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Re: [FYI] CDU begibt sich auf den Netzpfad - "Patentschutz nur



Axel Horns schrieb:

> Klarerweise ein Formelkompromiss, der einen Dissens verdecken soll, IMHO:
>
> Erste Fraktion (Basso Continuo):
>
> > Der auch durch internationale Verpflichtungen abgesicherte Schutz
> > immaterieller Rechte muss grundsätzlich auch für Leistungen im Bereich
> > der Softwareentwicklung gelten. Deshalb sollen Patente auf
> > Softwareentwicklungen auch nach deutschem Recht erteilt werden können.
>
> Zweite Fraktion (Solisten im Wechselgesang):
>
> > Patente auf Software dürfen aber nur bei Offenlegung des Quellcodes
> > erteilt werden.
>
> > Patentrechtsinhaber sind zu verpflichten, lizenzfreie
> > Schnittstellen zu schaffen oder zu ermöglichen.
>
> > Im Interesse der
> > Innovationsfähigkeit sollte die Laufzeit von Software-Patenten kurz
> > bemessen sein und 5 Jahre nicht überschreiten.
>
> > Berechtigte
> > Sicherheitsinteressen von Anwendern müssen Vorrang vor Urheberrechten
> > der Entwickler haben.

In der Tat eine plausible Analyse.

> Wie das zusammengehen soll, das waere ja die eigentlich interessante Aussage.
> So, wie es dargestellt ist, passt es nicht. Software an sich (als
> "Textgewebe", "linguistisches Konstrukt") ist ja auch bei Patenten auf
> computer-implementierbare Erfindungen nie Gegenstand von Patentanspruechen.
> "Patente auf Software" gibt es schlicht nicht, auch nicht beim US-PTO, beim
> EPA oder beim DPMA. Was meint dann die CDU-Kommission mit ihrer Aussage?

Es gibt Patente auf computer-implementierbare Organisations- und
Rechenregeln.
Niemand definiert "Programme fuer DV-Anlagen" als "Textgewebe".
Wie das EPA sie 1978 definierte, ist in

	Pruefungsrichtlinien des Europaeischen Patentamtes
	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/epo-gl78/

nachzulesen.  Kurz: Algorithmen, Organisations- und Rechenregeln.
Ebenso verstand der BGH "Rechenprogramme fuer Datenverarbeitungsanlagen"

	BGH Beschluss Dispositionsprogramm
	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bgh-dispo76/

Etwas anderes darunter zu verstehen, wuerde bedeuten, den Gesetzgeber von
1973 zu einem Dummerchen zu erklaeren.

S. auch dazu das Gutachten von Prof Karl-Friedrich Lenz zur Auslegung des
EPUe Art 52

	http://swpat.ffii.org/stidi/epc52/exeg/

Schon letztes Jahr zweifelte ich an der Lauterkeit der Absichten von Axel
Horns, der uns immer wieder, auch im Rahmen eines Regierungsgutachtens,
versucht hat, historische Maerchen zu erzaehlen und Art 52.2c EPUe als
"gesetzgeberischen Missgriff" darzustellen.

Inzwischen liegen die Dokumente, die Horns verschwieg, fuer alle auf dem
Tisch.  Weiteres Beharren auf den frueheren Fehlinformationen, wie hier
und auf

	http://www.ipjur.com/01.php3

ist nicht mehr ohne Unterstellung unlauterer Absichten oder extremer
Begriffsstutzigkeit zu erklaeren.

Tut mir leid.

> Richtig ist vielmehr, dass prinzipiell Patentansprueche mit
> funktionalen Merkmalen durch Kombination aus Software plus

Patentansprueche mit funktionalen Merkmalen = Ansprueche auf Algorithmen =
"Softwarepatent"

> zugehoerigem Prozessor verletzt werden koennen. Dieser Tatbestand -
> und nichts anderes - ist der Kern der derzeitigen Debatte ueber
> "Softwarepatente". Der Patentanspruch sagt aber nicht immer, ob stets
> eine Verletzung durch Software plus Prozessor im Fadenkreuz ist
> und/oder auch eine Verletzung durch Hardware (z.B. ASIC- Baustein);
> der Begriff hierfuer lautet "Ambivalenzbereich".

Ein "Ambivalenzbereich" entsteht als Folge der Patentierung von
Algorithmen. Die aber sollte unterbleiben.

> Wenn man also Rechtspflichten fuer den Anmelder / Patentinhaber an den
> Tatbestand "Patent auf Software" knuepfen will, muesste man erst einmal
> praezise klaeren, was dameit gemeint sein soll.

Die CDU-Internet-Kommission hat das zweifellos nicht geklaert.
Es handelt sich um eine Ansammlung wohlklingender Phrasen.
Ihr Papier bringt die Diskussion nicht weiter.

> Die Zwangslizenz-Frage ist schon des oefteren andiskutiert worden, z.B.
>
> http://www.jurpc.de/aufsatz/20000223.htm
>
> (dort Absatz 78) sowie das LuGeHo-Gutachten unter
>
> <http://www.sicherheit-im-internet.de/download/Kurzgutachten-Software -
> patente.pdf>
>
> dort Seite 135 bis 136.
>
> Der Fuenf-Jahres-Vorschlag waere nur international zusammen mit einer
> Aenderung von TRIPS machbar.

