
Fernmeldegeheimnis.

>Letzteres ist zwar schon 100 000 diskutiert worden, Lessig hat einen Artikel
>gegen das Cowboytum von ORBS etc geschrieben, habs fuer "Big Brother" 
>vorgeschlagen, aber wenn man schon von Spam redet...

Derzeit sieht es so aus, als wäre der FITUG als Tiger gesprungen
und nach dieser 100.000sten Diskussion als Bettvorläger gelandet.
ORBS und RBL sind Censorware erster Güte und das Kriterium für
die Selektion guter von schlechten Nachrichten ist der Inhalt
(nach dem DATA-Command übetragener Text). Anders macht es ja
keinen Sinn. So mancher undemokratische Machthaber würde wohl
einiges für ein solches Instrumentarium geben, mit dem sich der
Informationsfluss abhängig vom Absender bzw. der Quelle steuern
lässt.

Paul Vixie hatte Mitte der 90er noch in seinen ersten
selbstkritischen Rechtfertigungstexten zu RBL die Redewendung
gebraucht, sein Ansatz würde "das Kind mit dem Bade ausschütten"
("throw out the child with the bathwater"), es war auch eine ganz
klare Rechtfertigung mit dem Sippenhaftkonzept enthalten, da bei
seinem Ansatz 'unschuldige' Nutzer für den Missbrauch durch
Dritte mit der Unterdrückung ihrer Nachrichten bezahlen sollen.
Der (auch kommerzielle) Erfolg seines Ansatzes hat seine
Selbstkritik zum Verstummen gebracht. Seine Verdienste als
Programmierer sind auch wirklich unübersehbar und für viele junge
Informatiker könnten Vorbilder aussehen wie Paul.

Im Bereich der Administration im Umfeld des USENET und von Mail
hat sich zudem die Spamhaterideologie in Nischen als
karriereförderndes Instrument bis hinein in die
free-speech-Bewegung bewährt.

Konstruktive Vorschläge?

Ich würde im USENET und auf Listen zunächst autoritäre Strukturen
und die sozialen Mechanismen inhaltlicher Kontrolle hinterfragen
und grundsätzlich die Förderung bewusster Selektion beim
Rezipienten fördern. *Jeder* Netizen wird letztendlich im
Hinblick auf die Vorteile freien Informationsflusses die
Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Beste Grüsse,

Günther