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Re: Kontrollverlust



Patrick Goltzsch <Patrick.Goltzsch@Hanse.de>:

>>>>>> Mario Dueck writes:

>> Man kann die "alten" Kategorien durchaus anwenden, man
>> muss nur genau hinsehen.

>> Auch bei einer massenhaften Nutzung des WWW durch Abruf
>> von einzelnen, unterschiedlichen WWW-Seiten ist dies nicht
>> der Fall - weshalb man auch "das WWW" nicht als
>> Massenmedium bezeichnen kann.  Öffentlichkeit entsteht
>> aber dort, wo massenhaft gleiche Inhalte rezipiert (aktiv
>> abgefragt oder passiv empfangen) werden. Das ist
>> z.B. evident beim Fernsehen, aber auch bei besonders gut
>> besuchten Webseiten der Fall.

> Vor längerer Zeit hat Kristian das mal sehr anschaulich
> zerlegt. In Abhängigkeit von Software, Einstellungen,
> Cookies usw. kann eine Webseite sehr unterschiedliche
> Inhalte vermitteln.

Das ist wahr. Es ändert aber nichts daran, daß eine Webseite auch an
eine Vielzahl von Personen aus einen unbestimmten Personenkreis
identische Inhalte vermitteln kann, und das dürfte auch keineswegs
untypisch sein. Übrigens gilt auch für das klassische Massenmedium
»Zeitung«, daß die Daten auf individuellen Kommunikationskanälen
übertragen werden und daß rein theoretisch in jedem Exemplar etwas
anderes stehen könnte.

»Massenkommunikation« bedeutet nicht das Gleiche wie »Rundfunk« oder
»Broadcasting«. Die individuelle Übertragung der Daten macht noch
keine Individualkommunikation aus der Vermittlung identischer Inhalte
an einen breiten, unbestimmten Personenkreis.

Wahr ist auch: (Nicht nur) im Internet kann in einigen Fällen die
Grenzziehung zwischen Massen- und Individualkommunikation schwer
werden. Das ändert aber nichts daran, daß in vielen anderen Fällen die
Einordnung unproblematisch möglich ist.

(Und ja, das habe ich auch damals schon Kristian geantwortet. Siehe
<http://groups.google.com/groups?selm=EuApox.1Hp%40idril.shnet.org&output=gplain>)

> Als die australische Regierung ihre
> Maßnahmen zur Zensur einführte, kursierte die Aufforderung,
> Adressen die zu gov.au (o.ä.) gehören, mit einer
> Standardseite ("Nicht für Zensoren") zu bedienen.

Ja. Und? Nimm an, der Spr*nger-Verlag gibt Anweisung, an Behörden und
Gerichte nur speziell frisierte Zeitungen auszuliefern. Muß der Verlag
dann in seinen Zeitungen keine Gegendarstellungen mehr abdrucken?

Nein, und es gibt nicht einmal ein ernsthaftes Beweisproblem, weil der
Boykott der staatlichen Stellen nicht lückenlos funktionieren wird. Da
müßten schon viel ausgefeiltere Konzepte her.

> Du kannst diesen Standpunkt ja gerne vertreten. Du solltest
> dann aber auch einen gangbaren Weg weisen. Wenn Du der
> Meinung bist, dass P2P-Dienste Öffentlichkeit herstellen und
> Urheberrechte verletzen, musst Du eine Handhabe vorweisen,
> dem Gesetz Geltung zu verschaffen.

Muß er? Warum?

Ich bestreite nicht, daß das bisherige Urheberrecht kaum zur modernen
Informations- und Kommunikationstechnik paßt. Das Problem zu »lösen«,
indem man die Existenz von »Öffentlichkeit« in der kommenden
Informationsgesellschaft bestreitet, ist aber doch eher
abwegig. Vielleicht kannst Du mit dem Konzept der »Ausdehnung des
Privaten« das Urheberrecht so hinbiegen, daß es Dir besser paßt, aber
wenn in Zukunft alles gleich »privat« ist, gibst Du damit den Begriff
der schützenswerten Privatsphäre (Briefgeheimnis, Fernmeldegeheimnis,
Unverletzlichkeit der Wohnung, ...) auf. Das ist m.E. nicht
wünschenswert.

Hauke

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