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Swpat-Konsultationsfragen



Derzeit sind einige europäische Regierungsstellen damit beschäftigt, allerlei
Studien zum Thema Swpat zu veranlassen, deren Fragestellung unklar ist und die
z.T. die Funktion erfüllen, die Situation verworrener zu machen, um den
Politikern zwischen den Stühlen der Interessengruppen einen Freiraum zu
schaffen, der ihnen erlaubt, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen,
ohne sich dabei unversehens weh zu tun.

Wir listen unter

    http://swpat.ffii.org/stidi/

seit einiger Zeit die Fragen auf, die eigentlich zu erörtern wären.  Diese
Frageliste wurde noch mal um einiges verfeinert, insbesonders die zentrale
Frage 7, bei der es um die Wahlmöglichkeiten bei der EU-Richtlinie geht.

Softwarepatente-Konsultationsfragen

   Verschiedene Regierungsorgane haben immer wieder Konsultationen über
   die Patentierbarkeit von Computerprogrammen durchgeführt, aber in den
   meisten Fällen wurden von vorneherein falsche Fragen gestellt, die zu
   Scheindebatten und weitgehend nutzlosen Studien führten. Wir glauben,
   dass eine seriöse Diskussion von den folgenden Fragen ausgehen sollte.
   
    1. Bei wieviel % der [36]bislang vom EPA gewährten ca 30000
       Softwarepatente ist der beanspruchte Beitrag zum technischen
       Fortschritt so wertvoll, dass es sich für uns als Gesetzgeber
       lohnen könnte, diesen Beitrag mit einem mehrjährigen Monopol zu
       erkaufen? (Bitte zitieren Sie die Hauptansprüche von ein paar
       EPA-Softwarepatenten, um Ihre Aussage zu erläutern?)
       Was wird typischerweise bei EPA-Softwarepatenten beansprucht,
       welcher Erfindungsaufwand steckt dahinter und wie wahrscheinlich
       ist es, dass jemand unabhängig auf die gleiche Idee kommt?
    2. Inwieweit leidet die Innovationsfreude der Softwarebranche an zu
       schneller Nachahmung?
       Bedarf das Software-Urheberrecht einer Verbesserung oder einer
       Ergänzung durch das Patentrecht?
       Wie müsste ein optimales "maßgeschneidertes
       Software-Vergütungsrecht" (lex sui generis) aussehen?
    3. Warum gibt es Freie Software aber nicht freie Hardware?
       Wie unterscheidet sich die Ökonomie der immateriellen Güter von
       der der materiellen Güter?
       Welche Rolle kann/soll freie Software für die
       Informationsgesellschaft spielen?
       Unter welchen Regeln können proprietäre und freie Software
       produktiv zusammenwirken?
    4. Nach welchen Regeln beurteilen EPA, BGH und BPatG heute die
       Patentierbarkeit von Software?
       Sind diese Regeln klar?
       Wo wurden sie am klarsten formuliert?
    5. Nach welchen Regeln beurteilten EPA, BGH und BPatG um 1980 die
       Patentierbarkeit von Software?
       Waren diese Regeln klar?
       Wo wurden sie am klarsten formuliert?
    6. Gibt es internationale Verträge oder andere rechtliche
       Beschränkungen, welche unseren gesetzgeberischen
       Handlungsspielraum bezüglich Softwarepatenten einengen, etwa indem
       sie eine Patentierbarkeit von Software erfordern, verbieten oder
       an Bedingungen knüpfen?
    7. Welche klaren Abgrenzungsregeln zur Patentierbarkeit oder
       Patentdurchsetzbarkeit stehen derzeit zur Debatte?
       Wie viel % der bisher erteilten EPA-Patente (Hard- und Software)
       würden durch die jeweilige Abgrenzungsregel als rechtsbeständig
       und durchsetzbar bestätigt?
       Beurteilen Sie bitte zunächst die folgenden Optionen:
       
        Bereich der patentierbaren Ideen:
                
              [37]"Praktische und wiederholbare Problemlösungen":
                      Handlungsanweisungen aller Art könen patentiert
                      werden, sofern sie unabhängig von einem Menschen
                      wiederholbar sind und einen vorhersehbaren Effekt
                      erzielen. D.h. die Lösung sollte unabhängig von den
                      teilnehmenden menschlichen Subjekten funktionieren,
                      und sie sollte sich in der materiellen Welt
                      ereignen. Rein mathematische Lösungen sind
                      patentierbar, müssen aber auf bestimmte praktische
                      Anwendungen eingegrenzt werden. Diese Doktrin wird
                      sowohl vom US-Patentamt als auch von führenden
                      Rechtsdogmatikern des EPA bevorzugt.
                      
              [38]Technik als angewandte Naturwissenschaft

                      Die Erfindung muss neue Wirkungszusammenhänge von
                      Naturkräften lehren und darf sich nicht in
                      "Organisations- und Rechenregeln" erschöpfen. Wer
                      nicht Probleme des unmittelbaren
                      Naturkräfteeinsatzes sondern nur Probleme innerhalb
                      einer abstrakten Maschine oder eines bekannten
                      Modells löst, trägt nichts zum "Stand der Technik"
                      bei.  Diese Doktrin wurde von deutschen Gerichten 
                      (BPatG und BGH) bis in die 80er Jahre zur Reife gebracht 
		      und findet sich in Gesetzeskommentaren,
                      Prüfunsrichtlinien und BPatG-Urteilen bis ins Jahr 2000
		      wieder.  Die Eurolinux-Allianz fordert für die Zukunft
		      eine konsequente Anwendung und Weiterentwicklung dieser 
		      Doktrin.

