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Re: Verlust der Verfassung
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- Subject: Re: Verlust der Verfassung
- From: kopp@naranek.camelot.de (Wolfgang Kopp)
- Date: 24 Oct 2001 17:18:00 +0200
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Hallo Hauke,
du meintest am 23.10.01 um 19:46 zum Thema "Re: Verlust der Verfassung":
> Angenommen, die Grundrechte des Grundgesetzes binden wie in Art. 1
> III GG vorgesehen alle staatliche Gewalt (Gesetzgebung, vollziehende
> Gewalt und Rechtsprechung); auch dann, wenn es sich um nicht direkt
> ausgeübte, sondern gemäß Art. 23 oder Art. 24 GG übertragene
> Hoheitsgewalt handelt.
Von dieser Prämisse geht das BVerfG aber doch - so wie ich es verstehe -
nicht aus, sondern lediglich davon, dass die Hoheitsübertragung nach
Art. 23 I GG durch den Grundrechts-Mindeststandard begrenzt ist.
Die frühere Hilfskonstruktion braucht es jetzt jedenfalls für die EU
nicht mehr: Das BVerfG habe nicht nur den Grundrechtsschutz gegen
deutsche öffentliche Gewalt, sondern den Grundrechtsschutz gegen jede
öffentliche Gewalt _in_ _Deutschland_ zu verbürgen.
Das war damals (Solange I?) ein sinnvoller Ansatz, um Art. 1 III GG
nicht von Art. 24 GG aushöhlen zu lassen, aber den Grundgedanken dieser
Rechtsprechung hat ja jetzt Art. 23 I GG aufgenommen, so dass IMHO als
Prüfungsmaßstab nicht mehr die Grundrechte direkt heranzuziehen sind,
sondern lediglich Art. 23 I GG als lex specialis in Betracht kommt.
Daraus lässt sich dann das vom BVerfG postulierte Kooperationsverhältnis
zwischen EuGH (Grundrechtsschutz im Einzelfall) und BVerfG (Absicherung
eines Mindeststandards als "Notbremse") zwanglos erklären.
Was die Ineffektivität des Grundrechtsschutzes vor dem EuGH angeht: Von
einem Richter am Verwaltungsgericht habe ich unlängst erfahren, dass der
EuGH bisher erst in einem Fall sekundäres Gemeinschaftsrecht verworfen
hat. Leider habe ich dazu keine Fundstelle, aber es handelte sich
angeblich um einen Extremfall. Der EuGH tendiert (leider?) dazu, bei der
(wichtigen) Prüfung der Verhältnismäßigkeit nur eine
Missbrauchskontrolle vorzunehmen; das kommt wohl noch aus den Tagen, als
die Gemeinschaft fast nur im wirtschaftlichen Bereich Zuständigkeiten
hatte und der EuGH deshalb einen sehr weiten Prognose- und
Gestaltungsspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers sah, der sich heute
vielleicht nicht mehr in dieser Form halten lässt.
--
Wolfgang Kopp, Buchenstr. 28, D-85716 Unterschleissheim, +49-89-32121932
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