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FWD: DVD-PE zum Anti-Terror-Gesetz



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Presseerklärung vom 02.11.2001 (19.00)
der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) e.V.
zum 2. Anti-Terrorimus-Paket

Datenschützer: "So nicht, Herr Schily!"

Das Verhandlungsergebnis zwischen Bundesinnenminister Otto Schily und
der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum sog
Terrorismusbekämpfungsgesetz, das soeben bekannt wurde (Stand
29.10.2001, 15.00 Uhr), hat bei der Deutschen Vereinigung für
Datenschutz (DVD) "blankes Entsetzen" ausgelöst. Dazu der DVD
Vorsitzende, Dr. Thilo Weichert:

"Nachdem man nach den ersten Verlautbarungen über das Anti-Terror-Paket
noch die Hoffnung haben konnte, die grüne Bundestagsfraktion habe die
schlimmsten Auswüchse verhindern können, belehrt der konkrete Text uns
eines "Schlechteren". Den Zugeständnissen Schilys an die Grünen stehen
massive Verschlimmerungen gegenüber. Was hier von einem rot-grünen
Kabinett beschlossen werden soll, hätte sich die alte schwarz-gelbe
Regierung nicht erlaubt: Geplant ist nichts weniger als die
Grundsteinlegung für einen Geheimdienststaat und insbesondere für die
perfektionierte Überwachung unserer nichtdeutschen Mitbürgerinnen und
Mitbürger.

Sollten mit dem ersten "Otto-Katalog" "nur" dem Bundesamt für
Verfassungsschutz zusätzliche Befugnisse gegenüber Banken, Post-,
Telekommunikations- und Flugunternehmen eingeräumt werden, so sollen
nun auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) und der
Bundesnachrichtendienst (BND) "profitieren". Ganz nebenbei wird der
große Lauschangriff für den Inlandsgeheimdienst eingeführt. Ohne Not
wird das Sozialgeheimnis zur Durchführung von Rasterfahndungen
durchlöchert. Neben diesen neuen rechtsstaatlichen "Grausamkeiten" sind
fast alle aus dem ersten "Otto-Katalog" erhalten geblieben: Mit einer
"Nebelkerzen-Regelung" soll das Bundeskriminalamt (BKA) weiterhin ohne
Anfangsverdacht Daten erheben und speichern dürfen. Von Befristungen
der Geltungsdauer von Befugnissen ist keine Rede mehr. Die Asylbehörden
sollen ihre Erkenntnisse aus den Asylanträgen personenbezogen an den
Inlandsgeheimdienst weitergeben, ohne jede rechtsstaatliche Sicherung,
ja ohne ein Verbot der Weitergabe an Geheimdienste der
Verfolgerstaaten. An der Überwachung der Ausländerinnen und Ausländer
ist praktisch kein Abstrich erfolgt. Sollte es bei der Biometrie im
Ausweis von Deutschen politische Probleme geben, so werden die
Ausländer als "Versuchskaninchen" vorgeschickt - mit einfacher
Rechtsverordnung des Innenministeriums. Praktisch alle Maßnahmen im
Ausländerrecht haben zwar keinen Effekt bei der Terrorismusbekämpfung,
wohl aber einen für die Vollüberwachung des ausländischen
Bevölkerungsteils, für die Abschottung der Grenzen und
Einreiseverhinderungen und für Abschiebungserleichterungen. Das Gesetz
atmet eher den Geist des Kolonialismus als den eines weltoffenen
modernen Deutschlands. Der Ausländer wird als Sicherheitsrisiko und
nicht als Partner behandelt.

Unbestreitbar ist, dass nach absolutem Fehlen von rechtsstaatlichen
Sicherungen im ersten Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen einige
Begrenzungen durchgesetzt wurden, z.B. Richtervorbehalte, eventuell
erfolgende nachträgliche Benachrichtigungen oder die Notwendigkeit
einer Entscheidung durch den Behördenleiter. Doch diese Korrekturen
laufen teilweise ins Leere; an anderen Stellen fehlen sie weiterhin
völlig. Wer glaubt, mit einer schwindsüchtigen G-10-Kommission
gewaltige Geheimdienstapparate kontrollieren zu können, irrt.
Merkwürdig ist, dass im Entwurf an keiner Stelle von der
Datenschutzkontrolle die Rede ist. Das rechtsstaatlich Mindeste wäre,
diese entsprechend auszubauen wie die sog. Sicherheitsbehörden. Es
bedürfte schon einer massiven Veränderung der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, wenn dieser Entwurf von dem obersten
deutschen Gericht hingenommen würde.

Die Strategie von Otto Schily scheint aufzugehen: Unverschämtes
fordern, ein paar Brosamen dem Koalitionspartner unter den Tisch werfen
und dann Unverschämtes umsetzen. Ein Trauerspiel bot bisher die SPD,
deren rechtsstaatliches Gewissen offensichtlich völlig verstummt ist.
Bündnis 90/Die Grünen sind gut beraten, schon vor der Kabinettssitzung
am 7. November die Notbremse zu ziehen; in jedem Fall muss jede
einzelne Regelung auf den parlamentarischen und den öffentlichen
Prüfstand gestellt werden. Selbst Rechtsstaatsverfechtern in der
Opposition von FDP und CDU muss dieses Paket suspekt sein. Die
SPD-Wahlkampfstrategie für die Wahlen 2002, die CDU bei der "inneren
Sicherheit" rechts zu überholen, darf nicht zu Lasten unserer
freiheitlichen Ordnung gehen. Bei den Verhandlungen darf es keinen
Zeitdruck geben, denn hier steht nicht die kurzfristige Abwehr von
terroristischen Gefahren zur Diskussion, sondern die Zerschlagung von
Pfeilern unseres Rechtsstaates. So nicht, Herr Schily!"

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