              [39]Abstraktionen in Reinform:

                      Diese gelegentlich von Freunden der äußersten
                      Konsequenz ins Gespräch gebrachte Doktrin erlaubt
                      die Patentierung rein abstrakt-mathematischer
                      Methoden ohne Bindung an bestimmte praktische
                      Anwendungen. Die Frage der Patentierbarkeit wird
                      nicht mehr gestellt. Das lenkt den Blick auf die zu
                      oft vernachlässigte Frage, gegen welche konkreten
                      Realitäten die abstrakten Ansprüche denn
                      durchsetztbar sein sollen.
                      
              [40]"Dynamischer Technikbegriff":

                      "Man rühre alle drei obigen Doktrinen durcheiander
                      und treibe in Zickzack-Bewegungen von Urteil zu Urteil 
                      auf einen Zustand grenzenloser Patentierbarkeit zu. Um der
                      "Rechtssicherheit" (= Verhinderung des Widerstandes
                      "konservativer" Gerichte) willen lasse man sich
                      diesen Kurs gelegentlich vom Gesetzgeber durch
                      allerlei biegsame Gesetze und Richtlinien
                      bestätigen." Böse Zungen behaupten, diese Realität
                      sei gemeint, wenn interessierte Patentjuristen die
                      Vorzüge eines "dynamischen Technikbegriffs"
                      preisen.
                      
        Bereich der Verletzungshandlungen:

                Informationsgebilde und andere Immaterialgüter tendieren
                dazu, Gemeingut zu sein oder zu werden. Für sie gelten
                ähnliche ökonomischen Regeln wie für menschliche
                Gedanken. Es wäre möglich, sie grundsätzlich nicht als
                Verletzungsgegenstände zu betrachten, egal was im
                Patentanspruch steht. Patente könnten dann nicht genutzt
                werden, um die Verbreitung von Immaterialgütern zu
                unterbinden. [41]Lutterbeck, Horns und Gehring
                formulieren dies als "Quelltextprivileg", aber auch eine
                grundsätzliche "Privilegierung" aller Immaterialgüter
                (z.B. Informationsstrukturen jedweder Art auf
                Datenträger, sowie der Einsatzes solcher
                Informationsstrukturen auf Universalrechnern,
                Musikabspielgeräten u.dgl.) wäre denkbar. Nicht nur die
                Privatsphäre sondern auch die öffentliche
                Informationsallmende bliebe patentfrei, und der Raum der
                potentiellen Verletzungsgegenstände würde auf die Sphäre
                der (ihrem Wesen nach für den privaten Besitz bestimmten,
                industriell hergestellten) materiellen Güter eingegrenzt.
                Die Frage, ob Patente auf "Organisations- und
                Rechenregeln" u.dgl. zulässig sein sollen oder nicht,
                rückt in den Hintergrund. Beliebige Kombinationen mit
                lascheren oder strengeren Patentierbarkeitsdoktrinen sind
                möglich.
                
        Erfindunghöhe:
                Einige Leute suchen nach wirksamen Kriterien und
                Spielregeln, die es erlauben, mit der Forderung nach
                Erfindungshöhe ernst zu machen und triviale Patente zu
                eliminieren. Das holländische Parlament hat etwa
                gefordert, dass dieses Problem gelöst werden müsse, bevor
                über die Patentierbarkeit von Software diskutiert werden
                könne.
                
        Organisation des Patentwesens:
                Seit Jahrzehnten wird oft kritisiert, das
                Patentprüfungssystem sei seiner Aufgabe,
                ungerechtfertigte Patentansprüche schnell und zuverlässig
                auszusortieren, nicht gewachsen, und es habe sich eine
                Eigendynamik entwickelt, die zu immer mehr und immer
                fragwürdigeren Patenten führe. Der französische
                Abgeordnete Le Déaux fordert gar, eine Kommission
                einzurichten, die Fehlsteuerungen im europäischen
                Patentwesen untersuchen und Empfehlungen zu einer
                institutionellen Reform geben soll. Manche Leute meinen,
                der Schlüssel zur Verbesserung liege weniger in den
                Gesetzesregeln der Patentierung als in dem
                institutionellen Rahmen, in dem diese Regeln angewendet
                werden.
                
    8. Was passiert mit den Patenten, die nach einer neuen Richtlinie
       keinen Bestand mehr haben?

Verweise

  36. http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/index.de.html
  37. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/jwip-schar98/
  38. http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/
  39. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/irle-laat00/indexen.html
  40. http://swpat.ffii.org/stidi/korcu
  41. http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bmwi-luhoge00/indexde.html

--
Hartmut Pilch 
FFII e.V. 					   http://www.ffii.org/
Petition Fuer ein Softwarepatentfreies Europa  http://petition.eurolinux.org/