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Re: Erfinderinteressen und Patentierungskosten



> >Es gibt eine "Erfinderbewegung" (gelegentlich auch
> >"Erfinderromantik-Bewegung" genannt), die historisch im wesentlichen die
> >Funktion erfuellt hat, den Zugang zu Patenten zu verbilligen und auf diese
> >und andere Weise die Patentinflation anzuheizen (und damit die Lage fuer
> >Einzelerfinder effektiv zu verschlechtern).

...

> Es ist ganz herrschender common sense und eine grundlegende Frage der
> Rechtsstaatlichkeit, daß der Zugang zu Rechtsmitteln NICHT
> selbstzweckhaft durch finanzielle Hürden erschwert sein darf. Im
> teuren Patentwesen gelingt das schlecht genug, aber immerhin hat man
> das Ziel nicht völlig aus dem Auge verloren, siehe zB
> Verfahrenskostenhilfe im PatG. Daß Sie dieses Ziel diskreditieren,
> weil es Ihnen gerade in den Kram paßt, zeigt, mit wie wenig
> prinzipiellem Verständnis und mit welch zynischer Beliebigkeit Sie
> argumentieren, und das mit so rüschchenhaft hübschen Garnituren wie
> "Pflege statt Pluenderung der Informationsallmende".

Jedes gewaehrte Patent bedeutet ein mehr an Unsicherheit und
Unabwaegbarkeit fuer die Marktteilnehmer.

U.a. aus diesem Grunde wurden die finanziellen Huerden bei der Einfuehrung
des Patentwesens in Deutschland 1873 bewusst hoch gehalten.  W. Siemens
und andere nahmen explizit davon Abstand, in Patenten ein "geistiges
Eigentum" des Erfinders zu sehen.  Es ging ihnen um eine Umlenkung des
Wettbewerbes in der Industrie.  Ziel war, nur wenige und starke Patente im
Umlauf zu halten.  Man nannte das "konservatives Patentieren".  Eine
solche Situation, wie W. Siemens u.a. sie anstrebten, ist fuer die
"kleinen Erfinder" viel besser als die Situation der allgemeinen
Rechtsunsicherheit.

Auch heute noch wird regelmaessig argumentiert, die Patentgebuehren
muessten mit der Laufzeit zunehmend steigen, damit mehr Patente aus dem
Verkehr gezogen werden.  Der Gedanke ist der gleiche wie 1873, nur war
man damals konsequenter.

Die Abkehr vom "konservativen Patentieren" faellt mit einer Abkehr von der
volkswirtschaftlichen Begruendung des Patentwesens und Hinwendung zur
naturrechtlichen Begruendung zusammen.

In dem Masse wie das Patentwesen etabliert und der Widerstand der
Volkswirte gebrochen war, erstarkte eine Patentbewegung, die ihre
Legitimitaet nicht mehr als tatsaechlichen Beitraegen zum Fortschritt der
Technik sondern aus moralischen Argumenten/Mythen ("Geistiges Eigentum",
"Schutz des kleinen Erfinders", "Technologietransfer") bezog.

Zum Glaubenskanon dieser Bewegung gehoert selbstverstaendlich auch die
Forderung, Patente muessten billig und leicht zugaenglich sein, da es
nicht um ein wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument sondern um eine
"grundlegende Frage der Rechtsstaatlichkeit und des Zugangs zu
Rechtsmitteln" gehe.

Dass Patente immer eine mehr oder weniger kostspielige Quelle der
Rechtsunsicherheit sind, die mithilfe einer Kostenhuerde fuer den Anmelder
ausbalanciert werden kann, ist inzwischen fuer viele ein ueberraschender
Gedanke.  Die Ideologisierung des Patentwesens hat dafuer gesorgt, dass
solche Aspekte ausgeblendet wurden.

Es ist ein normales soziologisches Phaenomen, dass jede Gruppe / Bewegung
sich ihren Glauben so zurechtlegt, dass er ihr selbst (a) schmeichelt (b)
Handlungsspielraeume eroeffnet.  Insofern ist obiger Glaube kaum
ueberraschend.  Auch andere Interessengruppen neigen zu dieser Art der
Mythenbildung.

Zynisch wirkt allerdings die Art, wie die Patentbewegung immer den
"kleinen Erfinder" vorschiebt, wenn es um weitere Patentinflation und
weitere Schaffung von Rechtsunsicherheit zu Lasten eben jenes kleinen
Erfinders geht.  Man muss naemlich kein Mathematiker sein, um sich
auszurechnen, dass je leichter der kleine Mann an Patente kommen kann
desto mehr Patente auch um ihn herum existieren werden.  Schon etwas mehr
Mathematik ist vielleicht vonnoeten, um zu zeigen, in welcher Weise diese
Situation der groesseren Rechtsunsicherheit sich zuungunsten des kleinen
Erfinders und zugunsten der grossen Portfoliobesitzer auswirkt.  Aber viel
Fantasie braucht man dazu auch nicht.  Die Patentbewegung setzt auf
Dummheit der Masse, und diese Rechnung duerfte bald nicht mehr aufgehen.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Pflege statt Pluenderung der Informationsallmende: http://www.ffii.org/
77800 Unterschriften gegen Logikpatente: http://petition.eurolinux.org/