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Re: [FYI] Eröffnungsrede Margareta Wolf anlässlich des Linuxtages 2001 zum Thema: "Open Source - Chance für Wirtschaft und Gesellsc



"Axel H Horns" <horns@ipjur.com> zitierte:

> Natürlich gehört dazu auch die Verpflichtung, uns alle als Mitglieder 
> dieser Gesellschaft auf der Basis unseres gemeinsamen, demokratisch 
> legitimierten Wertesystems in wichtigen Lebensbereichen zu schützen.  
> 
> Deshalb ist die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden eine legitime, 
> notwendige Staatsaufgabe.  

> eine breite Bewegung wie die der OpenSource-Community, die sich in 
> großem Umfang auch mit den bisher angesprochenen Fragen befasst, kann 
> und sollte dazu beitragen, die gestellten Fragen in der 
> Öffentlichkeit zu diskutieren und auch zu beantworten.  
> 
> Ein zunehmend wichtiges Element unserer Strategie ist deshalb - nicht 
> erst seit heute - die Unterstützung der Open Source-Bewegung in 
> Deutschland, in Europa und weltweit.  

Huch? Die Open-Source-Bewegung (wenn es sie denn gibt) wurde von
jemandem initiiert (durch Beschreibung ins Leben gerufen?), der
sich weder der wehrhaften Demokratie und den damit verbundenen
Einschränkungen gewisser Grundrechte (z.B. der Meinungsfreiheit)
verbunden fühlt, noch beispielsweise Waffengesetzen (selbst den
amerikanischen), auch wenn diese Punkte in dieser extremen Form
natürlich nicht überall Anklang finden.

Die GNU-Philosophie, derzufolge die Freiheit, anderen Freiheit
vorzuenthalten, aufzugeben ist, dürfte deutlich näher am deutschen
Modell liegen, auch wenn auch für die Leute dort Einschränkungen bei
der Rede- und Preßfreiheit relativ schwer vermittelbar sein dürften.

Ich habe ein bißchen den Eindruck, daß die Leute, die sich seit
eh und je mit freier Software beschäftigen, sehr stark von der
amerikanischen Realisierung einer Demokratie beeinflußt sind (da
dort viele Themen früher als hierzulande diskutiert werden und somit
ein früher Meinungsbildungsprozeß angestoßen wird) und daher die
Notwendigkeit einer wehrhaften Demokratie nicht oder nur sehr bedingt
einsehen.

Ich kann ja durchaus verstehen, daß man sich über gestiegene und
auch refelektierte Partizipation in Bereichen der Politik freut, die
früher eher nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Aber um
Irritationen zu vermeiden, sollte man auch im Hinterkopf behalten,
daß diese Leute zwar im wesentlichen die gleichen Grundwerte teilen
(vielleicht mit leicht verschobener Gewichtung), aber bestimmte
Aspekte der wehrhaften Demokratie rigoros ablehnen. (In diesem Sinne
mangelt es sogar an hohem Maße an Verfassungstreue, insbesondere in
bezug auf jüngere Ergänzungen der Grundrechtsartikel.)

Jeder kompromißbereite Innen- und Europapolitiker wird mit einem
Menschen, der "Wer Freiheit für Sicherheit eintauscht, wird am Ende
beide verlieren." in seiner Signatur stehen hat, jedenfalls ein
erhebliches Kommunikationsproblem über ganz zentrale Themen haben.
Außerdem sind die Mechanismen bei politischen Willungsbildungsprozeß
und typischen Entwicklungsprozessen in bezug auf Software und auch das
Netz so grundverschieden, daß weitere Probleme entstehen.

Erinnert sich noch jemand über die Empörung, die die
Mailinglisten-Diskussion über ein Gespräch in einem Bundesministerium
bei diesem auslöste? Da liegen noch immer Welten dazwischen.

> Open Source setzt darüber hinaus auf ein überaus wertvolles Gut, das 
> unsere Gesellschaft fördern sollte: gemeinschaftliche, kreative und 
> selbstverantwortliche Arbeit.  

Es wird wohl noch ein bißchen dauern, bis Entwicklung freier Software
(oder Support dafür im Usenet) im Bewußtsein der Bevölkerung als
ehrenamtliche Arbeit gilt. :-/

> Bevor ein Stück dieser Arbeit beispielsweise für das nächste Linux-
> Release akzeptiert wird, hat es zweifellos mehr Tests hinter sich, 
> als es in einem traditionellen Entwicklungsunternehmen auch nur 
> denkbar wäre.  

Das stimmt in dieser Form natürlich nicht. Neue Linux-Versionen (d.h.
neue Versionen des Linux-Kernels) werden i.d.R. ohne systematische
Regressionstests veröffentlicht. Das wird teilweise dadurch
kompensiert, daß die Versionszyklen bei Bedarf extrem kurz sein können
(obwohl diese rasche Reaktion inzwischen beim Linux-Kernel selbst
nicht mehr gegeben ist).

Bei anderer freier Software hingegen sind die Entwicklungsmodelle so
verschieden von proprietärer Software auch wieder nicht.

> GnuPG bietet den Anwendern eine einfach zu nutzende, transparente 
> Verschlüsselung an.  

GnuPG mag ja vieles sein, aber transparent ist es sicher nicht
(für den Nutzer, für die Daten sieht das natürlich anders aus ;-).
Kryptographie kann nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht transparent
sein, da sie dadurch unzuverlässig wird (siehe z.B. die völlig
transparente HTTPS-Unterstützung von Konqueror bzw. KDE: dahinter
verbirgt sich ein waschechtes Sicherheitsproblem).

> Auf der anderen Seite müssen natürlich die Rechte der Entwickler von 
> Software gewahrt werden.  

Naturrechte? Ich sehe nicht, daß hier Naturrechte involviert sind
-- außer vielleicht Freiheitsrechten, aber das kann ja wohl kaum
gemeint sein, da doch im folgenden der Eindruck erweckt wird, daß der
Entwickler und auch der Nutzer diese grundlegenden Rechte opfern soll.

Sehr positiv ist mir übrigens aufgefallen, daß der Gegenpol zur freien
Software 'proprietär' genant wurde.