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Re: [ODEM-Zensur] Stand der Dinge



Der lange Weg zur europäischen Cyber-Rights-Union

Stefan Krempl  01.01.2002

Hacker und NGOs machen mobil gegen Big Brother und Netz-Zensur

[...]

Eines  der  Hauptanliegen der Veranstalter des 18. Chaos Communication
Congresses  war es daher, neue Allianzen für die Rechte der Netzbürger
zu schmieden. Ein besseres "Campaigning" streben die Hacker und gleich
gesinnte  Non  Governmental Organizations (NGOs) daher an - Werbe- und
Medienkampagnen,   mit   denen   endlich   die  breite  Öffentlichkeit
mobilisiert  und  über  die  Folgen der beschlossenen oder anstehenden
Gesetzeswerke und Kontrollmaßnahmen aufgeklärt werden soll.

Der   ganze  dritte  Congresstag  stand  daher  ganz  im  Zeichen  des
Brainstormings europäischer Netzaktivisten. Dem CCC schwebt demnach in
Kooperation mit der britischen Bürgerrechtsorganisation [6]Statewatch,
Vertretern der Global Internet Liberty Campaign ( [7]GILC) und anderen
Datenschutzvereinigungen  der  Aufbau  einer  "Cyber-Rights-Union" zum
Schutz  der Privatsphäre vor. Mittelfristiges Ziel ist es, ein Büro in
Brüssel  für  das Lobbying auf der EU-Ebene aufzubauen. Die Pläne sind
allerdings noch ganz im Anfangsstadium.

Hacktivismus für die Wissensfreiheit

Tastende   Versuche   in   Richtung   besserer   Öffentlichkeitsarbeit
kennzeichneten auch den Kampagnen-Workshop "Offene Kulturen und Freies
Wissen",  mit  dem  der schon tot geglaubte Berliner Vernetzungsverein
[8]mikro  sein Comeback ankündigte. "Wir wollen die Änderungen bei den
Urheberrechtsgesetzen  auf  längere  Zeit hin verfolgen", erklärte die
Netzaktivistin  Inke  Arns.  Momentan  sei  zu  befürchten,  dass  auf
politischem  Wege  Freiheiten,  die  das  Urheberrecht in den analogen
Medien  noch  gewährt,  ausgeschaltet  werden  sollen.  Dabei  gehe es
hauptsächlich  um  die  Durchsetzung  von Verwerterrechten der Medien-
oder  der  Softwareindustrie, nicht um die Interessen der eigentlichen
Urheber.

Um  die  Menschheit über das moderne Raubrittertum der Konzerne an der
Wissensallmende  und  technische  Gängelungen der Nutzer durch Digital
Rights  Management  (DRM)  aufzuklären,  hat mikro sich an einer Reihe
öffentlichkeitswirksamer  Kampagnen anderer NGOs [9]inspirieren lassen
(  [10]Digitale  Rechte und ihre Manager. Vorbilder sehen die Berliner
etwa  in den Schockmarketing-Praktiken der aus Wien stammenden Manager
der  Agentur  ubermorgen  (  [11]Schock-Marketing), die im vergangenen
Jahr in den USA einen großen Mediencoup mit der Wahlstimmen gegen Geld
tauschenden Plattform Voteauction.com landen konnten.

Aber  auch mit Preisverleihungen im Stile des [12]Big Brother Awards),
der   von  der  [13]Deportation  Class  am  Beispiel  Lufthansa/Condor
abgeschauten  Imageverschmutzung von Firmen ( [14]Staatsschutz wittert
Terror  im  Netz  oder  gezielten  (Des-)  Informationskampagnen  a la
[15]Superweed  liebäugeln die Verfechter des freien Wissensaustauschs.
"Es  geht  darum,  Medienviren zu verbreiten", sagt Inke Arns. Ergänzt
werden  soll  die  Palette  der  Aufmerksamkeitserregungsmittel  durch
klassische   Methoden   des  Hacktivismus  (  [16]Widerstand  aus  dem
Cyberspace).  Vorbilder  sind  die Gruppen RTMark und Yes Man, die für
Webseitenimitationen  wie  [17]Gatt.org  verantwortlich  zeichnen    (
[18]Gatt.org bleibt vorerst im Netz).

