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SPIEGEL ONLINE - NRW sperrt Webseiten: "Keep Your Web Clean"



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NRW sperrt Webseiten: "Keep Your Web Clean"
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Etwa 80 Internet-Zugangsanbieter in NRW erhalten in diesen Tagen
Blaue Briefe der Düsseldorfer Bezirksregierung. Regierungspräsident
Jürgen Büssow macht ernst damit, rechtsradikale Seiten zu sperren -
und trifft auf Widerstand.

 Von Michael Voregger 


Betroffen sind die Seiten des Holocaust-Leugners Gary Lauck und des
texanischen Providers Stormfront. Bereits im Oktober hatten die
Beamten einen ersten Sperr-Versuch unternommen, der großes Aufsehen
verursachte und massiv kritisiert wurde. Ob der zur Begründung
angeführte Mediendienste-Staatsvertrag solche Maßnahmen gestattet,
ist unter Medienrechtlern durchaus umstritten.

Proteste ließen auch diesmal nicht lange auf sich warten: Am
Wochenende strichen die Betreiber der Suchmaschine www.acoon.de alle
Verweise auf die Internetseiten der Landesregierung NRW aus ihrer
Datenbank.

"Wir sind uns natürlich bewusst, dass wir der Bezirksregierung damit
kaum wehtun werden", erklärt Michael Schöbel, Geschäftsführer von
Acoon. "Wir hoffen aber, dass sich uns auch andere Suchmaschinen und
die betroffenen Internet-Provider anschließen und dass dadurch die
Öffentlichkeit stärker auf diesen Vorgang aufmerksam gemacht wird".

Die Betreiber beziehen klar Stellung gegen rechtsradikale Inhalte,
verurteilen aber ebenso deutlich die staatlichen Maßnahmen. "Was die
Bezirksregierung Düsseldorf hier versucht, ist nichts anderes als
Zensur, die unserer Meinung nach entschieden bekämpft werden muss."

Bürgerrechtler gegen Zensur rechter Seiten 

Eigentlich kann niemand etwas dagegen haben, wenn menschenverachtende
Inhalte und Parolen aus dem Web verschwinden. Doch Bürgerrechtler
kritisieren, das staatliche Stellen nur an der Oberfläche bleiben und
die wirklichen Probleme ignorierten. "Auf den ersten Blick scheint es
sinnvoll zu sein, Seiten mit rechtsradikalen Inhalten zu sperren",
sagt padeluun, Vorsitzender vom FoeBuD in Bielefeld, "aber Zensur ist
immer falsch".

"Durch die weltweite Vernetzung sehen wir erst, was es weltweit alles
an bösartigen und verachtenswerten Dingen gibt. Die kann man aber
nicht einfach ausblenden, sondern man muss etwas dagegen tun und sich
wehren", glaubt der Netzaktivist. "Eine Sperrung führt nur dazu, dass
man sie nicht mehr sieht, obwohl sie immer noch da sind. Das ist gut
gemeint, zeugt aber von Ahnungslosigkeit."

Trotz aller Kritik fühlt sich Regierungspräsident Büssow nicht nur im
Recht, sondern er will sein Vorhaben auch besonders gründlich
erledigen. In Zusammenarbeit mit den westfälischen Firmen Webwasher,
Bocatel und IntraNet sollen auch die letzen Schlupflöcher im Netz
verstopft werden.

"Keep Your Web Clean" steht auf der Homepage der Paderborner
Programmierer der Webwasher AG, und mit diesem Leitspruch wird es die
Siemens-Tochter zu einem wichtigen Partner staatlicher Stellen
bringen. "Wir stellen eine URL-Datenbasis zur Verfügung, die als
Grundlage für die gewünschte Filterung genutzt wird. Bei der Suche
kombinieren wir Verfahren zur Bilderkennung, sowie semantische und
linguistische Methoden", sagt Firmensprecher Berni Lörwald. Über eine
Suche nach Bildmustern können beispielsweise Hakenkreuze oder andere
Symbole gezielt herausgesucht werden.

"Wir sehen die Verpflichtung der Regierung, bestimmte Angebote von
bestimmten Gruppen fern zu halten. Das sollte nach unserem
Verständnis keine Zwangsmaßnahme sein", erklärt Lörwald. "Es sollte
allerdings nicht gegen den Willen der Provider geschehen".

Vor den Sperranweisungen gab es eine Reihe von Treffen zwischen den
Beamten und den Providern, aber einvernehmliche Regelungen sehen doch
etwas anders aus. Besonders erbost sind die Provider derzeit über die
beiliegende Rechtsbehelfsbelehrung, die die Einspruchsfrist von einem
Jahr auf einen Monat verkürzt.

Selbst unter den sozialdemokratischen Parteifreunden stößt die
einsame Initiative von Regierungspräsident Büssow auf wenig
Unterstützung. "Das ist technisch in etwa so, als wolle man den
Golfstrom im Atlantik mittels einer Din-A4-Seite aufhalten. Das zeigt
nur zu deutlich, wie weit sich die Bezirksregierung inzwischen von
der Realität entfernt hat", sagt Arne Brand, Pressesprecher des
virtuellen Ortsvereins der SPD. "Vielleicht kann ihm wenigstens im
Gerichtsverfahren gezeigt werden, was er da eigentlich tut."

Eine gerichtliche Klärung scheint unausweichlich zu sein, denn viele
Zugangsprovider überlegen sich erste juristische Schritte. Die
Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt bereits gegen die
Bezirksregierung wegen eines möglichen Verstoßes gegen das
Fernmeldegeheimnis. Weitere Prozesse werden wohl folgen.

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Zum Thema
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In SPIEGEL ONLINE:

 - Web-Zensur in NRW: "Vorauseilender Gehorsam" (28.11.2001)
   http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,170019,00.html
 - NRW sperrt Nazi-Seiten: Deutschlands erster Fall von Web-Zensur? (27.11.2001)
   http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,169820,00.html

Im Internet:

 - Landesregierung NRW
   http://www.nrw.de



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