Ja, und mit einer Definition, was "Softwarepatente" sein sollen.

> "Berechtigte Sicherheitsinteressen von Anwendern" klingt gut und hat
> zweifellos einen wahren Kern. Die eigentliche Aufgabe ist aber damit noch
> nicht geloest.
>
> Im uebrigen ist in dem Heise-Artikel noch ein Fehler:

nicht nur einer.

> "Ein vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten
> kam daher im vergangenen Jahr zu dem Schluss, Open-Source-Software vom
> Patentschutz auszunehmen."

> Das LuGeHo-Gutachten hat (im Kern) lediglich vorgeschlagen, eine
> Patentverletzung dort per Legalfiktion auszuschalten, wo der textuelle
> Aspekt von Software gegenueber dem funktionalen Aspekt dominant ist;
> d.h. solange man Software-Code nicht mit dem Prozessor zusammenbringt,
> auf dem sie ablaufen soll, kann man damit alles machen, ohne
> _patentrechtlich_ belangt werden zu koennen.

Richtig.

Ferner pflegt Stefan Krempel das Klischee von dem "Linux-Lager", welches
gegen Softwarepatente sein soll.  Als waere ein anderes Software-Lager
dafuer.  Jeder, der einmal ein paar solcher Patente gelesen hat, weiss,
dass es sich um Idiotie pur handelt, die nur Patentanwaelten nuetzt.

Fuer "Softwarepatente" stehen dennoch ueber den Grossteil der
Patentanwaltschaft hinaus noch einige Kraefte

 - Vorurteil der Unwissenden:  das Patentwesen ist etabliert und wird
   mit "Rechten der Urheber" gleichgesetzt.  So auch im CDU-Papier
 - Bestreben zur Anpassung an dominante weltweite Vorbilder, welches umso
   staerker zur Geltung kommt, je weniger man von der Sache versteht
 - Interesse von Investoren an verbrieften Monopolrechten und
   Berechnungsgrundlagen in Gebieten, die sie nicht verstehen
 - Bestreben nach Ausverkauf immer groesserer Teile des oeffentlichen
   Raumes und Hervorholung immer neuer verwertbarer Gemeingueter, auch
   wenn es nichts mehr zu verramschen gibt.

Wer heute noch programmiert, sollte sich ueberlegen, moeglichst schnell
auf Patentrecht umzusteigen.  Die herrschenden Kraefte verachten die
Taetigkeit des Programmierers und foerdern stattdessen lieber die des
Ideenverwerters.  Wenn das so ist, dann sollten wir uns zusammentun, alles
lahmlegen und dabei einen teuflischen Spass haben.  Insbesondere
Informatik-Studenten koennen sich dabei ein nettes Zubrot verdienen.
Hauptzielscheibe koennte zunaechst mal Microsoft werden.  Wie waere es mit
einer Patentklage pro Tag gegen Microsoft, von unzaehligen kleinen GmbHs
gestartet?  Natuerlich im Namen der "Rechte des kleinen Erfinders", die
grossen Firmen ja so besonders am Herzen liegen. Die freie Software und
viele kleine Firmen werden dabei zwar mit draufgehen oder zumindest schwer
angeschlagen werden, aber das ist nicht unsere Schuld.

Dem FITUG e.V. bleibt vorzuwerfen, dass er in einer Stunde der Krise auf
Desinformationen und Beschwichtigungen einiger einflussreicher Mitglieder
gehoert hat.  Zwar nicht so schlimm wie die GI, aber meiner Meinung nach
ist auch dieser Verein gestorben.  Wer sich nicht in grossen Fragen
eindeutig fuer die Freiheit des Geistigen und Wuerde des Menschen
einzusetzen versteht, hat auch als Cyber-Buergerrechtler in kleinen Fragen
nichts mehr zu sagen.  Im Vergleich zur Swpat-Frage ist DMCA Kleckerkram.

Noch ist die Sache ja noch nicht ganz ueber die Buehne, aber von Fitug
erwarte ich nicht viel mehr als die Bereitstellung eines interessanten
Debattier-Verteilers.  Das ist ja auch schon was.  Vielleicht lassen sich
hier die Informatiker zu finden, die kuenftig den spassigen
Partisanenkrieg gegen Microsoft und andere Patent-Trottel fuehren werden,
die ihren Patentjuristen bei der Desinformation der Oeffentlichkeit freien
Lauf liessen und nun die Suppe ausloeffeln duerfen.  Patente schaedigen
die gesamte Softwarebranche, auch die Grossen.  Und die Schreiber freier
Software sind meist recht intelligente Leute.  Sie werden sich nicht in
die Rolle begeben, als Melkkuehe der Nation um Patentlizenzen fuer ihre
eigenen Werke zu bitten.  Man kann auch mal eine Weile aufhoeren, freie
Software zu schreiben.  Es geht auch mal eine Weile ohne SuSE, Mandrake
usw.  Der Vorteil der freien Software ist, dass sie irgendwie auch im
Untergrund vorankommt.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation:   http://swpat.ffii.org/
85000 Stimmen gegen Logikpatente:            http://www.noepatents.org/