Sie haben Post

Die   genaue   Vorgehensweise   soll   nun   über  die  obligatorische
Mailingliste  diskutiert  werden,  deren Adresse mikro auf seiner Site
veröffentlichen will. So gut wie "verabschiedet" wurde dagegen bereits
die  Idee  eines Schweizer Hackers, die eine Konzernkampagne subversiv
umdeutet:   Microsoft   hatte   kürzlich   Briefe  an  Geschäftskunden
verschickt  und sie darin der Verwendung von nicht lizenzierten Kopien
bezichtigt. In ähnlich schockierendem Stil könnte man auch ausgewählte
Nutzer   anschreiben,   so  der  Vorschlag,  sie  auf  die  Verwendung
raubkopierter  Software,  Videos  und  Songs  hinweisen und so für das
Thema sensibilisieren. Schließlich plane die Industrie nichts anderes,
als fast alle gängigen Nutzerpraktiken zu kriminalisieren.

Ein  dritter,  von  süddeutschen  CCC-Mitgliedern  ins Leben gerufener
Arbeitskreis  will  sich  für  die Rezipientenfreiheit im Internet und
gegen  die  Kampagne  des  Düsseldorfer  Regierungspräsidenten  Jürgen
Büssow   zur   Sperrung  amerikanischer  Websites  stark  machen.  Als
virtuelle   Planungsplattform  soll  die  Homepage  des  Zensurgegners
[19]Volker  Birk  dienen. Einige konkrete, die Fertigkeiten der Hacker
gezielt  einsetzenden  Ideen  wurden  während  des Workshops auch hier
bereits entworfen.

Achtung, Umleitung

So  könnte es durchaus passieren, dass Besucher der virtuellen Filiale
der  Düsseldorfer  Bezirksregierung  demnächst ganz unvermutet auf der
von  Büssow  auf  den  Index  gesetzten Site [20]www.rotten.com landen
könnten.    Außerdem    soll    die   von   einzelnen   Providern   in
Nordrhein-Westfalen  bereits  implementierte,  aber  leicht  umgehbare
[21]DNS-Sperre durch ein automatisches Plug-in ausgehebelt werden. Ein
solches  Programm wollen die Hacker notfalls über eine Erweiterung für
das   Mailprogramm  Outlook  automatisiert  und  Virus-artig  im  Netz
verbreiten.

Der  Anti-Zensur-Workshop  zeigte  allerdings  gleichzeitig,  dass die
Freiheitskämpfer  dringend  juristischen Beistand benötigen. So hatten
die  meisten Teilnehmer über die rechtlichen Grundlagen der von Büssow
ins  Spiel  gebrachten Sperren keinen blassen Schimmer. Für den Aufbau
einer   über  Hacker-Tricks  hinausgehenden  Argumentationsbasis  sind
demnach   noch  einige  juristischen  Grundsatzrecherchen  im  Bereich
Medien- und Internetrecht nötig.

Links

[1] http://www.ccc.de/congress/2001/
[2] http://www.ccc.de/
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11416/1.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/glosse/11423/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9817/1.html
[6] http://www.statewatch.org/
[7] http://www.gilc.org/
[8] http://www.mikro.org/
[9] http://www.mikro.org/18C3.html
[10] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9412/1.html
[11] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/8654/1.html
[12] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9935/1.html
[13] http://www.deportation-class.com/
[14] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9846/1.html
[15] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/sa/3334/1.html
[16] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/2697/1.html
[17] http://www.gatt.org/
[18] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11160/1.html
[19] http://www.fdik.org/
[20] http://www.rotten.com/
[21] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11175/1.html

Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/11471/1.html

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//padeluun

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 "Was hier vorgeschlagen wird, ist im Grunde ein deutsches FBI", sagte
 Bayerns  Ministerpräsident  Edmund  Stoiber (CSU). "Dass das BKA sich
 grundsätzlich  in  jede  Ermittlung  einschalten kann, das wollen wir
 nicht." (25.10.2001)


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