[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Gesetzesauslegung vs Rechtsfortbildung



On Fri, May 25, 2001 at 10:32:43AM +0200, PILCH Hartmut wrote:
> > Es gibt Leute, die wollen ein bestimmtes Ziel erreichen ...
> >
> > und es gibt andere Leute, die die derzeitige Lage erklären...
> 
> > Was Rechtsfortbildung angeht, kann der ffii ja versuchen gegen eine
> > mehr als hundertjährige Tradition anzukämpfen. Insofern sind die
> > juristischen Äusserungen von Hartmut nicht gerade von vertiefter
> > Kenntnis geprägt.
> 
> zum Thema zu machen.  Es waere besser, stattdessen einfach die Argumente
> zu widerlegen, in denen die mangelnde Kenntnis zum Ausdruck kommt.

Hartmut, Du hast Sinn und Funktionsweise der Rechtsfortbildung
nicht verstanden. Diese hier zu erklären wäre wohl zuviel
verlangt, denn das braucht ein Buch. Die Rechtsfortbildung ist
ein fester Bestandteil unseres Systems. Sie entspringt den
unbestimmten Rechtsbegriffen. Wenn dem Gesetzgeber etwas nicht
passt, dann kann er diese Begriffe präzisieren. Das hat Dir PA
Pfeiffer erklärt. Er hat dann noch draufgesetzt, dass weder der
Gesetzgeber im Moment diese Rechtsprechung stoppen will noch
wollen die Gerichte in die Richtung, die das Ziel des ffii ist. 

Insofern ist "missbrauch" relativ und ist nur vor dem Standpunkt
des ffii wahr. Ich möchte hier noch einmal betonen, dass das Wort
"missbrauch" hier gefährlich ist, denn es hat eine Konotation mit
"Rechtsbeugung". Ich weiss, es ist manchmal frustrierend. Aber
gerade dann sollte man sich nicht gehen lassen und mehr
Angriffsfläche durch Polemik bieten. (Es ist ja schon wesentlich
besser geworden)

Du sagst also, das ist "missbrauch", weil es Dir nicht
passt. Vor diesem Hintergrund ist (fast) jede Gerichtsentscheidung
"missbrauch". 

Rechtsfortbildung orientiert sich immer auch an der Gesellschaft.
Das kann man schön an einigen Urteilen aus der Zeit zwischen '33
und '45 sehen. Dort war die Rechtsfortbildung eben nicht an der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientiert.

Ich erkläre nur, während Du versuchst, andere zu überzeugen. PA
Pfeiffer erklärt ebenfalls den Stand der derzeitigen Dinge und da
der ffii dagegen ist, wird Pfeiffer als Inkarnation des Gegners
attackiert. 

> 
> Ein "Angriff auf die Rechtsfortbildung" findet nicht statt.
> Ich zeigte nur auf, dass unter diesem Schlagwort beliebiger
> Missbrauch der Rechtsprechungsgewalt gerechtfertigt werden kann,
> und wollte wissen, inwieweit man dieses Phaenomen auch ausserhalb
> der Swpat-Rechtsentwicklung beobachten kann.

Das zu stoppen ist Sache des Gesetzgebers. Ich sehe allerdings
nicht, dass sich die Patentrechtsprechung ausserhalb des Rahmens
und im Bereich "missbrauch" bewegt. Übrigens behaupten die
Befürworter in den Aufsätzen auch, es gebe einen "missbrauch",
weil man Patente nicht zulasse..

Naja, es geht halt um viel Geld...

> 
> Bisher hat mir niemand, auch nicht PA Pfeiffer, diese Frage
> beantwortet.  Pfeiffer behauptet lediglich, EPA/BGH haetten die
> Regeln gar nicht geaendert und ihre Rechtsprechung sei stimmig
> und in Einklang mit dem Gesetz.

Womit er richtig liegt. Denn wie AHH so schön formuliert hat:
Hier "setzt" der BGH recht.
> 
> Das sind Behauptungen von jemandem, der ein Ziel hat.  Einen
> Erklaerungswert kann ich darin nicht erkennen.

Man kann von da aus mit ihm diskutieren, ob er das gut findet. Es
ist schwierig, jemand den Stuhl unterm Hintern wegzuziehen, wenn
ebenjener einbetoniert ist. 

Man muss den Unterschied sehen: Pfeiffer sagt, die haben so
entschieden und das ist stimmig. Das sagt nichts aus über gut und
böse. Wir sollten lieber diskutieren, warum er das gut findet.

Ich akzeptiere selbstverständlich nicht, dass jemand mir sagt: So
isses und Schnauze.
> 
> > Mit der Amerikanisierung und der damit stärkeren Polarisierung
> > Richtung common law wird das mit der Rechtsfortbildung noch
> > schlimmer..
> 
> M.a.W. es gibt hier tatsaechlich ein weiteres Schlachtfeld.

Man nennt es auch "Globalisierung": Vive José Bové ;)
> 
> Gerichte sollten sich auf die widersprucharme Gewichtung von Rechtsguetern
> beschraenken und Regelaenderungen auch dann dem Gesetzgeber ueberlassen,
> wenn die geltenden Regeln ihnen unangemessen erscheinen.

Du scheinst tatsächlich ein Verständnis des Rechts nahe am
Geschmack des letzten Jahrhunderts zu haben. Während der Streit
um Patent oder Nicht-Patent tobte, gab es einen Streit um die
"Begriffs-Jurisprudenz". Gerichte hätten nicht nach dem Sinn zu
fragen, sondern nur Worte, Grammatik und System auszulegen. (Das
System war auch fraglich).

Das gilt seit etwa 100 Jahren (mit dem BGB) als überwunden.
Falls Du die 100 Jahre alte Schlacht wieder fechten willst, hast
Du wirklich denkbar schlechte Karten. Willst Du wirklich an der
Interpretierung des Ehe-Paragraphen, so wie er vom Gesetzgeber
1900 gewollt war, festhalten? 

Man sollte sich auf Sinnvolleres konzentrieren. Eure Message hat
doch einige Instanzen von der Bundesregierung bis zur Kommission
zum Nachdenken gebracht. Dort müsst ihr nachlegen. 

Gibt es ein Paper auf einer A4-Seite, das die Folgen für
Open-Source anschaulich beschreibt? Was leistet der AHH-Ansatz
nicht? (Free Beer? aber bitte eine Antwort nicht über 20 Zeilen)

Die Diskussion findet im politischen Umfeld statt und ich würde
den Teufel tun, mich ins juristische ziehen zu lassen. Kohl hatte
immer recht =;): Was hinten rauskommt zählt. 

Das zu beschreiben ist Eure Aufgabe: Knapp, für die
Aufmerksamkeitsökonomie.

Habt Ihr schon 'mal versucht, Euch mit dem zuständigen Senat beim
BPatG zu treffen und Open Source und dessen business model zu
erklären?
> 
> Die Gewaltenteilung muss moeglicherweise von verschiedenen Generationen
> immer neu erkaempft werden.  Indem wir das zum Thema machen, ueberladen
> wir uns nicht etwa an "unrealistisch" schweren Aufgaben.  Wir
> sprechen die Aufgabe lediglich an und erschliessen uns damit
> weitere Buendnis-Moeglichkeiten.

Natürlich. Und wir haben ein wunderbares, gut funktionierendes,
normiertes System eben das zu tun. Wir haben ein Grundgesetz und
ein Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Man kann dann eine
Verfassungsbeschwerde einreichen. Gegen die Rechtsfortbildung
sehe ich allerdings wenig Chancen, da das BVerfG selbst sehr
stark das Recht fortbildet. 

Gruss

Rigo